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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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noch keiner Ausstellung so viel Gunst und Interesse zugewandt, keine Produc-
tenschau der deutschen Agricultm Hot die Aufmerksamkeit des Auslandes in dem
Grade auf sich gelenkt, wie die zu Hamburg. In allen deutschen Staaten ward
zu ihrer Förderung Manches gethan, auch von Negierungswegen. Man ge¬
stattete zollfreie Wiedereinfuhr in den Zollverein für alle ausgestellten und un¬
verkauften Gegenstände; man erleichterte durch ermäßigten Frachtsatz den Trans¬
port und ordnete die Desinficirung der Viehtransportwagen auf den Eisenbahnen
an, damit keine Seuche zur Ausstellung komme.

Die königliche Ackerbaugesellschaft in England versprach dem Hamburger
Comite bereitwillige Unterstützung, und selbst aus Amerika wurde in der Per¬
son von Jos. A. Wright, Exgouverneur des Staates Jndiana, ein Commissär
gesandt.

Eine Menge von Gästen strömte nach Hamburg, wie sie gewiß niemals
rüber sich eingefunden. Die Gasthäuser faßten die Fremden nur zum Theil;
die Mehrzahl mußte bei Privatleuten ein Unterkommen suchen.

Die Seele des Ganzen und der Mann, dem die Bedeutung dieser Aus¬
stellung überhaupt zu verdanken ist, war Ernst Freiherr von Merk; der Gründer
des zoologischen Gartens, der Anreger so vieler gemeinnütziger Einrichtungen
und Unternehmungen war auch der Schöpfer und Förderer der internatio¬
nalen Ausstellung. Man muß bedenken, was es heißt, innerhalb einer Han¬
delsstadt Interesse nicht nur, sondern Werkthätigkeit für ein solches dem Gro߬
handel nicht eben nah stehendes Gewerbe wach zu rufen. Der Großhandel steht
der Production immer fern, auch der Industrie. Waaren sinds lediglich, die
ihn beschäftigen und auch sie nur, soweit sie feste Werthe repräsentiren. Nicht
ihr Gewordensein, nicht ihr Werden, sondern nur ihr Sein kümmert ihn. Die
Consumtion interessirt den Kaufmann mehr, und durch sie knüpft sein Beruf
sich an die Gewerbe, und Industrie und den Landbau. Dennoch hatte v. Merks
Popularität in der Handelsstadt ein (wenn auch nur kurz dauerndes) Interesse
hervorgerufen. Er starb, ehe sein Werk vollendet war, wenige Tage vor Er¬
öffnung der Ausstellung. Ehre seinem Andenken!

Alle Zeitungen hatten gemeldet, daß die internationale landwirthschaft'
liebe Ausstellung Dienstag den 14. Juli beginnen und Montag den 20. Juli
schließen werde. Der Eintrittspreis war am Eröffnungstag 4 Thlr., an den
vier folgenden je 1 Thlr, dann 8 Schillinge und 1 Mark. Persönliche Karten
für die Dauer der Ausstellung kosteten 6 Thlr.

Der architektonische Plan der Ausstellungsgebäude ist dem Herrn Martin
Haller zu danken gewesen, welcher, die Arrangements des Battersea-Park, bei
Gelegenheit der Weltausstellung 1862 nachahmend und das damals Getadelte
zweckmäßig verbessernd, eine Gallerie verschiedenartiger entsprechender Baulich¬
keiten hinstellte, die nicht nur die Erwartung der Landwirthe überbot, sondern


noch keiner Ausstellung so viel Gunst und Interesse zugewandt, keine Produc-
tenschau der deutschen Agricultm Hot die Aufmerksamkeit des Auslandes in dem
Grade auf sich gelenkt, wie die zu Hamburg. In allen deutschen Staaten ward
zu ihrer Förderung Manches gethan, auch von Negierungswegen. Man ge¬
stattete zollfreie Wiedereinfuhr in den Zollverein für alle ausgestellten und un¬
verkauften Gegenstände; man erleichterte durch ermäßigten Frachtsatz den Trans¬
port und ordnete die Desinficirung der Viehtransportwagen auf den Eisenbahnen
an, damit keine Seuche zur Ausstellung komme.

Die königliche Ackerbaugesellschaft in England versprach dem Hamburger
Comite bereitwillige Unterstützung, und selbst aus Amerika wurde in der Per¬
son von Jos. A. Wright, Exgouverneur des Staates Jndiana, ein Commissär
gesandt.

Eine Menge von Gästen strömte nach Hamburg, wie sie gewiß niemals
rüber sich eingefunden. Die Gasthäuser faßten die Fremden nur zum Theil;
die Mehrzahl mußte bei Privatleuten ein Unterkommen suchen.

Die Seele des Ganzen und der Mann, dem die Bedeutung dieser Aus¬
stellung überhaupt zu verdanken ist, war Ernst Freiherr von Merk; der Gründer
des zoologischen Gartens, der Anreger so vieler gemeinnütziger Einrichtungen
und Unternehmungen war auch der Schöpfer und Förderer der internatio¬
nalen Ausstellung. Man muß bedenken, was es heißt, innerhalb einer Han¬
delsstadt Interesse nicht nur, sondern Werkthätigkeit für ein solches dem Gro߬
handel nicht eben nah stehendes Gewerbe wach zu rufen. Der Großhandel steht
der Production immer fern, auch der Industrie. Waaren sinds lediglich, die
ihn beschäftigen und auch sie nur, soweit sie feste Werthe repräsentiren. Nicht
ihr Gewordensein, nicht ihr Werden, sondern nur ihr Sein kümmert ihn. Die
Consumtion interessirt den Kaufmann mehr, und durch sie knüpft sein Beruf
sich an die Gewerbe, und Industrie und den Landbau. Dennoch hatte v. Merks
Popularität in der Handelsstadt ein (wenn auch nur kurz dauerndes) Interesse
hervorgerufen. Er starb, ehe sein Werk vollendet war, wenige Tage vor Er¬
öffnung der Ausstellung. Ehre seinem Andenken!

Alle Zeitungen hatten gemeldet, daß die internationale landwirthschaft'
liebe Ausstellung Dienstag den 14. Juli beginnen und Montag den 20. Juli
schließen werde. Der Eintrittspreis war am Eröffnungstag 4 Thlr., an den
vier folgenden je 1 Thlr, dann 8 Schillinge und 1 Mark. Persönliche Karten
für die Dauer der Ausstellung kosteten 6 Thlr.

Der architektonische Plan der Ausstellungsgebäude ist dem Herrn Martin
Haller zu danken gewesen, welcher, die Arrangements des Battersea-Park, bei
Gelegenheit der Weltausstellung 1862 nachahmend und das damals Getadelte
zweckmäßig verbessernd, eine Gallerie verschiedenartiger entsprechender Baulich¬
keiten hinstellte, die nicht nur die Erwartung der Landwirthe überbot, sondern


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/464>, abgerufen am 15.01.2025.