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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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entgegengehalten, daß man es für eine wenig tactvolle Provocation ansehen
würde, wenn die katholischen Vereine ihre Versammlung in Berlin halten
wollten, und daß zur Zeit eine Versammlung der Gustav-Adolf-Stiftung in
Wien auf ganz gleicher Linie stehen würde. Guten Katholiken will unsre
Genossenschaft keinen Anstoß und indifferenten Katholiken will sie kein Schau¬
spiel geben; am allerwenigste" aber will sie sich als Mittel für fremde Zwecke
benutzen lassen.

Wir erinnern uns, wie der vorletzte Juristentag für solche Zwecke aus¬
gebeutet wurde, und wir wissen, daß ein Tagen des protestantischen Gustav-
Adolf-Vereins im katholischen Wien, eine ministerielle Artigkeit gegen denselben,
vielleicht gar ein freundliches Kaiserwort sich noch wirksamer den Wundern an¬
reihen ließe, welche die neue Aera in Oestreich jetzt mit so viel Behendigkeit
verrichtet. Wir haben aber leine Neigung, zu solchem Spiel die Hand zu bie¬
ten. Wenn mit der Aufhebung des Concordats eine wirkliche Gleichstellung
der evangelischen mit der katholischen Kirche in Oestreich erfolgt sein wird, dann
liegt die Sache einigermaßen anders. Aber jetzt Angesichts des Concordats und
der tiroler Glaubenscinheit, Angesichts des Auftretens der wiener Universität
für ihren unverfälscht katholischen Charakter und gegen die Einlaß verlangende
evangelische Facultät, möchte man doch lieber noch ein klein wenig zuwarten,
und so entschied sich denn die Versammlung mit weit überwiegender Stimmen¬
mehrheit für die aus Darmstadt vorliegende Einladung.

Die östreichischen Protestanten, wenngleich für den Augenblick etwas un¬
befriedigt durch diesen Beschluß, mögen sich immerhin desselben freuen. Das
Gedeihen der Genossenschaft, die sich mit so warmer Fürsorge ihrer annimmt,
kommt ihnen selbst zu Gute, und der Verein würde sicherlich in der allgemeinen
Achtung nicht gewonnen, er würde ganz entschieden verloren haben, wenn er
aus seinem besonnenen, sichern und stillen Gange heraustretend sich hätte ver¬
locken lassen, nach Wien zu gehen, wo er mit vielem Kling und Klang alle
möglichen Zwecke eher erfüllt hätte, als die ernsten Zwecke seiner protestantischen
Mission.

Es würde nahe liegen, zum Schluß eine Parallelle zu ziehen zwischen die¬
ser Versammlung des größten protestantischen Vereins und den Versammlungen
der katholischen Vereine, die im äußerlichen Schein sich zum Theil dem Gustav-
Adols-Verein nachgebildet haben, doch das würde zu weit führen. Der Unter¬
schied zwischen beiden ist ein sehr großer, auch wenn man von dem einen be¬
zeichnenden Umstand absieht, daß auf dieser lübccker Versammlung kein die
Katholiken verletzendes Wort gehört worden ist, was man umgekehrt den katho¬
lischen Versammlungen in Salzburg, Köln, Frankfurt u. s. w. nicht nachrühmen
kann. Jedes deutsche Gemüth müßte sich entsetzen über den unbeschreiblichen
Unterschied beider Versammlungen nicht allein nach dem Bildungsgrade, sondern


entgegengehalten, daß man es für eine wenig tactvolle Provocation ansehen
würde, wenn die katholischen Vereine ihre Versammlung in Berlin halten
wollten, und daß zur Zeit eine Versammlung der Gustav-Adolf-Stiftung in
Wien auf ganz gleicher Linie stehen würde. Guten Katholiken will unsre
Genossenschaft keinen Anstoß und indifferenten Katholiken will sie kein Schau¬
spiel geben; am allerwenigste« aber will sie sich als Mittel für fremde Zwecke
benutzen lassen.

Wir erinnern uns, wie der vorletzte Juristentag für solche Zwecke aus¬
gebeutet wurde, und wir wissen, daß ein Tagen des protestantischen Gustav-
Adolf-Vereins im katholischen Wien, eine ministerielle Artigkeit gegen denselben,
vielleicht gar ein freundliches Kaiserwort sich noch wirksamer den Wundern an¬
reihen ließe, welche die neue Aera in Oestreich jetzt mit so viel Behendigkeit
verrichtet. Wir haben aber leine Neigung, zu solchem Spiel die Hand zu bie¬
ten. Wenn mit der Aufhebung des Concordats eine wirkliche Gleichstellung
der evangelischen mit der katholischen Kirche in Oestreich erfolgt sein wird, dann
liegt die Sache einigermaßen anders. Aber jetzt Angesichts des Concordats und
der tiroler Glaubenscinheit, Angesichts des Auftretens der wiener Universität
für ihren unverfälscht katholischen Charakter und gegen die Einlaß verlangende
evangelische Facultät, möchte man doch lieber noch ein klein wenig zuwarten,
und so entschied sich denn die Versammlung mit weit überwiegender Stimmen¬
mehrheit für die aus Darmstadt vorliegende Einladung.

Die östreichischen Protestanten, wenngleich für den Augenblick etwas un¬
befriedigt durch diesen Beschluß, mögen sich immerhin desselben freuen. Das
Gedeihen der Genossenschaft, die sich mit so warmer Fürsorge ihrer annimmt,
kommt ihnen selbst zu Gute, und der Verein würde sicherlich in der allgemeinen
Achtung nicht gewonnen, er würde ganz entschieden verloren haben, wenn er
aus seinem besonnenen, sichern und stillen Gange heraustretend sich hätte ver¬
locken lassen, nach Wien zu gehen, wo er mit vielem Kling und Klang alle
möglichen Zwecke eher erfüllt hätte, als die ernsten Zwecke seiner protestantischen
Mission.

Es würde nahe liegen, zum Schluß eine Parallelle zu ziehen zwischen die¬
ser Versammlung des größten protestantischen Vereins und den Versammlungen
der katholischen Vereine, die im äußerlichen Schein sich zum Theil dem Gustav-
Adols-Verein nachgebildet haben, doch das würde zu weit führen. Der Unter¬
schied zwischen beiden ist ein sehr großer, auch wenn man von dem einen be¬
zeichnenden Umstand absieht, daß auf dieser lübccker Versammlung kein die
Katholiken verletzendes Wort gehört worden ist, was man umgekehrt den katho¬
lischen Versammlungen in Salzburg, Köln, Frankfurt u. s. w. nicht nachrühmen
kann. Jedes deutsche Gemüth müßte sich entsetzen über den unbeschreiblichen
Unterschied beider Versammlungen nicht allein nach dem Bildungsgrade, sondern


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/34>, abgerufen am 15.01.2025.