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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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ßer Güter in den Händen unwissender Verwalter gewesen, die sich Neuerungen
oder gar selbstdenkenden Betriebe unzugänglich zeigten. In Hannover wurden
die Domainen 1760--1770 nach und nach verpachtet; in Kursachsen war 1732
"Vor Kurzem" die Verpachtung aufgekommen. Der Adel begann zum großen
Theil seine Güter selbst zu bewirthschaften. Und als der Ertrag des Ackerbaus
wuchs und derselbe auch wissenschaftliche Aufgaben zu lösen erhielt, die aus
seinen mannigfaltigen Geschäften das Einförmige und aus seiner Arbeitsfülle
die Langeweile fortnehmen konnten, tauften Söhne gebildeter Bürger, Offiziere,
müde der Friedensjahre mich 1763, Landgüter und wurden Landwirthe. So
legten sich die Fundamente, auf welche die Reformatoren treten konnten.

Schub art von Kleefeld -- der von Joseph dem Zweiten zum Rit¬
ter des heiligen römischen Reiches ernannte Johann Christian Schubert,
1734--1787, führte den Kleeanbau in die deutsche Landwirthschaft ein.

Man denke sich: Statt der grauen Weideschläge grüne, mählige Kleefelder,
das Futter gemäht und das Vieh zu Hause gefüttert! Die Wiesen gehend,
so daß sie im Winter das Vieh nährten! Dünger für die Kornfelder und neben
dem Plus der Vere'an,fsfrucht auch ein Plus an Stroh geerntet, das wiederum
den Dünger vermehrte -- in der That, die Wandelung der Dinge war fast
wunderbar.

Nach dem Kleeanbau ist das Gypser der Felder, d. h. die Anwen¬
dung des Gypses als Düngemittel, als zweiter Fortschritt des deutschen Acker¬
baus zu verzeichnen. Pfarrer Mayer in Kupferzell (1719--1798) war
der "Apostel des Gypses". Er war nicht der Erfinder dieser Methode, sondern
nur der Erste, weicher durch Schrift und Wort und Beispiel zum Gypser trieb.
Nicht eine speculative Forschung führte die ersten Reformatoren ans Ziel, son¬
dern ein glücklicher Zufall und ein gewisser Muth, die Sache dem Schlendrian
und dem Mißverständnis^ gegenüber standhaft zu vertheidigen. Denn niemals
hat bloßes Predigen den Landwirth vermocht, etwas anzunehmen, was er nicht
in Wirklichkeit gesehn: wer reformiren wollte, mußte auf seinen eigenen Aeckern
beginnen.

So Schubert in Sachsen; Mayer in Kupferzell. Interessant sind ihre
literarischen Kämpfe. Gründe für die Wirkung des Gypses hat Mayer keine,
er begreift "wenig die Möglichkeit und die Art dieser sonderbaren Wirkung der
Steine, sonderlich des Gypses", und immer wieder, beruft er sich darauf, daß
er "das probirt" habe. Freilich lesen wir auch heute noch -- 1863 -- in
Liebig (die Naturgesetze des Feldbaus S. 358): "daß wir über die Wirkung
des Gypses nichts Bestimmtes wissen" . . .

Mayer klagt: "Alles Unheil schrieb man dem Gypsdung und mir auf die
Rechnung. Der Jäger klagte den Gyps als Gift für Hasen, Rehe, Hirsche und
Schweine an; mich hieß man den Giftmischer. Der Bauer hatte eben solche


Grenzboten IV. 1863. 42

ßer Güter in den Händen unwissender Verwalter gewesen, die sich Neuerungen
oder gar selbstdenkenden Betriebe unzugänglich zeigten. In Hannover wurden
die Domainen 1760—1770 nach und nach verpachtet; in Kursachsen war 1732
„Vor Kurzem" die Verpachtung aufgekommen. Der Adel begann zum großen
Theil seine Güter selbst zu bewirthschaften. Und als der Ertrag des Ackerbaus
wuchs und derselbe auch wissenschaftliche Aufgaben zu lösen erhielt, die aus
seinen mannigfaltigen Geschäften das Einförmige und aus seiner Arbeitsfülle
die Langeweile fortnehmen konnten, tauften Söhne gebildeter Bürger, Offiziere,
müde der Friedensjahre mich 1763, Landgüter und wurden Landwirthe. So
legten sich die Fundamente, auf welche die Reformatoren treten konnten.

Schub art von Kleefeld — der von Joseph dem Zweiten zum Rit¬
ter des heiligen römischen Reiches ernannte Johann Christian Schubert,
1734—1787, führte den Kleeanbau in die deutsche Landwirthschaft ein.

Man denke sich: Statt der grauen Weideschläge grüne, mählige Kleefelder,
das Futter gemäht und das Vieh zu Hause gefüttert! Die Wiesen gehend,
so daß sie im Winter das Vieh nährten! Dünger für die Kornfelder und neben
dem Plus der Vere'an,fsfrucht auch ein Plus an Stroh geerntet, das wiederum
den Dünger vermehrte — in der That, die Wandelung der Dinge war fast
wunderbar.

Nach dem Kleeanbau ist das Gypser der Felder, d. h. die Anwen¬
dung des Gypses als Düngemittel, als zweiter Fortschritt des deutschen Acker¬
baus zu verzeichnen. Pfarrer Mayer in Kupferzell (1719—1798) war
der „Apostel des Gypses". Er war nicht der Erfinder dieser Methode, sondern
nur der Erste, weicher durch Schrift und Wort und Beispiel zum Gypser trieb.
Nicht eine speculative Forschung führte die ersten Reformatoren ans Ziel, son¬
dern ein glücklicher Zufall und ein gewisser Muth, die Sache dem Schlendrian
und dem Mißverständnis^ gegenüber standhaft zu vertheidigen. Denn niemals
hat bloßes Predigen den Landwirth vermocht, etwas anzunehmen, was er nicht
in Wirklichkeit gesehn: wer reformiren wollte, mußte auf seinen eigenen Aeckern
beginnen.

So Schubert in Sachsen; Mayer in Kupferzell. Interessant sind ihre
literarischen Kämpfe. Gründe für die Wirkung des Gypses hat Mayer keine,
er begreift „wenig die Möglichkeit und die Art dieser sonderbaren Wirkung der
Steine, sonderlich des Gypses", und immer wieder, beruft er sich darauf, daß
er „das probirt" habe. Freilich lesen wir auch heute noch — 1863 — in
Liebig (die Naturgesetze des Feldbaus S. 358): „daß wir über die Wirkung
des Gypses nichts Bestimmtes wissen" . . .

Mayer klagt: „Alles Unheil schrieb man dem Gypsdung und mir auf die
Rechnung. Der Jäger klagte den Gyps als Gift für Hasen, Rehe, Hirsche und
Schweine an; mich hieß man den Giftmischer. Der Bauer hatte eben solche


Grenzboten IV. 1863. 42
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[0337] ßer Güter in den Händen unwissender Verwalter gewesen, die sich Neuerungen oder gar selbstdenkenden Betriebe unzugänglich zeigten. In Hannover wurden die Domainen 1760—1770 nach und nach verpachtet; in Kursachsen war 1732 „Vor Kurzem" die Verpachtung aufgekommen. Der Adel begann zum großen Theil seine Güter selbst zu bewirthschaften. Und als der Ertrag des Ackerbaus wuchs und derselbe auch wissenschaftliche Aufgaben zu lösen erhielt, die aus seinen mannigfaltigen Geschäften das Einförmige und aus seiner Arbeitsfülle die Langeweile fortnehmen konnten, tauften Söhne gebildeter Bürger, Offiziere, müde der Friedensjahre mich 1763, Landgüter und wurden Landwirthe. So legten sich die Fundamente, auf welche die Reformatoren treten konnten. Schub art von Kleefeld — der von Joseph dem Zweiten zum Rit¬ ter des heiligen römischen Reiches ernannte Johann Christian Schubert, 1734—1787, führte den Kleeanbau in die deutsche Landwirthschaft ein. Man denke sich: Statt der grauen Weideschläge grüne, mählige Kleefelder, das Futter gemäht und das Vieh zu Hause gefüttert! Die Wiesen gehend, so daß sie im Winter das Vieh nährten! Dünger für die Kornfelder und neben dem Plus der Vere'an,fsfrucht auch ein Plus an Stroh geerntet, das wiederum den Dünger vermehrte — in der That, die Wandelung der Dinge war fast wunderbar. Nach dem Kleeanbau ist das Gypser der Felder, d. h. die Anwen¬ dung des Gypses als Düngemittel, als zweiter Fortschritt des deutschen Acker¬ baus zu verzeichnen. Pfarrer Mayer in Kupferzell (1719—1798) war der „Apostel des Gypses". Er war nicht der Erfinder dieser Methode, sondern nur der Erste, weicher durch Schrift und Wort und Beispiel zum Gypser trieb. Nicht eine speculative Forschung führte die ersten Reformatoren ans Ziel, son¬ dern ein glücklicher Zufall und ein gewisser Muth, die Sache dem Schlendrian und dem Mißverständnis^ gegenüber standhaft zu vertheidigen. Denn niemals hat bloßes Predigen den Landwirth vermocht, etwas anzunehmen, was er nicht in Wirklichkeit gesehn: wer reformiren wollte, mußte auf seinen eigenen Aeckern beginnen. So Schubert in Sachsen; Mayer in Kupferzell. Interessant sind ihre literarischen Kämpfe. Gründe für die Wirkung des Gypses hat Mayer keine, er begreift „wenig die Möglichkeit und die Art dieser sonderbaren Wirkung der Steine, sonderlich des Gypses", und immer wieder, beruft er sich darauf, daß er „das probirt" habe. Freilich lesen wir auch heute noch — 1863 — in Liebig (die Naturgesetze des Feldbaus S. 358): „daß wir über die Wirkung des Gypses nichts Bestimmtes wissen" . . . Mayer klagt: „Alles Unheil schrieb man dem Gypsdung und mir auf die Rechnung. Der Jäger klagte den Gyps als Gift für Hasen, Rehe, Hirsche und Schweine an; mich hieß man den Giftmischer. Der Bauer hatte eben solche Grenzboten IV. 1863. 42

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/337>, abgerufen am 15.01.2025.