Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Von der Pacification bis zur Executive

Recapituliren wir einmal in der Kürze, was die beiden deutschen Gro߬
mächte, die Negierung des Gesammtstaats Oestreich voran, und was der
deutsche Bund seit den Tagen, wo Schleswig-Holstein die eigene Vertheidigung
seiner Rechte aufgeben mußte, für die Herzogthümer gethan haben. Vielleicht
sehen wir in der Vergangenheit ein Stück der Zukunft, welche uns die Sol¬
daten des Herrn v. Bismarck in ungewohntem, aber gegenwärtig erklärlichen
Verein mit den "deutschen Brüdern" aus dem Magyaren- und Polakenlande
jetzt zu bereiten befehligt sind.

Glossen, starke Worte. Erstaunen bleiben ausgeschlossen. Wir haben eine
Reihe von Thatsachen vor uns, die ganz von selbst, ohne daß man sie bei ih¬
rem rechten Namen nennt, erröthen.

Infolge der olmützer Punctation fand die "Pacification" Schleswig-
Holsteins statt. Ein preußischer General geht mit einem östreichischen nach Kiel,
um sie einzuleiten. Ein östreichisches Armeecorps folgt ihnen des nöthigen
Nachdrucks wegen, und preußische Pontonniere bauen ihm dazu die Brücke über
die Elbe. Die beiden Kommissäre ziehen in Kiel mit Versprechungen ein, die
unter den obwaltenden Umständen nicht völlig unerträglich klingen. Sie seien
gekommen, so lassen sich die Herren vernehmen, um "einen Zustand herzustellen,
welcher dem Bunde erlaube, das Recht des Herzogthums Holstein und das
altherkömmliche Verhältniß zwischen Holstein und Schleswig zu wahren." Wei¬
ter wird zugesagt: die Cadres der Schleswig-holsteinischen Armee bleiben er¬
halten, die Festungen Rendsburg und Friedrichsort von einheimischen Truppen
besetzt, das Kriegsmaterial Bundescigenthum. Auf diese Verheißungen hin
unterwerfen sich Statthalterschaft und Landesversammlung mit dem in Waffen
stehenden Volke, ungern zwar, aber doch in der Hoffnung, aus dem Schiff-
bruch etwas zu retten.

"Jetzt steht die Schleswig-holsteinische Sache rein wie Gold da", ruft
Fürst Schwarzenberg aus. "Deutschland wird das gute Recht entschieden
schützen."

Die Geschichte der nächsten Jahre antwortet darauf: das gute Recht ist
von Deutschland nicht geschützt worden, weder entschieden, noch überhaupt, nicht
einmal das, was man an seine Stelle zu setzen beliebte.

Alle Versprechungen der beiden Bundescommissäre verwandelten sich wie
im Handumdrehen in ihr Gegentheil. Die Armee der Herzogthümer. bis auf


Von der Pacification bis zur Executive

Recapituliren wir einmal in der Kürze, was die beiden deutschen Gro߬
mächte, die Negierung des Gesammtstaats Oestreich voran, und was der
deutsche Bund seit den Tagen, wo Schleswig-Holstein die eigene Vertheidigung
seiner Rechte aufgeben mußte, für die Herzogthümer gethan haben. Vielleicht
sehen wir in der Vergangenheit ein Stück der Zukunft, welche uns die Sol¬
daten des Herrn v. Bismarck in ungewohntem, aber gegenwärtig erklärlichen
Verein mit den „deutschen Brüdern" aus dem Magyaren- und Polakenlande
jetzt zu bereiten befehligt sind.

Glossen, starke Worte. Erstaunen bleiben ausgeschlossen. Wir haben eine
Reihe von Thatsachen vor uns, die ganz von selbst, ohne daß man sie bei ih¬
rem rechten Namen nennt, erröthen.

Infolge der olmützer Punctation fand die „Pacification" Schleswig-
Holsteins statt. Ein preußischer General geht mit einem östreichischen nach Kiel,
um sie einzuleiten. Ein östreichisches Armeecorps folgt ihnen des nöthigen
Nachdrucks wegen, und preußische Pontonniere bauen ihm dazu die Brücke über
die Elbe. Die beiden Kommissäre ziehen in Kiel mit Versprechungen ein, die
unter den obwaltenden Umständen nicht völlig unerträglich klingen. Sie seien
gekommen, so lassen sich die Herren vernehmen, um „einen Zustand herzustellen,
welcher dem Bunde erlaube, das Recht des Herzogthums Holstein und das
altherkömmliche Verhältniß zwischen Holstein und Schleswig zu wahren." Wei¬
ter wird zugesagt: die Cadres der Schleswig-holsteinischen Armee bleiben er¬
halten, die Festungen Rendsburg und Friedrichsort von einheimischen Truppen
besetzt, das Kriegsmaterial Bundescigenthum. Auf diese Verheißungen hin
unterwerfen sich Statthalterschaft und Landesversammlung mit dem in Waffen
stehenden Volke, ungern zwar, aber doch in der Hoffnung, aus dem Schiff-
bruch etwas zu retten.

„Jetzt steht die Schleswig-holsteinische Sache rein wie Gold da", ruft
Fürst Schwarzenberg aus. „Deutschland wird das gute Recht entschieden
schützen."

Die Geschichte der nächsten Jahre antwortet darauf: das gute Recht ist
von Deutschland nicht geschützt worden, weder entschieden, noch überhaupt, nicht
einmal das, was man an seine Stelle zu setzen beliebte.

Alle Versprechungen der beiden Bundescommissäre verwandelten sich wie
im Handumdrehen in ihr Gegentheil. Die Armee der Herzogthümer. bis auf


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0501" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116429"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Von der Pacification bis zur Executive</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1660"> Recapituliren wir einmal in der Kürze, was die beiden deutschen Gro߬<lb/>
mächte, die Negierung des Gesammtstaats Oestreich voran, und was der<lb/>
deutsche Bund seit den Tagen, wo Schleswig-Holstein die eigene Vertheidigung<lb/>
seiner Rechte aufgeben mußte, für die Herzogthümer gethan haben. Vielleicht<lb/>
sehen wir in der Vergangenheit ein Stück der Zukunft, welche uns die Sol¬<lb/>
daten des Herrn v. Bismarck in ungewohntem, aber gegenwärtig erklärlichen<lb/>
Verein mit den &#x201E;deutschen Brüdern" aus dem Magyaren- und Polakenlande<lb/>
jetzt zu bereiten befehligt sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1661"> Glossen, starke Worte. Erstaunen bleiben ausgeschlossen. Wir haben eine<lb/>
Reihe von Thatsachen vor uns, die ganz von selbst, ohne daß man sie bei ih¬<lb/>
rem rechten Namen nennt, erröthen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1662"> Infolge der olmützer Punctation fand die &#x201E;Pacification" Schleswig-<lb/>
Holsteins statt. Ein preußischer General geht mit einem östreichischen nach Kiel,<lb/>
um sie einzuleiten. Ein östreichisches Armeecorps folgt ihnen des nöthigen<lb/>
Nachdrucks wegen, und preußische Pontonniere bauen ihm dazu die Brücke über<lb/>
die Elbe. Die beiden Kommissäre ziehen in Kiel mit Versprechungen ein, die<lb/>
unter den obwaltenden Umständen nicht völlig unerträglich klingen. Sie seien<lb/>
gekommen, so lassen sich die Herren vernehmen, um &#x201E;einen Zustand herzustellen,<lb/>
welcher dem Bunde erlaube, das Recht des Herzogthums Holstein und das<lb/>
altherkömmliche Verhältniß zwischen Holstein und Schleswig zu wahren." Wei¬<lb/>
ter wird zugesagt: die Cadres der Schleswig-holsteinischen Armee bleiben er¬<lb/>
halten, die Festungen Rendsburg und Friedrichsort von einheimischen Truppen<lb/>
besetzt, das Kriegsmaterial Bundescigenthum. Auf diese Verheißungen hin<lb/>
unterwerfen sich Statthalterschaft und Landesversammlung mit dem in Waffen<lb/>
stehenden Volke, ungern zwar, aber doch in der Hoffnung, aus dem Schiff-<lb/>
bruch etwas zu retten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1663"> &#x201E;Jetzt steht die Schleswig-holsteinische Sache rein wie Gold da", ruft<lb/>
Fürst Schwarzenberg aus. &#x201E;Deutschland wird das gute Recht entschieden<lb/>
schützen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1664"> Die Geschichte der nächsten Jahre antwortet darauf: das gute Recht ist<lb/>
von Deutschland nicht geschützt worden, weder entschieden, noch überhaupt, nicht<lb/>
einmal das, was man an seine Stelle zu setzen beliebte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1665" next="#ID_1666"> Alle Versprechungen der beiden Bundescommissäre verwandelten sich wie<lb/>
im Handumdrehen in ihr Gegentheil. Die Armee der Herzogthümer. bis auf</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0501] Von der Pacification bis zur Executive Recapituliren wir einmal in der Kürze, was die beiden deutschen Gro߬ mächte, die Negierung des Gesammtstaats Oestreich voran, und was der deutsche Bund seit den Tagen, wo Schleswig-Holstein die eigene Vertheidigung seiner Rechte aufgeben mußte, für die Herzogthümer gethan haben. Vielleicht sehen wir in der Vergangenheit ein Stück der Zukunft, welche uns die Sol¬ daten des Herrn v. Bismarck in ungewohntem, aber gegenwärtig erklärlichen Verein mit den „deutschen Brüdern" aus dem Magyaren- und Polakenlande jetzt zu bereiten befehligt sind. Glossen, starke Worte. Erstaunen bleiben ausgeschlossen. Wir haben eine Reihe von Thatsachen vor uns, die ganz von selbst, ohne daß man sie bei ih¬ rem rechten Namen nennt, erröthen. Infolge der olmützer Punctation fand die „Pacification" Schleswig- Holsteins statt. Ein preußischer General geht mit einem östreichischen nach Kiel, um sie einzuleiten. Ein östreichisches Armeecorps folgt ihnen des nöthigen Nachdrucks wegen, und preußische Pontonniere bauen ihm dazu die Brücke über die Elbe. Die beiden Kommissäre ziehen in Kiel mit Versprechungen ein, die unter den obwaltenden Umständen nicht völlig unerträglich klingen. Sie seien gekommen, so lassen sich die Herren vernehmen, um „einen Zustand herzustellen, welcher dem Bunde erlaube, das Recht des Herzogthums Holstein und das altherkömmliche Verhältniß zwischen Holstein und Schleswig zu wahren." Wei¬ ter wird zugesagt: die Cadres der Schleswig-holsteinischen Armee bleiben er¬ halten, die Festungen Rendsburg und Friedrichsort von einheimischen Truppen besetzt, das Kriegsmaterial Bundescigenthum. Auf diese Verheißungen hin unterwerfen sich Statthalterschaft und Landesversammlung mit dem in Waffen stehenden Volke, ungern zwar, aber doch in der Hoffnung, aus dem Schiff- bruch etwas zu retten. „Jetzt steht die Schleswig-holsteinische Sache rein wie Gold da", ruft Fürst Schwarzenberg aus. „Deutschland wird das gute Recht entschieden schützen." Die Geschichte der nächsten Jahre antwortet darauf: das gute Recht ist von Deutschland nicht geschützt worden, weder entschieden, noch überhaupt, nicht einmal das, was man an seine Stelle zu setzen beliebte. Alle Versprechungen der beiden Bundescommissäre verwandelten sich wie im Handumdrehen in ihr Gegentheil. Die Armee der Herzogthümer. bis auf

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/501
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/501>, abgerufen am 15.01.2025.