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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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Sache der Herzogthümer schützten, wenn Baden, Oldenburg, Weimar und Co-
burg gegen diese Bundesexecution gestimmt und statt dessen gerathen haben, zu¬
nächst die von Dänemark ausgesprochene Zerreißung der Vereinbarungen von
1832 freudig zu acceptiren und auf die alten im berliner Frieden von 1830
gewahrten Rechte der Herzogtümer zurückzugehen.

Die deutsche Nation darf daher wohl mit Sorge jene Exccutionstruppcn
nach Norden ziehen sehen. Sie darf sich nicht durch die Wünsche der Herzog-
thümer, welche diese Truppen herbeirufen, in ihren Zweifeln irre machen las¬
sen. Die Schleswig-Hvlstcincr erwarten, daß aus der Besetzung Holsteins durch
Bundestruppen alsbald ein Krieg entstehe, daß dieselben bald die Eider zur
Befreiung des geknechteten Schleswig überschreiten werden.

Wir unsrerseits fürchten, daß man an der Eider stehen bleiben, daß
durch die Besetzung Holsteins leicht eine noch schärfere Trennung Holsteins und
Schleswigs herbeigeführt werden und daß aus dieser Execution sich unter dem
Zureden der auswärtigen Mächte eine zweite jämmerliche Abmachung der Frage
^egen die Interessen der Herzogthümer und Deutschlands entwickeln werde.

Die Schleswig-holsteinische Sache wird, so vertrauen wir, von einem na¬
tional erstarkten Deutschland, und sollte es gegen den Willen Europas sein, leicht
und vollständig durchgeführt werden. Wir haben aber durchaus kein Verlangen
darnach, jetzt die Activität des deutschen Bundes, die Aufopferungsfähigkeit
der Mehrzahl der deutschen Regierungen für nationale Zwecke, .das Geschick
und den guten Willen des Herrn v. Bismarck, die Hingebung Oestreichs für
andere als specifisch östreichische Zwecke auf die Probe gestellt zu sehen. Die
Ehre der deutschen Nation und die Sache der unterdrückten Herzogthümer sind
uns für ein solches Experiment zu lieb, und wir leben der Zuversicht, daß die
Zeit nicht fern sein werde, wo diese große und edle Nation aus dem Jammer
der Gegenwart in eine bessere Zukunft treten und dann auch mit ihren äuße¬
ren Feinden ein rasches Ende^ machen wird.

Indessen nach dem letzten Bundesbeschlusse kann die Bundesexecution in
Holstein nicht mehr vermieden werden. Die nationale Partei hat sie nicht ge¬
fordert, sie wird für die Folgen derselben nicht verantwortlich gemacht werden
können. Es wird jetzt an den deutschen Regierungen sein, zu zeigen, daß sie
Recht halten die Execution ins Werk zu setzen, daß jene Befürchtungen, de¬
nen wir Worte geliehen haben, unbegründet waren. Vor einem Jahrzehnt
wurde die Schleswig-holsteinische Sache von Oestreich und seinen Verbündeten
ausgebeutet, um Preußen, welches dieselbe in die Hand genommen hatte,
dadurch, daß man sich ge-gar die Herzogthümer wandte, zu schaden, und in
Preußen selbst trieb eine landesverrätherische Reaction gegen die liberale Regie¬
rung das gleiche Spiel. Aehnliches wird sich in umgekehrter Richtung jetzt
nicht wiederholen. Im Gegentheil jeder wirkliche Erfolg, den die Bundes-


g.

Sache der Herzogthümer schützten, wenn Baden, Oldenburg, Weimar und Co-
burg gegen diese Bundesexecution gestimmt und statt dessen gerathen haben, zu¬
nächst die von Dänemark ausgesprochene Zerreißung der Vereinbarungen von
1832 freudig zu acceptiren und auf die alten im berliner Frieden von 1830
gewahrten Rechte der Herzogtümer zurückzugehen.

Die deutsche Nation darf daher wohl mit Sorge jene Exccutionstruppcn
nach Norden ziehen sehen. Sie darf sich nicht durch die Wünsche der Herzog-
thümer, welche diese Truppen herbeirufen, in ihren Zweifeln irre machen las¬
sen. Die Schleswig-Hvlstcincr erwarten, daß aus der Besetzung Holsteins durch
Bundestruppen alsbald ein Krieg entstehe, daß dieselben bald die Eider zur
Befreiung des geknechteten Schleswig überschreiten werden.

Wir unsrerseits fürchten, daß man an der Eider stehen bleiben, daß
durch die Besetzung Holsteins leicht eine noch schärfere Trennung Holsteins und
Schleswigs herbeigeführt werden und daß aus dieser Execution sich unter dem
Zureden der auswärtigen Mächte eine zweite jämmerliche Abmachung der Frage
^egen die Interessen der Herzogthümer und Deutschlands entwickeln werde.

Die Schleswig-holsteinische Sache wird, so vertrauen wir, von einem na¬
tional erstarkten Deutschland, und sollte es gegen den Willen Europas sein, leicht
und vollständig durchgeführt werden. Wir haben aber durchaus kein Verlangen
darnach, jetzt die Activität des deutschen Bundes, die Aufopferungsfähigkeit
der Mehrzahl der deutschen Regierungen für nationale Zwecke, .das Geschick
und den guten Willen des Herrn v. Bismarck, die Hingebung Oestreichs für
andere als specifisch östreichische Zwecke auf die Probe gestellt zu sehen. Die
Ehre der deutschen Nation und die Sache der unterdrückten Herzogthümer sind
uns für ein solches Experiment zu lieb, und wir leben der Zuversicht, daß die
Zeit nicht fern sein werde, wo diese große und edle Nation aus dem Jammer
der Gegenwart in eine bessere Zukunft treten und dann auch mit ihren äuße¬
ren Feinden ein rasches Ende^ machen wird.

Indessen nach dem letzten Bundesbeschlusse kann die Bundesexecution in
Holstein nicht mehr vermieden werden. Die nationale Partei hat sie nicht ge¬
fordert, sie wird für die Folgen derselben nicht verantwortlich gemacht werden
können. Es wird jetzt an den deutschen Regierungen sein, zu zeigen, daß sie
Recht halten die Execution ins Werk zu setzen, daß jene Befürchtungen, de¬
nen wir Worte geliehen haben, unbegründet waren. Vor einem Jahrzehnt
wurde die Schleswig-holsteinische Sache von Oestreich und seinen Verbündeten
ausgebeutet, um Preußen, welches dieselbe in die Hand genommen hatte,
dadurch, daß man sich ge-gar die Herzogthümer wandte, zu schaden, und in
Preußen selbst trieb eine landesverrätherische Reaction gegen die liberale Regie¬
rung das gleiche Spiel. Aehnliches wird sich in umgekehrter Richtung jetzt
nicht wiederholen. Im Gegentheil jeder wirkliche Erfolg, den die Bundes-


g.
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[0043] Sache der Herzogthümer schützten, wenn Baden, Oldenburg, Weimar und Co- burg gegen diese Bundesexecution gestimmt und statt dessen gerathen haben, zu¬ nächst die von Dänemark ausgesprochene Zerreißung der Vereinbarungen von 1832 freudig zu acceptiren und auf die alten im berliner Frieden von 1830 gewahrten Rechte der Herzogtümer zurückzugehen. Die deutsche Nation darf daher wohl mit Sorge jene Exccutionstruppcn nach Norden ziehen sehen. Sie darf sich nicht durch die Wünsche der Herzog- thümer, welche diese Truppen herbeirufen, in ihren Zweifeln irre machen las¬ sen. Die Schleswig-Hvlstcincr erwarten, daß aus der Besetzung Holsteins durch Bundestruppen alsbald ein Krieg entstehe, daß dieselben bald die Eider zur Befreiung des geknechteten Schleswig überschreiten werden. Wir unsrerseits fürchten, daß man an der Eider stehen bleiben, daß durch die Besetzung Holsteins leicht eine noch schärfere Trennung Holsteins und Schleswigs herbeigeführt werden und daß aus dieser Execution sich unter dem Zureden der auswärtigen Mächte eine zweite jämmerliche Abmachung der Frage ^egen die Interessen der Herzogthümer und Deutschlands entwickeln werde. Die Schleswig-holsteinische Sache wird, so vertrauen wir, von einem na¬ tional erstarkten Deutschland, und sollte es gegen den Willen Europas sein, leicht und vollständig durchgeführt werden. Wir haben aber durchaus kein Verlangen darnach, jetzt die Activität des deutschen Bundes, die Aufopferungsfähigkeit der Mehrzahl der deutschen Regierungen für nationale Zwecke, .das Geschick und den guten Willen des Herrn v. Bismarck, die Hingebung Oestreichs für andere als specifisch östreichische Zwecke auf die Probe gestellt zu sehen. Die Ehre der deutschen Nation und die Sache der unterdrückten Herzogthümer sind uns für ein solches Experiment zu lieb, und wir leben der Zuversicht, daß die Zeit nicht fern sein werde, wo diese große und edle Nation aus dem Jammer der Gegenwart in eine bessere Zukunft treten und dann auch mit ihren äuße¬ ren Feinden ein rasches Ende^ machen wird. Indessen nach dem letzten Bundesbeschlusse kann die Bundesexecution in Holstein nicht mehr vermieden werden. Die nationale Partei hat sie nicht ge¬ fordert, sie wird für die Folgen derselben nicht verantwortlich gemacht werden können. Es wird jetzt an den deutschen Regierungen sein, zu zeigen, daß sie Recht halten die Execution ins Werk zu setzen, daß jene Befürchtungen, de¬ nen wir Worte geliehen haben, unbegründet waren. Vor einem Jahrzehnt wurde die Schleswig-holsteinische Sache von Oestreich und seinen Verbündeten ausgebeutet, um Preußen, welches dieselbe in die Hand genommen hatte, dadurch, daß man sich ge-gar die Herzogthümer wandte, zu schaden, und in Preußen selbst trieb eine landesverrätherische Reaction gegen die liberale Regie¬ rung das gleiche Spiel. Aehnliches wird sich in umgekehrter Richtung jetzt nicht wiederholen. Im Gegentheil jeder wirkliche Erfolg, den die Bundes- g.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/43>, abgerufen am 15.01.2025.