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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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Kämpfen den Landsleuten werth gemacht hat, als ein wackerer, kernfester
Stamm. Von den deutschen Regierungen haben die meisten kleineren und
einige Mittelstaatcn festen Willen oder vorsichtige Meinung gezeigt, ihre Pflicht
gegen deutsche Stämme zu thun, einige fremde Großmächte haben ihre Ab¬
neigung vorsichtig zu erkennen gegeben --> Oestreich hat in der Hauptsache die¬
selbe Position genommen, die es im Jahre 1848 zu derselben Frage hatte.
Nur was jetzt in Preußen geschieht, ist so jammervoll und übertrifft so sehr
Alles, was man selbst von der gegenwärtigen Regierung für möglich hielt,
daß von dieser Seite etwas Unerhörtes und ganz Irrationelles in die deutsche
Rechnung hereingetragen worden ist.

Wenn man die Haltung der fremden Großmächte mustert, fo ist sie nicht
ungünstiger, als man voraussetzen durfte. Nußland, froh, daß die allgemeine
Aufmerksamkeit von dem polnischen Kampfe abgelenkt wird, durch Succcssions-
und politische Interessen der dänischen Ausfassung zugethan, hat bis jetzt eine
vorsichtige und abwartende Zurückhaltung nicht aufgegeben. Es hat bei der
Thronbesteigung des neuen Königs von Dänemark gegen die verhängnißvolle
Publication des Jncorporationsgesetzes durch das Ministerium Hall, wie ver¬
lautet, gewarnt, und besonnene Männer der dänischen Partei selbst bedauern,
daß diese Warnung zu spät kam, um die Maßregel vielleicht in der letzten
Stunde zu verhindern. Diese Mißbilligung durch Rußland ist selbstverständlich
nur aus der Ueberzeugung hervorgegangen^, daß dieser flagrante Vertragsbruch
durch die Dänen den deutschen Forderungen eine neue Basis gebe, welche für
Dänemark gegenüber den Großmächten ungünstig sei. Und man darf anneh¬
men, daß es gerade jetzt emsig thätig ist, Dänemark zur Nachgiebigkeit gegen
die alten Forderungen des Bundes zu bewegen, um die Execution zu verhin¬
dern. England, wo. wie man erzählt, die Ansichten des königlichen Hauses
und der Negierung in dieser Frage nicht übereinstimmen, hat ebenfalls in
Kopenhagen vor der Incorporation gewarnt und wendet jetzt seine alte politische
Praxis an, zu scheuchen, um die aufsteigende Bewegung durch Pression auf"
beide Theile herabzudrücken, um einen neuen europäischen Conflict zu ver¬
hindern. Die Auffassung dort im Lande ist den Deutschen nicht günstig. Wir
wissen aber, daß die Achtung, welche England vor jedem kräftigen Ausdruck
des Voltswillens hat, und die Rücksicht auf den eigenen Vortheil das englische
Ministerium verhindern werden, etwas Anderes zu thun, als gegen unser gu¬
tes Recht zu demonstriren.

Besonders reservirt ist die Haltung, welche Kaiser Napoleon bis jetzt be¬
obachtet hat. Und sie scheint keineswegs der SaÄH der Herzogthümer ab-


Kämpfen den Landsleuten werth gemacht hat, als ein wackerer, kernfester
Stamm. Von den deutschen Regierungen haben die meisten kleineren und
einige Mittelstaatcn festen Willen oder vorsichtige Meinung gezeigt, ihre Pflicht
gegen deutsche Stämme zu thun, einige fremde Großmächte haben ihre Ab¬
neigung vorsichtig zu erkennen gegeben —> Oestreich hat in der Hauptsache die¬
selbe Position genommen, die es im Jahre 1848 zu derselben Frage hatte.
Nur was jetzt in Preußen geschieht, ist so jammervoll und übertrifft so sehr
Alles, was man selbst von der gegenwärtigen Regierung für möglich hielt,
daß von dieser Seite etwas Unerhörtes und ganz Irrationelles in die deutsche
Rechnung hereingetragen worden ist.

Wenn man die Haltung der fremden Großmächte mustert, fo ist sie nicht
ungünstiger, als man voraussetzen durfte. Nußland, froh, daß die allgemeine
Aufmerksamkeit von dem polnischen Kampfe abgelenkt wird, durch Succcssions-
und politische Interessen der dänischen Ausfassung zugethan, hat bis jetzt eine
vorsichtige und abwartende Zurückhaltung nicht aufgegeben. Es hat bei der
Thronbesteigung des neuen Königs von Dänemark gegen die verhängnißvolle
Publication des Jncorporationsgesetzes durch das Ministerium Hall, wie ver¬
lautet, gewarnt, und besonnene Männer der dänischen Partei selbst bedauern,
daß diese Warnung zu spät kam, um die Maßregel vielleicht in der letzten
Stunde zu verhindern. Diese Mißbilligung durch Rußland ist selbstverständlich
nur aus der Ueberzeugung hervorgegangen^, daß dieser flagrante Vertragsbruch
durch die Dänen den deutschen Forderungen eine neue Basis gebe, welche für
Dänemark gegenüber den Großmächten ungünstig sei. Und man darf anneh¬
men, daß es gerade jetzt emsig thätig ist, Dänemark zur Nachgiebigkeit gegen
die alten Forderungen des Bundes zu bewegen, um die Execution zu verhin¬
dern. England, wo. wie man erzählt, die Ansichten des königlichen Hauses
und der Negierung in dieser Frage nicht übereinstimmen, hat ebenfalls in
Kopenhagen vor der Incorporation gewarnt und wendet jetzt seine alte politische
Praxis an, zu scheuchen, um die aufsteigende Bewegung durch Pression auf"
beide Theile herabzudrücken, um einen neuen europäischen Conflict zu ver¬
hindern. Die Auffassung dort im Lande ist den Deutschen nicht günstig. Wir
wissen aber, daß die Achtung, welche England vor jedem kräftigen Ausdruck
des Voltswillens hat, und die Rücksicht auf den eigenen Vortheil das englische
Ministerium verhindern werden, etwas Anderes zu thun, als gegen unser gu¬
tes Recht zu demonstriren.

Besonders reservirt ist die Haltung, welche Kaiser Napoleon bis jetzt be¬
obachtet hat. Und sie scheint keineswegs der SaÄH der Herzogthümer ab-


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[0450] Kämpfen den Landsleuten werth gemacht hat, als ein wackerer, kernfester Stamm. Von den deutschen Regierungen haben die meisten kleineren und einige Mittelstaatcn festen Willen oder vorsichtige Meinung gezeigt, ihre Pflicht gegen deutsche Stämme zu thun, einige fremde Großmächte haben ihre Ab¬ neigung vorsichtig zu erkennen gegeben —> Oestreich hat in der Hauptsache die¬ selbe Position genommen, die es im Jahre 1848 zu derselben Frage hatte. Nur was jetzt in Preußen geschieht, ist so jammervoll und übertrifft so sehr Alles, was man selbst von der gegenwärtigen Regierung für möglich hielt, daß von dieser Seite etwas Unerhörtes und ganz Irrationelles in die deutsche Rechnung hereingetragen worden ist. Wenn man die Haltung der fremden Großmächte mustert, fo ist sie nicht ungünstiger, als man voraussetzen durfte. Nußland, froh, daß die allgemeine Aufmerksamkeit von dem polnischen Kampfe abgelenkt wird, durch Succcssions- und politische Interessen der dänischen Ausfassung zugethan, hat bis jetzt eine vorsichtige und abwartende Zurückhaltung nicht aufgegeben. Es hat bei der Thronbesteigung des neuen Königs von Dänemark gegen die verhängnißvolle Publication des Jncorporationsgesetzes durch das Ministerium Hall, wie ver¬ lautet, gewarnt, und besonnene Männer der dänischen Partei selbst bedauern, daß diese Warnung zu spät kam, um die Maßregel vielleicht in der letzten Stunde zu verhindern. Diese Mißbilligung durch Rußland ist selbstverständlich nur aus der Ueberzeugung hervorgegangen^, daß dieser flagrante Vertragsbruch durch die Dänen den deutschen Forderungen eine neue Basis gebe, welche für Dänemark gegenüber den Großmächten ungünstig sei. Und man darf anneh¬ men, daß es gerade jetzt emsig thätig ist, Dänemark zur Nachgiebigkeit gegen die alten Forderungen des Bundes zu bewegen, um die Execution zu verhin¬ dern. England, wo. wie man erzählt, die Ansichten des königlichen Hauses und der Negierung in dieser Frage nicht übereinstimmen, hat ebenfalls in Kopenhagen vor der Incorporation gewarnt und wendet jetzt seine alte politische Praxis an, zu scheuchen, um die aufsteigende Bewegung durch Pression auf" beide Theile herabzudrücken, um einen neuen europäischen Conflict zu ver¬ hindern. Die Auffassung dort im Lande ist den Deutschen nicht günstig. Wir wissen aber, daß die Achtung, welche England vor jedem kräftigen Ausdruck des Voltswillens hat, und die Rücksicht auf den eigenen Vortheil das englische Ministerium verhindern werden, etwas Anderes zu thun, als gegen unser gu¬ tes Recht zu demonstriren. Besonders reservirt ist die Haltung, welche Kaiser Napoleon bis jetzt be¬ obachtet hat. Und sie scheint keineswegs der SaÄH der Herzogthümer ab-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/450>, abgerufen am 15.01.2025.