Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.ernstlich bedroht ist. wird noch immer mit der unbefangensten Miene von der Inzwischen ist das Referat über den Handelsvertrag, mit welchem die ernstlich bedroht ist. wird noch immer mit der unbefangensten Miene von der Inzwischen ist das Referat über den Handelsvertrag, mit welchem die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0374" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116302"/> <p xml:id="ID_1254" prev="#ID_1253"> ernstlich bedroht ist. wird noch immer mit der unbefangensten Miene von der<lb/> Welt in Abrede gestellt. Noch immer gilt es als Dogma, daß trotz allen<lb/> Sträubens in letzter Stunde Preußen nachgeben müsse und nachgeben werde!<lb/> Wird dieser Glaube auch in den Regierungskreisen getheilt, so ist freilich der<lb/> Bruch unvermeidlich, ein Bruch, der allerdings schwerlich zur bleibenden Tren¬<lb/> nung führt. Wenigstens ist nach Allem zu schließen, daß bindende Verabredun¬<lb/> gen zwischen Oestreich und den süddeutschen Mittelstaatcn für den Fall der<lb/> Nichterneuerung der Zollvereinsveiträge bis jetzt nicht getroffen sind. Vielmehr<lb/> scheint die Unsicherheit und Rathlosigkeit in dieser Frage in den offiziellen<lb/> Kreisen nicht minder groß zu sein als in den nichtofsiciellen. Man hat wohl<lb/> die Rathschläge Oestreichs angenommen, wie denn das Aufgeben der sehr'off<lb/> schutzzöllncrischen Agitation gegen den Vertrag direct von Wien aus empfohlen<lb/> wurde, wo bekanntlich selbst eine einflußreiche Partei dem Freihandelsystem zu¬<lb/> neigt, aber man hat sich noch keineswegs für die Zukunft gebunden. Eben<lb/> diese Schwenkung in der volkswirtschaftlichen Beurtheilung der Frage beweist<lb/> auch am besten, wie von Anfang an nicht die materiellen und moralischen<lb/> Interessen, sondern allein die politischen Instinkte.und Eingebungen maßgebend<lb/> waren. In concreter Anwendung auf unsre Verhältnisse heißt dies so viel,<lb/> daß die ganze Frage wesentlich als Sache des auswärtigen Ministeriums, nicht<lb/> des Finanzministeriums behandelt wurde. Die Fehde zwischen dem mehr dem<lb/> volkswirtschaftlichen Fortschritte zugewandten Finanzdepartemcnt und dem<lb/> östreichischen Einflüsterungen gehorchenden auswärtigen Amt dauerte den ganzen<lb/> Sommer über fort. Sie trat namentlich bei der Wahl eines Vertreters für<lb/> die Münchner und die berliner Konferenz hervor. Schließlich einigte man sich<lb/> dahin, daß ein Vertreter des Finanzministeriums, aber — gleichsam zur Über¬<lb/> wachung und als erster Bevollmächtigter — auch ein Beamter vom Ministerium<lb/> des Innern, dessen Uebereinstimmung mit den Anschauungen des auswärtigen<lb/> Amts man sicher war, abgeschickt wurden. Schwerlich dürsten diese Vorgänge,<lb/> die hier allbekannt und nur ein Beweis von vielen für die Schwäche in der<lb/> gegenwärtigen Leitung des Finanzministeriums sind, in der Kammer unbespro-<lb/> chen bleiben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1255" next="#ID_1256"> Inzwischen ist das Referat über den Handelsvertrag, mit welchem die<lb/> volkswirtschaftliche Commission M. Mohl betraut hat (Korreferent ist Freih.<lb/> V. Varnbühler) nach anderthalbjährigem Schweiß dieser Tage glücklich zu Ende<lb/> gebracht worden. Die Riesenarbeit umfaßt nicht weniger als 84 Druckbogen,<lb/> und ist, wie die Gegner des Vertrags im Voraus versichert haben, ein Meister¬<lb/> werk von Gründlichkeit und vernichtender Kritik. Im Voraus weiß man we¬<lb/> nigstens gewiß, was der Schlußantrag dieses Referats sein wird, und es ist<lb/> auch kaum zu zweifeln, daß die fast nur aus bekannten Gegnern des Vertrags<lb/> zusammengesetzte Commission gleichfalls die Ablehnung desselben empfehlen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0374]
ernstlich bedroht ist. wird noch immer mit der unbefangensten Miene von der
Welt in Abrede gestellt. Noch immer gilt es als Dogma, daß trotz allen
Sträubens in letzter Stunde Preußen nachgeben müsse und nachgeben werde!
Wird dieser Glaube auch in den Regierungskreisen getheilt, so ist freilich der
Bruch unvermeidlich, ein Bruch, der allerdings schwerlich zur bleibenden Tren¬
nung führt. Wenigstens ist nach Allem zu schließen, daß bindende Verabredun¬
gen zwischen Oestreich und den süddeutschen Mittelstaatcn für den Fall der
Nichterneuerung der Zollvereinsveiträge bis jetzt nicht getroffen sind. Vielmehr
scheint die Unsicherheit und Rathlosigkeit in dieser Frage in den offiziellen
Kreisen nicht minder groß zu sein als in den nichtofsiciellen. Man hat wohl
die Rathschläge Oestreichs angenommen, wie denn das Aufgeben der sehr'off
schutzzöllncrischen Agitation gegen den Vertrag direct von Wien aus empfohlen
wurde, wo bekanntlich selbst eine einflußreiche Partei dem Freihandelsystem zu¬
neigt, aber man hat sich noch keineswegs für die Zukunft gebunden. Eben
diese Schwenkung in der volkswirtschaftlichen Beurtheilung der Frage beweist
auch am besten, wie von Anfang an nicht die materiellen und moralischen
Interessen, sondern allein die politischen Instinkte.und Eingebungen maßgebend
waren. In concreter Anwendung auf unsre Verhältnisse heißt dies so viel,
daß die ganze Frage wesentlich als Sache des auswärtigen Ministeriums, nicht
des Finanzministeriums behandelt wurde. Die Fehde zwischen dem mehr dem
volkswirtschaftlichen Fortschritte zugewandten Finanzdepartemcnt und dem
östreichischen Einflüsterungen gehorchenden auswärtigen Amt dauerte den ganzen
Sommer über fort. Sie trat namentlich bei der Wahl eines Vertreters für
die Münchner und die berliner Konferenz hervor. Schließlich einigte man sich
dahin, daß ein Vertreter des Finanzministeriums, aber — gleichsam zur Über¬
wachung und als erster Bevollmächtigter — auch ein Beamter vom Ministerium
des Innern, dessen Uebereinstimmung mit den Anschauungen des auswärtigen
Amts man sicher war, abgeschickt wurden. Schwerlich dürsten diese Vorgänge,
die hier allbekannt und nur ein Beweis von vielen für die Schwäche in der
gegenwärtigen Leitung des Finanzministeriums sind, in der Kammer unbespro-
chen bleiben.
Inzwischen ist das Referat über den Handelsvertrag, mit welchem die
volkswirtschaftliche Commission M. Mohl betraut hat (Korreferent ist Freih.
V. Varnbühler) nach anderthalbjährigem Schweiß dieser Tage glücklich zu Ende
gebracht worden. Die Riesenarbeit umfaßt nicht weniger als 84 Druckbogen,
und ist, wie die Gegner des Vertrags im Voraus versichert haben, ein Meister¬
werk von Gründlichkeit und vernichtender Kritik. Im Voraus weiß man we¬
nigstens gewiß, was der Schlußantrag dieses Referats sein wird, und es ist
auch kaum zu zweifeln, daß die fast nur aus bekannten Gegnern des Vertrags
zusammengesetzte Commission gleichfalls die Ablehnung desselben empfehlen
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