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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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Schafe mit Kartoffeln gefüttert werden könnten, und der deshalb eine Reise
unternahm . . . Man erinnere sich, wie langsam der Kartoffelanbau ange¬
nommen wurde! "Die große Masse der Menschen," sagt Liebig*), "hat keinen
Begriff davon, mit welchen Schwierigkeiten Arbeiten verknüpft sind, die das
Gebiet des Wissens thatsächlich erweitern. Das junge Geschlecht meint, daß
alle diese Dinge von jeher dagewesen seien, und es scheint ihm undenkbar, daß
das, was als zweckmäßig anerkannt ist, jemals bekämpft worden sei."

Die Kunst des Ackerbaues lehrte in Deutschland Karl der Große, der sie
in Italien kennen gelernt. Dort war die Dreifelderwirthschaft üblich, so kam
sie nach Deutschland. Die Römer wußten schon zu Catos, zu Virgils und zu
Columellas Zeiten nicht weniger vom vortheilhaftesten Anbau der Gewächse,
als in Deutschland um 1700 bekannt war. Unter Nero war die römische
Ackerbauliteratun besonders zahlreich -- "ein Zeichen des Verfalls der Land¬
wirthschaft" meint Liebig! Cato, gefragt, wodurch ein Landwirth am schnell¬
sten reich werde, gab die Antwort: durch gute Viehzucht, zum zweiten durch
mittelmäßige Viehzucht, zum dritten selbst noch durch schlechte Viehzucht. Virgil
empfiehlt das Abbrennen der Getreidestoppel, Laugasche, Asche aus Ziegel- und
Kalköfen, Straßenkehricht. Auch die Frage von der Waldstreu wirst er schon
auf. Plinius sagt: weißer, lockerer Mergel wirkt fünfzig Jahre. Saserna,
Vater und Sohn (100 n. Chr.), empfehlen Erbsen als Vorfrucht vor Weizen.
Varro (as rüst., lib. I. cap. 7) kam auf Feldzügen in Gegenden, "ubi
agros Ltereorareirt eanäiäs, t'osZieig. ereta," -- "wo die Leute ihr Feld mit
Gyps düngten," übersetzt Pfarrer Mayer von Kupferzell. Thaer nennt (Ge-
werbslehre ß. 226) die deutsche Landwirthschaft zu Tacitus Zeit eine Art
Koppelwirthschaft, Röscher (Nationalst. II., §. 25) eine rohe, der heutigen
sibirischen ähnliche. Doch in Urkunden von 779--791 erscheinen schon Sommer-
und Winterfelder. Karl der Große hatte hauptsächlich in Schwaben Meierhöfe,
die sich durch die große Zahl des auf ihnen gehaltenen Viehs auszeichneten.
Es weidete und jedes Stück hatte eine Glocke mit Zeichen, weil Entlaufen in
die Wälder oft vorkam^). Stuttgart soll ein "Stutenhof" Karls gewesen
sein, daher sein Name. Eine Urkunde sagt: Jährlich sollen drei Joche auf
dem Gute besamt werden; das Gut hatte 700 Joch. Der Kornbau war
also Nebensache. "Auf einem anderen Gute hatte man vorräthig kein Getreide,
.aber eine Menge Vieh; ein Korb speit war ausgesäet." (Liebig, Agricultur-
chemie II. 254.)

Aus den nachfolgenden Jahrhunderten ist kein Fortschritt zu berichten.




') Rede in der bayerischen Akademie d. W. 28. November 1861.
") Hohenheimer Wochenblatt für Land- und Forstwirthschaft 18S3.

Schafe mit Kartoffeln gefüttert werden könnten, und der deshalb eine Reise
unternahm . . . Man erinnere sich, wie langsam der Kartoffelanbau ange¬
nommen wurde! „Die große Masse der Menschen," sagt Liebig*), „hat keinen
Begriff davon, mit welchen Schwierigkeiten Arbeiten verknüpft sind, die das
Gebiet des Wissens thatsächlich erweitern. Das junge Geschlecht meint, daß
alle diese Dinge von jeher dagewesen seien, und es scheint ihm undenkbar, daß
das, was als zweckmäßig anerkannt ist, jemals bekämpft worden sei."

Die Kunst des Ackerbaues lehrte in Deutschland Karl der Große, der sie
in Italien kennen gelernt. Dort war die Dreifelderwirthschaft üblich, so kam
sie nach Deutschland. Die Römer wußten schon zu Catos, zu Virgils und zu
Columellas Zeiten nicht weniger vom vortheilhaftesten Anbau der Gewächse,
als in Deutschland um 1700 bekannt war. Unter Nero war die römische
Ackerbauliteratun besonders zahlreich — „ein Zeichen des Verfalls der Land¬
wirthschaft" meint Liebig! Cato, gefragt, wodurch ein Landwirth am schnell¬
sten reich werde, gab die Antwort: durch gute Viehzucht, zum zweiten durch
mittelmäßige Viehzucht, zum dritten selbst noch durch schlechte Viehzucht. Virgil
empfiehlt das Abbrennen der Getreidestoppel, Laugasche, Asche aus Ziegel- und
Kalköfen, Straßenkehricht. Auch die Frage von der Waldstreu wirst er schon
auf. Plinius sagt: weißer, lockerer Mergel wirkt fünfzig Jahre. Saserna,
Vater und Sohn (100 n. Chr.), empfehlen Erbsen als Vorfrucht vor Weizen.
Varro (as rüst., lib. I. cap. 7) kam auf Feldzügen in Gegenden, „ubi
agros Ltereorareirt eanäiäs, t'osZieig. ereta," — „wo die Leute ihr Feld mit
Gyps düngten," übersetzt Pfarrer Mayer von Kupferzell. Thaer nennt (Ge-
werbslehre ß. 226) die deutsche Landwirthschaft zu Tacitus Zeit eine Art
Koppelwirthschaft, Röscher (Nationalst. II., §. 25) eine rohe, der heutigen
sibirischen ähnliche. Doch in Urkunden von 779—791 erscheinen schon Sommer-
und Winterfelder. Karl der Große hatte hauptsächlich in Schwaben Meierhöfe,
die sich durch die große Zahl des auf ihnen gehaltenen Viehs auszeichneten.
Es weidete und jedes Stück hatte eine Glocke mit Zeichen, weil Entlaufen in
die Wälder oft vorkam^). Stuttgart soll ein „Stutenhof" Karls gewesen
sein, daher sein Name. Eine Urkunde sagt: Jährlich sollen drei Joche auf
dem Gute besamt werden; das Gut hatte 700 Joch. Der Kornbau war
also Nebensache. „Auf einem anderen Gute hatte man vorräthig kein Getreide,
.aber eine Menge Vieh; ein Korb speit war ausgesäet." (Liebig, Agricultur-
chemie II. 254.)

Aus den nachfolgenden Jahrhunderten ist kein Fortschritt zu berichten.




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[0330] Schafe mit Kartoffeln gefüttert werden könnten, und der deshalb eine Reise unternahm . . . Man erinnere sich, wie langsam der Kartoffelanbau ange¬ nommen wurde! „Die große Masse der Menschen," sagt Liebig*), „hat keinen Begriff davon, mit welchen Schwierigkeiten Arbeiten verknüpft sind, die das Gebiet des Wissens thatsächlich erweitern. Das junge Geschlecht meint, daß alle diese Dinge von jeher dagewesen seien, und es scheint ihm undenkbar, daß das, was als zweckmäßig anerkannt ist, jemals bekämpft worden sei." Die Kunst des Ackerbaues lehrte in Deutschland Karl der Große, der sie in Italien kennen gelernt. Dort war die Dreifelderwirthschaft üblich, so kam sie nach Deutschland. Die Römer wußten schon zu Catos, zu Virgils und zu Columellas Zeiten nicht weniger vom vortheilhaftesten Anbau der Gewächse, als in Deutschland um 1700 bekannt war. Unter Nero war die römische Ackerbauliteratun besonders zahlreich — „ein Zeichen des Verfalls der Land¬ wirthschaft" meint Liebig! Cato, gefragt, wodurch ein Landwirth am schnell¬ sten reich werde, gab die Antwort: durch gute Viehzucht, zum zweiten durch mittelmäßige Viehzucht, zum dritten selbst noch durch schlechte Viehzucht. Virgil empfiehlt das Abbrennen der Getreidestoppel, Laugasche, Asche aus Ziegel- und Kalköfen, Straßenkehricht. Auch die Frage von der Waldstreu wirst er schon auf. Plinius sagt: weißer, lockerer Mergel wirkt fünfzig Jahre. Saserna, Vater und Sohn (100 n. Chr.), empfehlen Erbsen als Vorfrucht vor Weizen. Varro (as rüst., lib. I. cap. 7) kam auf Feldzügen in Gegenden, „ubi agros Ltereorareirt eanäiäs, t'osZieig. ereta," — „wo die Leute ihr Feld mit Gyps düngten," übersetzt Pfarrer Mayer von Kupferzell. Thaer nennt (Ge- werbslehre ß. 226) die deutsche Landwirthschaft zu Tacitus Zeit eine Art Koppelwirthschaft, Röscher (Nationalst. II., §. 25) eine rohe, der heutigen sibirischen ähnliche. Doch in Urkunden von 779—791 erscheinen schon Sommer- und Winterfelder. Karl der Große hatte hauptsächlich in Schwaben Meierhöfe, die sich durch die große Zahl des auf ihnen gehaltenen Viehs auszeichneten. Es weidete und jedes Stück hatte eine Glocke mit Zeichen, weil Entlaufen in die Wälder oft vorkam^). Stuttgart soll ein „Stutenhof" Karls gewesen sein, daher sein Name. Eine Urkunde sagt: Jährlich sollen drei Joche auf dem Gute besamt werden; das Gut hatte 700 Joch. Der Kornbau war also Nebensache. „Auf einem anderen Gute hatte man vorräthig kein Getreide, .aber eine Menge Vieh; ein Korb speit war ausgesäet." (Liebig, Agricultur- chemie II. 254.) Aus den nachfolgenden Jahrhunderten ist kein Fortschritt zu berichten. ') Rede in der bayerischen Akademie d. W. 28. November 1861. ") Hohenheimer Wochenblatt für Land- und Forstwirthschaft 18S3.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/330>, abgerufen am 15.01.2025.