Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.bach ein: so stellt er uns Neapel dar, eingehüllt in den Staub und die Gluth In der Verschiedenheit und dem Wettstreit der Richtungen, welche nun So kommen wir hier darauf zurück, daß die moderne deutsche Malerei vor 40
bach ein: so stellt er uns Neapel dar, eingehüllt in den Staub und die Gluth In der Verschiedenheit und dem Wettstreit der Richtungen, welche nun So kommen wir hier darauf zurück, daß die moderne deutsche Malerei vor 40
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0323" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116251"/> <p xml:id="ID_1093" prev="#ID_1092"> bach ein: so stellt er uns Neapel dar, eingehüllt in den Staub und die Gluth<lb/> des Südens, zudem in stark vortretender Staffage seine Menschen, wie sie in<lb/> der Zufälligkeit des täglichen Daseins auf der Straße sich umtreiben, Lazzaroni<lb/> und Engländer in der Lächerlichkeit ihres Gegensatzes. Die Illusion des süd¬<lb/> lichen Paradieses erscheint absichtlich zerstört, und doch soll wieder der heiße<lb/> glühende Ton des italienischen Abendhimmels, über das Bild ausgebreitet,<lb/> ihm eine Art von Stimmung geben: eine Mischung von halb barrocker, halb<lb/> malerischer Auffassung, die eine Gesammtwirkung unmöglich macht und von<lb/> vornherein wenig Künstlerisches hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1094"> In der Verschiedenheit und dem Wettstreit der Richtungen, welche nun<lb/> durch fast alle Zweige der modernen Malerei durchgehen, zeigt sich ein lebendiges<lb/> Streben, das dem Fortgang der Kunst nur günstig sein kann. Aber ebenso<lb/> bemerklich macht sich eine gewisse Zerfahrenheit der Anschaung, eine lose, rath¬<lb/> los herumtastende Beziehung zur Stoffwelt, ein unsicheres Schwanken zwischen<lb/> erfüllter ausdrucksvoller und blos naturwahrer Erscheinung, endlich ein unklares,<lb/> zufälliges Experimentiren in der Behandlung und ein bedenkliches Sichvordrängen<lb/> des äußerlichen technischen Geschicks. Daher die Unselbständigkeit, mit der man<lb/> sich bald an belgische, bald an französische Schulen anschließt, andererseits die<lb/> blinde Hartnäckigkeit, mit der sich Andere auf die eigene Naturanschauung, em¬<lb/> pfindlich jeden fremden Einfluß zurückweisend, steifen. Unzweifelhaft ist es ein<lb/> richtiges Gefühl, daß die Neueren das Wesen der Malerei, d. h. das Male¬<lb/> rische festzuhalten und durchzuführen suchen. Aber abgesehen von der Gefahr<lb/> der Einseitigkeit, von der oben die Rede war, liegt ihnen der Abweg nahe,<lb/> über der Selbständigkeit des Scheins die Bedeutung des Gegenstandes, das<lb/> Was der Darstellung allzugering anzuschlagen. Daß das Studium der alten<lb/> Kunst vor jener Einseitigkeit bewahren kann, ist schon früher bemerkt; aber<lb/> auch gegen diesen Irrthum kann ihr unvergängliches Muster schützen, denn auch<lb/> in der vorwiegend malerischen Erscheinung spricht sich jedesmal ein inneres<lb/> Leben aus, und gerade darin liegt ihr ewig wirksamer Zauber. Wer an den<lb/> alten Meistern die Erscheinung in diesem erfüllten unendlichen Sinne zu sehen<lb/> sich gewöhnt hat, der wird sich nicht leicht mit einem etwa mysteriösen, aber<lb/> unbestimmten und in einen leeren Reiz verschwimmenden malerischen Schein be¬<lb/> gnügen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1095" next="#ID_1096"> So kommen wir hier darauf zurück, daß die moderne deutsche Malerei vor<lb/> Allem in die Schule der großen italienischen Zeit zu gehen habe, nur um so mehr,<lb/> als es ihr selber an einer lebendigen Ueberlieferung und einem bestimmten In¬<lb/> halt gebricht, an den sie sich halten und aus sich selber bilden könnte. Hat<lb/> sie einmal den Sinn für das Künstlerische, für die gehaltvolle und vollendete<lb/> Erscheinung des Lebens fest in sich ausgeprägt, so wird sie leicht finden, was<lb/> sich so darstellen, wie sich die Gegenwart malerisch fassen lasse, und belebend<lb/> *</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 40</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0323]
bach ein: so stellt er uns Neapel dar, eingehüllt in den Staub und die Gluth
des Südens, zudem in stark vortretender Staffage seine Menschen, wie sie in
der Zufälligkeit des täglichen Daseins auf der Straße sich umtreiben, Lazzaroni
und Engländer in der Lächerlichkeit ihres Gegensatzes. Die Illusion des süd¬
lichen Paradieses erscheint absichtlich zerstört, und doch soll wieder der heiße
glühende Ton des italienischen Abendhimmels, über das Bild ausgebreitet,
ihm eine Art von Stimmung geben: eine Mischung von halb barrocker, halb
malerischer Auffassung, die eine Gesammtwirkung unmöglich macht und von
vornherein wenig Künstlerisches hat.
In der Verschiedenheit und dem Wettstreit der Richtungen, welche nun
durch fast alle Zweige der modernen Malerei durchgehen, zeigt sich ein lebendiges
Streben, das dem Fortgang der Kunst nur günstig sein kann. Aber ebenso
bemerklich macht sich eine gewisse Zerfahrenheit der Anschaung, eine lose, rath¬
los herumtastende Beziehung zur Stoffwelt, ein unsicheres Schwanken zwischen
erfüllter ausdrucksvoller und blos naturwahrer Erscheinung, endlich ein unklares,
zufälliges Experimentiren in der Behandlung und ein bedenkliches Sichvordrängen
des äußerlichen technischen Geschicks. Daher die Unselbständigkeit, mit der man
sich bald an belgische, bald an französische Schulen anschließt, andererseits die
blinde Hartnäckigkeit, mit der sich Andere auf die eigene Naturanschauung, em¬
pfindlich jeden fremden Einfluß zurückweisend, steifen. Unzweifelhaft ist es ein
richtiges Gefühl, daß die Neueren das Wesen der Malerei, d. h. das Male¬
rische festzuhalten und durchzuführen suchen. Aber abgesehen von der Gefahr
der Einseitigkeit, von der oben die Rede war, liegt ihnen der Abweg nahe,
über der Selbständigkeit des Scheins die Bedeutung des Gegenstandes, das
Was der Darstellung allzugering anzuschlagen. Daß das Studium der alten
Kunst vor jener Einseitigkeit bewahren kann, ist schon früher bemerkt; aber
auch gegen diesen Irrthum kann ihr unvergängliches Muster schützen, denn auch
in der vorwiegend malerischen Erscheinung spricht sich jedesmal ein inneres
Leben aus, und gerade darin liegt ihr ewig wirksamer Zauber. Wer an den
alten Meistern die Erscheinung in diesem erfüllten unendlichen Sinne zu sehen
sich gewöhnt hat, der wird sich nicht leicht mit einem etwa mysteriösen, aber
unbestimmten und in einen leeren Reiz verschwimmenden malerischen Schein be¬
gnügen.
So kommen wir hier darauf zurück, daß die moderne deutsche Malerei vor
Allem in die Schule der großen italienischen Zeit zu gehen habe, nur um so mehr,
als es ihr selber an einer lebendigen Ueberlieferung und einem bestimmten In¬
halt gebricht, an den sie sich halten und aus sich selber bilden könnte. Hat
sie einmal den Sinn für das Künstlerische, für die gehaltvolle und vollendete
Erscheinung des Lebens fest in sich ausgeprägt, so wird sie leicht finden, was
sich so darstellen, wie sich die Gegenwart malerisch fassen lasse, und belebend
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