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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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gelassen ist und die Minderheit meistens das Recht und fast immer die Macht zu
einem Veto hat -- ist wenig geeignet eine AngrWpolitik zu begünstigen.
Selbst wenn die Charaktere der in Deutschland regierenden Classen geneigt
wären, auf etwas Anderes als den friedlichen Genuß und die Ausbeutung der
Herrschaft über ihre Mitbürger zu denken, selbst wenn die Ehre und Größe
der Nation für viele derselben etwas Anderes wäre, als eine vor Kurzem auf¬
gebrachte Phrase -- das Geflecht starker Stricke, mit denen der Simson Euro¬
pas gebunden ist, die Verfassung, welche Deutschland gegeben ist, gestattet
der deutschen Nation keinen angreifenden Gedanken gegen das Ausland, ja sie
macht jeden Versuch der Fremden Deutschland anzugreifen für den Patrioten
zu einem Gegenstände der Besorgnis).

Indessen folgt daraus doch auch nicht, daß die deutsche Bundesversamm¬
lung oder, um es richtigerffauszudrücken, daß die deutschen Regierungen dazu
da seien, um deutsche Gebiete abzutreten und deutsche Rechte aufzugeben, oder
mit Deutschland durch das Band des Bundes oder deutscher Erbfolge ver¬
bundene Länder von dem politischen Körper der Nation abreißen zu lassen.

Soweit waren diese Zeilen geschrieben, als die Nachricht von dem plötz¬
lichen Tode des Königs von Dänemark eintraf. Die Bedeutung dieses Ereig¬
nisses ist unabsehbar; die Empfindung wird in Deutschland aber allgemein sein,
daß die Entscheidung der Schleswig-holsteinschen Frage, welche dadurch nahe
gerückt wird, für uns Deutsche in keiner schlimmern Zeit kommen konnte.

Für das deutsche Volk ist fortan jeder Tag, an welchem die dänischen
Truppen noch in den Herzogtümern weilen und dänische Beamte darin re¬
gieren, die Zeit einer rechtswidrigen Usurpation. Für uns ist der Erbprinz von
Augustenburg als Herzog Friedrich der Achte jetzt der rechtmäßige Fürst der deut¬
schen Herzogtümer Schleswig-Holstein und Lauenburg. Auch von Lauenburg,
soweit seine Rechte auf dieses letztere Fürstenthum nicht durch ältere vertrags¬
mäßige Rechte anderer deutscher Regentenhäuser alterirt werden. Sein Recht
fällt zusammen mit dem Recht seines Volkes auf ungetheilte Zusammenhörig¬
keit unter sich und auf die Verbindung mit Deutschland.

Die Schleswig-holsteinische Frage ist keine Frage mehr, bei welcher die
beiden Herzogthümer von einander getrennt werden dürfen, sie ist auf einmal
für uns in die Lage zurückgesetzt worden, in welcher sie im Jahre 1846 war.
Das londoner Protokoll, schon an sich eine höchst willkürliche und auf keine
Weise rechtlich zu begründende Erklärung, ist von dem deutschen Bund niemals
anerkannt worden. Vor dieser Schmach wenigstens hat der Patriotismus ein¬
zelner deutscher Regierungen unsere Nation bewahrt.

Es ist jetzt Aufgabe des neuen Herzogs, der durch Erbfolgerecht und den
Verzicht seines Vaters auf den Fürstenstuhl berufen wird, seinem Volk den
Antritt der Regierung unter Ableistung des Eides, welche die Verfassung der


gelassen ist und die Minderheit meistens das Recht und fast immer die Macht zu
einem Veto hat — ist wenig geeignet eine AngrWpolitik zu begünstigen.
Selbst wenn die Charaktere der in Deutschland regierenden Classen geneigt
wären, auf etwas Anderes als den friedlichen Genuß und die Ausbeutung der
Herrschaft über ihre Mitbürger zu denken, selbst wenn die Ehre und Größe
der Nation für viele derselben etwas Anderes wäre, als eine vor Kurzem auf¬
gebrachte Phrase — das Geflecht starker Stricke, mit denen der Simson Euro¬
pas gebunden ist, die Verfassung, welche Deutschland gegeben ist, gestattet
der deutschen Nation keinen angreifenden Gedanken gegen das Ausland, ja sie
macht jeden Versuch der Fremden Deutschland anzugreifen für den Patrioten
zu einem Gegenstände der Besorgnis).

Indessen folgt daraus doch auch nicht, daß die deutsche Bundesversamm¬
lung oder, um es richtigerffauszudrücken, daß die deutschen Regierungen dazu
da seien, um deutsche Gebiete abzutreten und deutsche Rechte aufzugeben, oder
mit Deutschland durch das Band des Bundes oder deutscher Erbfolge ver¬
bundene Länder von dem politischen Körper der Nation abreißen zu lassen.

Soweit waren diese Zeilen geschrieben, als die Nachricht von dem plötz¬
lichen Tode des Königs von Dänemark eintraf. Die Bedeutung dieses Ereig¬
nisses ist unabsehbar; die Empfindung wird in Deutschland aber allgemein sein,
daß die Entscheidung der Schleswig-holsteinschen Frage, welche dadurch nahe
gerückt wird, für uns Deutsche in keiner schlimmern Zeit kommen konnte.

Für das deutsche Volk ist fortan jeder Tag, an welchem die dänischen
Truppen noch in den Herzogtümern weilen und dänische Beamte darin re¬
gieren, die Zeit einer rechtswidrigen Usurpation. Für uns ist der Erbprinz von
Augustenburg als Herzog Friedrich der Achte jetzt der rechtmäßige Fürst der deut¬
schen Herzogtümer Schleswig-Holstein und Lauenburg. Auch von Lauenburg,
soweit seine Rechte auf dieses letztere Fürstenthum nicht durch ältere vertrags¬
mäßige Rechte anderer deutscher Regentenhäuser alterirt werden. Sein Recht
fällt zusammen mit dem Recht seines Volkes auf ungetheilte Zusammenhörig¬
keit unter sich und auf die Verbindung mit Deutschland.

Die Schleswig-holsteinische Frage ist keine Frage mehr, bei welcher die
beiden Herzogthümer von einander getrennt werden dürfen, sie ist auf einmal
für uns in die Lage zurückgesetzt worden, in welcher sie im Jahre 1846 war.
Das londoner Protokoll, schon an sich eine höchst willkürliche und auf keine
Weise rechtlich zu begründende Erklärung, ist von dem deutschen Bund niemals
anerkannt worden. Vor dieser Schmach wenigstens hat der Patriotismus ein¬
zelner deutscher Regierungen unsere Nation bewahrt.

Es ist jetzt Aufgabe des neuen Herzogs, der durch Erbfolgerecht und den
Verzicht seines Vaters auf den Fürstenstuhl berufen wird, seinem Volk den
Antritt der Regierung unter Ableistung des Eides, welche die Verfassung der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/325>, abgerufen am 15.01.2025.