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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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die rostocker Polizeibehörde, in Folge der desfalls an den Rath der Stadt
Rostock ergangenen ministeriellen Aufforderung, mit den Vernehmungen in dieser
Sache, und noch waren die Töne der Jubelfestmusik kaum verklungen, als
schon die Verhöre ihren eifrigen Fortgang nahmen. Dem Minister ging dies
noch nicht einmal rasch genug, und er hätte ohne Zweifel nichts dagegen ge¬
habt, wenn die Polizeibehörde das ihr aufgetragene Werk schon zum 18. Oc-
tober zu beendigen vermocht hätte. Denn das Ministerialrescript hatte für
Vollziehung des Auftrags nur eine Frist von acht Tagen zugestanden, nach
deren Ablauf schon ein Maturationsschreiben erging.

Als früherer mecklenburgischer Gesandter am Bundestage hatte Herr
v. Oertzen zu seinem Ministerposten, den er im Jahre 1858 antrat, eine An¬
hänglichkeit an die bestehende deutsche Bundesverfassung und eine Schen vor
Aenderungen derselben mitgebracht, N'elche ihm die wiedererwachenden Bestre¬
bungen zur Herbeiführung einer einheitlichen Verfassung Deutschlands in dem
bedenklichsten Lichte erscheinen ließen. Kaum war daher der Nationalverein
gegründet, als er auch schon mit einem Publicandum hervorging, welches theils
ein Verbot der Theilnahme an dem Verein, theils eine Warnung vor den ge¬
setzlichen Folgen des Anschlusses enthielt. Das Schriftstück lautet:

"Die politische Verbindung, deren Gründung unter dem Namen eines
nationalen Vereins zur Anstrebung der einheitlichen und freiheitlichen Gestal¬
tung Deutschlands im September d. I. in Frankfurt a. M. von Angehörigen
verschiedener deutscher Staaten versucht worden ist, erscheint, wenn auch zur
Zeit ohne Bedeutung, doch bei weiterer Ausbreitung als ein solcher Verein,
dessen Wirksamkeit die Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit Deutsch¬
lands so wie die Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen
Staaten mit ernsten Gefahren bedroht.

Da dem Vernehmen nach auch einige Mecklenburger an dieser Verbindung
sich betheiligt haben, so findet das unterzeichnete Ministerium, nach Maßgabe
der Verordnung Vom 27. Januar 1851 und in Beihalt des unter dem
20. September 1836 publicirten Beschlusses der deutschen Bundesversammlung,
sich veranlaßt, nicht blos die Theilnahme an dem gedachten Verein, so wie an
allen, auch den im Auslande gegründeten, politischen Verbindungen, welche eine
unberufene Agitation gegen die bestehende Bundesverfassung bezwecken, den
hiesigen Landesangehörigen, wie hiemit geschieht, zu untersagen, sondern auch
diejenigen, die sich durch den scheinbar patriotischen Zweck zum Anschluß an
ein derartiges Treiben versucht fühlen möchten, vor den gesetzlichen Folgen
ihrer Handlungen zu warnen.

Schwerin, 1. October 1859.


Großherzoglich Mecklenburgisches Ministerium des Innern.
I. v. Oertzen."

die rostocker Polizeibehörde, in Folge der desfalls an den Rath der Stadt
Rostock ergangenen ministeriellen Aufforderung, mit den Vernehmungen in dieser
Sache, und noch waren die Töne der Jubelfestmusik kaum verklungen, als
schon die Verhöre ihren eifrigen Fortgang nahmen. Dem Minister ging dies
noch nicht einmal rasch genug, und er hätte ohne Zweifel nichts dagegen ge¬
habt, wenn die Polizeibehörde das ihr aufgetragene Werk schon zum 18. Oc-
tober zu beendigen vermocht hätte. Denn das Ministerialrescript hatte für
Vollziehung des Auftrags nur eine Frist von acht Tagen zugestanden, nach
deren Ablauf schon ein Maturationsschreiben erging.

Als früherer mecklenburgischer Gesandter am Bundestage hatte Herr
v. Oertzen zu seinem Ministerposten, den er im Jahre 1858 antrat, eine An¬
hänglichkeit an die bestehende deutsche Bundesverfassung und eine Schen vor
Aenderungen derselben mitgebracht, N'elche ihm die wiedererwachenden Bestre¬
bungen zur Herbeiführung einer einheitlichen Verfassung Deutschlands in dem
bedenklichsten Lichte erscheinen ließen. Kaum war daher der Nationalverein
gegründet, als er auch schon mit einem Publicandum hervorging, welches theils
ein Verbot der Theilnahme an dem Verein, theils eine Warnung vor den ge¬
setzlichen Folgen des Anschlusses enthielt. Das Schriftstück lautet:

„Die politische Verbindung, deren Gründung unter dem Namen eines
nationalen Vereins zur Anstrebung der einheitlichen und freiheitlichen Gestal¬
tung Deutschlands im September d. I. in Frankfurt a. M. von Angehörigen
verschiedener deutscher Staaten versucht worden ist, erscheint, wenn auch zur
Zeit ohne Bedeutung, doch bei weiterer Ausbreitung als ein solcher Verein,
dessen Wirksamkeit die Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit Deutsch¬
lands so wie die Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen
Staaten mit ernsten Gefahren bedroht.

Da dem Vernehmen nach auch einige Mecklenburger an dieser Verbindung
sich betheiligt haben, so findet das unterzeichnete Ministerium, nach Maßgabe
der Verordnung Vom 27. Januar 1851 und in Beihalt des unter dem
20. September 1836 publicirten Beschlusses der deutschen Bundesversammlung,
sich veranlaßt, nicht blos die Theilnahme an dem gedachten Verein, so wie an
allen, auch den im Auslande gegründeten, politischen Verbindungen, welche eine
unberufene Agitation gegen die bestehende Bundesverfassung bezwecken, den
hiesigen Landesangehörigen, wie hiemit geschieht, zu untersagen, sondern auch
diejenigen, die sich durch den scheinbar patriotischen Zweck zum Anschluß an
ein derartiges Treiben versucht fühlen möchten, vor den gesetzlichen Folgen
ihrer Handlungen zu warnen.

Schwerin, 1. October 1859.


Großherzoglich Mecklenburgisches Ministerium des Innern.
I. v. Oertzen."
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/340>, abgerufen am 15.01.2025.