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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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Pfarrer, die sich ihren Anordnungen nicht fügen, unter Belastung ihres geist¬
lichen Amtes des Jnspectorates über die Schulen zu entbinden.

In der jüngstvergangenen Zeit hatten die Polen zwei Todesfälle zu be¬
klagen. Der Senior der Familie von Taczanowski, welcher gleichzeitig der könig¬
liche Kammerherr Graf v. Taczanowski, ein guter Preuße, und der in mehr als
einer Hinsicht übel berufene Jnsurgentenführer Eduard v. Taczanowski angehören,
ist auf seinem Gute Taczanewo sanft entschlafen. Alfons v. Bialkowski auf
Pierzchnow bei Schroda ist daselbst von einem französischen Corpora! Namens
Bloilet gelegentlich einer an sich harmlosen Fechtübung mit krummen Säbeln
tödtlich verwundet worden und bald darauf gestorben. Bialkowski war so recht
der Typus eines polnischen Edelmannes, nicht ohne höhere Bildung, aber durch
und durch Voltairianer, des Papstes und aller Pfaffen Feind, sonderlich der
agitirenden, in Bezug aus seinen Patriotismus durch die 1846 ausgestandene
Haft bewährt, hatte er für die diesjährige Erhebung kaum Sympathie, ge¬
schweige denn thätige Theilnahme; aber sein gastfreies Haus stand deren För¬
derern stets offen. Der Demokratismus des Hausherrn hätte wohl auch den
Corporal nicht abgewiesen; in der Regel erfahren wir aber erst durch die Steck¬
briefe, welchen hohen gesellschaftlichen Kreisen die französischen Befreier der
armen Polen angehören. Indessen schlug der wackre Sergeant doch eine gute
Klinge, und da er gleich nach seiner Heldenthat davonging, so hat er es sich
gefallen lassen müssen, daß die ihm nacheilenden Steckbriefe ihn vor dem
Publicum als gemeinen Mörder erscheinen ließen, bis sich der Dziennik Poz¬
nanski seiner erbarmte und Berichtigungen aussandte.

Uebrigens ruhen die Werke des Friedens in unserer Provinz nicht. Unsere
Stadtcommunen arbeiten mit Eifer an der Gründung, Erweiterung und Hebung
höherer Lehranstalten. Die eben jetzt in Gnesen eröffnete tritt mit dem Ent¬
schluß ins Leben, ein Simultangymnasium zu werden und die Erbschaft von
Trzemeszno zu übernehmen. Sie ist bereits mit Lehrern besetzt und unter
großer Feierlichkeit Anfang October eröffnet worden. Das erste Simul¬
tangymnasium unserer Provinz ist die Anstalt nicht. Wir hatten vor der Er¬
richtung des Friedrich-Wilhelms-Gymnasiums in Posen dort eine Simultan¬
anstalt, wie überhaupt zu jenen Zeiten die Simultanschule bei uns blühte. Die
seit 1848 eingetretene Reaction hat die Confessionsschulen auch bei uns über¬
all eingeführt, zum Theil unter dem Widerstreben der Gemeinden die früheren
Einrichtungen verdrängt. Die Regierung hat damit aber keine angenehmen
Erfahrungen gemacht; doch haben die allerletzten, insbesondere die Selbstauf¬
lösung von Trzemeszno dazu gehört, ihr die Ueberzeugung zu gewähren, daß
der alte Weg den Versuch wenigstens einer Wiederaufnahme lohne.

Unsere Landstände beschäftigen sich mit der Gründung einer Provinzial-
blindenanstalt. Die Stadt Schneidemühl hatte Schritte dafür gethan, daß sel-


Pfarrer, die sich ihren Anordnungen nicht fügen, unter Belastung ihres geist¬
lichen Amtes des Jnspectorates über die Schulen zu entbinden.

In der jüngstvergangenen Zeit hatten die Polen zwei Todesfälle zu be¬
klagen. Der Senior der Familie von Taczanowski, welcher gleichzeitig der könig¬
liche Kammerherr Graf v. Taczanowski, ein guter Preuße, und der in mehr als
einer Hinsicht übel berufene Jnsurgentenführer Eduard v. Taczanowski angehören,
ist auf seinem Gute Taczanewo sanft entschlafen. Alfons v. Bialkowski auf
Pierzchnow bei Schroda ist daselbst von einem französischen Corpora! Namens
Bloilet gelegentlich einer an sich harmlosen Fechtübung mit krummen Säbeln
tödtlich verwundet worden und bald darauf gestorben. Bialkowski war so recht
der Typus eines polnischen Edelmannes, nicht ohne höhere Bildung, aber durch
und durch Voltairianer, des Papstes und aller Pfaffen Feind, sonderlich der
agitirenden, in Bezug aus seinen Patriotismus durch die 1846 ausgestandene
Haft bewährt, hatte er für die diesjährige Erhebung kaum Sympathie, ge¬
schweige denn thätige Theilnahme; aber sein gastfreies Haus stand deren För¬
derern stets offen. Der Demokratismus des Hausherrn hätte wohl auch den
Corporal nicht abgewiesen; in der Regel erfahren wir aber erst durch die Steck¬
briefe, welchen hohen gesellschaftlichen Kreisen die französischen Befreier der
armen Polen angehören. Indessen schlug der wackre Sergeant doch eine gute
Klinge, und da er gleich nach seiner Heldenthat davonging, so hat er es sich
gefallen lassen müssen, daß die ihm nacheilenden Steckbriefe ihn vor dem
Publicum als gemeinen Mörder erscheinen ließen, bis sich der Dziennik Poz¬
nanski seiner erbarmte und Berichtigungen aussandte.

Uebrigens ruhen die Werke des Friedens in unserer Provinz nicht. Unsere
Stadtcommunen arbeiten mit Eifer an der Gründung, Erweiterung und Hebung
höherer Lehranstalten. Die eben jetzt in Gnesen eröffnete tritt mit dem Ent¬
schluß ins Leben, ein Simultangymnasium zu werden und die Erbschaft von
Trzemeszno zu übernehmen. Sie ist bereits mit Lehrern besetzt und unter
großer Feierlichkeit Anfang October eröffnet worden. Das erste Simul¬
tangymnasium unserer Provinz ist die Anstalt nicht. Wir hatten vor der Er¬
richtung des Friedrich-Wilhelms-Gymnasiums in Posen dort eine Simultan¬
anstalt, wie überhaupt zu jenen Zeiten die Simultanschule bei uns blühte. Die
seit 1848 eingetretene Reaction hat die Confessionsschulen auch bei uns über¬
all eingeführt, zum Theil unter dem Widerstreben der Gemeinden die früheren
Einrichtungen verdrängt. Die Regierung hat damit aber keine angenehmen
Erfahrungen gemacht; doch haben die allerletzten, insbesondere die Selbstauf¬
lösung von Trzemeszno dazu gehört, ihr die Ueberzeugung zu gewähren, daß
der alte Weg den Versuch wenigstens einer Wiederaufnahme lohne.

Unsere Landstände beschäftigen sich mit der Gründung einer Provinzial-
blindenanstalt. Die Stadt Schneidemühl hatte Schritte dafür gethan, daß sel-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/462>, abgerufen am 15.01.2025.