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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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"Herzoge von Saclsen, Engern und Westphalen" führte. Der Kurfürst von
Sachsen lies; sofort von dem Lande i" symbolischer Weise Besitz ergreifen.
Dasselbe that aber nach wenig Tagen der Herzog von Mecklenburg und sehr
bald der Fürst von Anhalt. Gleichzeitig ließ der Herzog von Braunschwcig-
Lüneburg, gleichfalls als Erbprätendent auftretend, das Land mit Truppen be¬
setze". Es entwickelte sich nun der in der pudlicistischen Literatur des deutschen
Reiches vielbesprochene lauenburgische Successionsstreit. Dieser berühmte Pro¬
ceß hat in seinem schleppenden Gange mehre Jahrzehnte gedauert.

Endlich erlangte Kursachsen, dem die herzoglich sächsischen Häuser ernesti-
nischer Linie zuerst in diesem Processe adhärirtcn, unterm 31. December 1693
ein obsiegliches Erkenntniß des Reichshvfraths, wodurch Braunschweig-Lüneburg
zur Herausgabe des Herzogtums Lauenburg verurtheilt ward. Allein Kur¬
sachsen eröffnete bald, während das Sachsen-ernestinische Haus für sich den Pro¬
ceß fortsetzte, mit Braunschweig-Lüneburg Unterhandlungen über einen Vergleich,
und dieser kam am 19. Juni 1697 wirtlich zu Stande. Kursachsen trat durch
den Vergleich seine Rechte auf Lauenburg für 1,100,000 Gulden rheinisch ad,
behielt sich aber den Rückfall für den Fall des Aussterbens des braunschweig-
lüneburgischen Mannesstammcs ausdrücklich vor.

Der Kurfürst Georg Ludwig zu Hannover erreichte auch bei Kaiser Karl
dem Sechsten im Jahre 1716 die Belehnung mit dem Herzogthum Lauenburg
und Einräumung von Sitz und Stimme dafür im Reichsfürstenrathc, jedoch
unter der Clausul: ""alvo potitoiio et M-ez cuMLvis", indem besonders von
Sachsen-Gotha und von Anhalt dawider Protest eingelegt worden war. Und
Nach langwierigen Verhandlungen kam es endlich 1732 dahin, daß ein Ver¬
trag zwischen Hannover und Sachsen-Gotha wegen der lauenburgischen Successions¬
ansprüche abgeschlossen warb, wonach von letzterem Hause gegen eine/Abfindung
von 60,000 Thalern auf den Besitz von Lauenburg verzichtet wurde, jedoch, wie
bei Kursachsen bereits 1697, unter Vorbehalt der Mtbelehnschaft. sowie des
eventuellen Rückfalls und der ferneren Führung des Titels und Wappens von
Lauenburg.

Das Herzogthum Lauenburg blieb seitdem unangefochten im Besitze des
braunschweig-lüneburgischen Hauses, jedoch als eigenes Reichslehn und ohne
in Hannover incorporirt zu werden. Die Mannlehnsqualität für die lauen¬
burgische Staatserbfolge blieb beständig anerkannt. Daraus wurde im Jahre
1815 Lauenburg von Hannover an den König von Preußen und von diesem
an den König von Dänemark abgetreten, mittelst eines zusammengesetzten
Tauschvertrags, ans dem wiener Kongresse. und am 27. Juli 1816 erfolgte
die feierliche Uebergabe deS Landes in dem Regierungsgebäude zu Ratzeburg.

Die Uebergabe an den König von Dänemark geschah nach dem ausdrück¬
lich vereinbarten und hervorgehobenen Grundsatze, daß das übertragene Land


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„Herzoge von Saclsen, Engern und Westphalen" führte. Der Kurfürst von
Sachsen lies; sofort von dem Lande i» symbolischer Weise Besitz ergreifen.
Dasselbe that aber nach wenig Tagen der Herzog von Mecklenburg und sehr
bald der Fürst von Anhalt. Gleichzeitig ließ der Herzog von Braunschwcig-
Lüneburg, gleichfalls als Erbprätendent auftretend, das Land mit Truppen be¬
setze». Es entwickelte sich nun der in der pudlicistischen Literatur des deutschen
Reiches vielbesprochene lauenburgische Successionsstreit. Dieser berühmte Pro¬
ceß hat in seinem schleppenden Gange mehre Jahrzehnte gedauert.

Endlich erlangte Kursachsen, dem die herzoglich sächsischen Häuser ernesti-
nischer Linie zuerst in diesem Processe adhärirtcn, unterm 31. December 1693
ein obsiegliches Erkenntniß des Reichshvfraths, wodurch Braunschweig-Lüneburg
zur Herausgabe des Herzogtums Lauenburg verurtheilt ward. Allein Kur¬
sachsen eröffnete bald, während das Sachsen-ernestinische Haus für sich den Pro¬
ceß fortsetzte, mit Braunschweig-Lüneburg Unterhandlungen über einen Vergleich,
und dieser kam am 19. Juni 1697 wirtlich zu Stande. Kursachsen trat durch
den Vergleich seine Rechte auf Lauenburg für 1,100,000 Gulden rheinisch ad,
behielt sich aber den Rückfall für den Fall des Aussterbens des braunschweig-
lüneburgischen Mannesstammcs ausdrücklich vor.

Der Kurfürst Georg Ludwig zu Hannover erreichte auch bei Kaiser Karl
dem Sechsten im Jahre 1716 die Belehnung mit dem Herzogthum Lauenburg
und Einräumung von Sitz und Stimme dafür im Reichsfürstenrathc, jedoch
unter der Clausul: „»alvo potitoiio et M-ez cuMLvis", indem besonders von
Sachsen-Gotha und von Anhalt dawider Protest eingelegt worden war. Und
Nach langwierigen Verhandlungen kam es endlich 1732 dahin, daß ein Ver¬
trag zwischen Hannover und Sachsen-Gotha wegen der lauenburgischen Successions¬
ansprüche abgeschlossen warb, wonach von letzterem Hause gegen eine/Abfindung
von 60,000 Thalern auf den Besitz von Lauenburg verzichtet wurde, jedoch, wie
bei Kursachsen bereits 1697, unter Vorbehalt der Mtbelehnschaft. sowie des
eventuellen Rückfalls und der ferneren Führung des Titels und Wappens von
Lauenburg.

Das Herzogthum Lauenburg blieb seitdem unangefochten im Besitze des
braunschweig-lüneburgischen Hauses, jedoch als eigenes Reichslehn und ohne
in Hannover incorporirt zu werden. Die Mannlehnsqualität für die lauen¬
burgische Staatserbfolge blieb beständig anerkannt. Daraus wurde im Jahre
1815 Lauenburg von Hannover an den König von Preußen und von diesem
an den König von Dänemark abgetreten, mittelst eines zusammengesetzten
Tauschvertrags, ans dem wiener Kongresse. und am 27. Juli 1816 erfolgte
die feierliche Uebergabe deS Landes in dem Regierungsgebäude zu Ratzeburg.

Die Uebergabe an den König von Dänemark geschah nach dem ausdrück¬
lich vereinbarten und hervorgehobenen Grundsatze, daß das übertragene Land


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[0403] „Herzoge von Saclsen, Engern und Westphalen" führte. Der Kurfürst von Sachsen lies; sofort von dem Lande i» symbolischer Weise Besitz ergreifen. Dasselbe that aber nach wenig Tagen der Herzog von Mecklenburg und sehr bald der Fürst von Anhalt. Gleichzeitig ließ der Herzog von Braunschwcig- Lüneburg, gleichfalls als Erbprätendent auftretend, das Land mit Truppen be¬ setze». Es entwickelte sich nun der in der pudlicistischen Literatur des deutschen Reiches vielbesprochene lauenburgische Successionsstreit. Dieser berühmte Pro¬ ceß hat in seinem schleppenden Gange mehre Jahrzehnte gedauert. Endlich erlangte Kursachsen, dem die herzoglich sächsischen Häuser ernesti- nischer Linie zuerst in diesem Processe adhärirtcn, unterm 31. December 1693 ein obsiegliches Erkenntniß des Reichshvfraths, wodurch Braunschweig-Lüneburg zur Herausgabe des Herzogtums Lauenburg verurtheilt ward. Allein Kur¬ sachsen eröffnete bald, während das Sachsen-ernestinische Haus für sich den Pro¬ ceß fortsetzte, mit Braunschweig-Lüneburg Unterhandlungen über einen Vergleich, und dieser kam am 19. Juni 1697 wirtlich zu Stande. Kursachsen trat durch den Vergleich seine Rechte auf Lauenburg für 1,100,000 Gulden rheinisch ad, behielt sich aber den Rückfall für den Fall des Aussterbens des braunschweig- lüneburgischen Mannesstammcs ausdrücklich vor. Der Kurfürst Georg Ludwig zu Hannover erreichte auch bei Kaiser Karl dem Sechsten im Jahre 1716 die Belehnung mit dem Herzogthum Lauenburg und Einräumung von Sitz und Stimme dafür im Reichsfürstenrathc, jedoch unter der Clausul: „»alvo potitoiio et M-ez cuMLvis", indem besonders von Sachsen-Gotha und von Anhalt dawider Protest eingelegt worden war. Und Nach langwierigen Verhandlungen kam es endlich 1732 dahin, daß ein Ver¬ trag zwischen Hannover und Sachsen-Gotha wegen der lauenburgischen Successions¬ ansprüche abgeschlossen warb, wonach von letzterem Hause gegen eine/Abfindung von 60,000 Thalern auf den Besitz von Lauenburg verzichtet wurde, jedoch, wie bei Kursachsen bereits 1697, unter Vorbehalt der Mtbelehnschaft. sowie des eventuellen Rückfalls und der ferneren Führung des Titels und Wappens von Lauenburg. Das Herzogthum Lauenburg blieb seitdem unangefochten im Besitze des braunschweig-lüneburgischen Hauses, jedoch als eigenes Reichslehn und ohne in Hannover incorporirt zu werden. Die Mannlehnsqualität für die lauen¬ burgische Staatserbfolge blieb beständig anerkannt. Daraus wurde im Jahre 1815 Lauenburg von Hannover an den König von Preußen und von diesem an den König von Dänemark abgetreten, mittelst eines zusammengesetzten Tauschvertrags, ans dem wiener Kongresse. und am 27. Juli 1816 erfolgte die feierliche Uebergabe deS Landes in dem Regierungsgebäude zu Ratzeburg. Die Uebergabe an den König von Dänemark geschah nach dem ausdrück¬ lich vereinbarten und hervorgehobenen Grundsatze, daß das übertragene Land 50 ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/403>, abgerufen am 15.01.2025.