Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.liegt er doch nicht bei jeder Wissenschaft gleich nahe. Bei Humboldt lag die So wird man immer wieder auf ein Denkmal, d. h. auf eine Statue liegt er doch nicht bei jeder Wissenschaft gleich nahe. Bei Humboldt lag die So wird man immer wieder auf ein Denkmal, d. h. auf eine Statue <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0310" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116238"/> <p xml:id="ID_1050" prev="#ID_1049"> liegt er doch nicht bei jeder Wissenschaft gleich nahe. Bei Humboldt lag die<lb/> Sache anders. Die Entdeckungsreisen für Natur- und Erdkunde sind noch<lb/> ein. besonders wichtiger Theil jener wissenschaftlichen Forschungen, gerade'sie<lb/> nehmen große Summen in Anspruch, und in dieser Hinsicht waren die Deut¬<lb/> schen gegen andere Culturvölker, welche ihre Reisenden leicht und reichlich aus¬<lb/> statten, bis jetzt in beschämenden Nachtheil. Nun würde man allerdings auch<lb/> für die deutsche Altertumswissenschaft bei einer „Grimmstiftung" fördernde<lb/> Zwecke sehr wohl finden können. Man könnte z. B. Glossensammlungen, min¬<lb/> der bedeutende Quellen des Mittelalters , ähnliche Unternehmungen, welche der<lb/> Buchhandel nicht ohne Unterstützung wagen kann, fördern. Aber abgesehen,<lb/> daß gerade solche Druckwerke zunächst für eine sehr kleine Anzahl von Fach¬<lb/> gelehrten Bedeutung haben, scheint uns auch zur Herausgabe derselben eine<lb/> solche monumentale Stiftung nicht vorzugsweise geeignet. Der Name Grimms<lb/> wird dabei sehr bald zu einer fast zufälligen Zuthat. Es'ist vielmehr die<lb/> Aufgabe der Fürsten, Regierungen und freien Vereine von Privaten, das<lb/> nach dieser Richtung gerade Wünschenswerthe durch Zuschüsse zu ermög¬<lb/> lichen. Auch darf man sagen, daß für Quellensammlungen, wenn auch<lb/> nicht vorzugsweise auf dem Gebiet der deutschen Sprachwissenschaft, gegen¬<lb/> wärtig durch die Munificenz einzelner Fürsten, vor andern des Königs von<lb/> Bayern, und durch Vereinsthätigkeit sehr viel Rühmliches geschieht. Grimm<lb/> selbst hat mit seinem Bruder die umfangreichste und eine der populärsten Ar¬<lb/> beiten seines Lebens begonnen, aber nicht zu Ende geführt, das deutsche<lb/> Wörterbuch. So lange aber Herrn Hirzel, dem Verleger des Werkes, durch die<lb/> Theilnahme des Publicums die Möglichkeit gegeben ist, dasselbe ohne Unter¬<lb/> stützung Von irgend einer Seite zu vollenden, ist auch für diesen nächstliegenden<lb/> Zweck die Begründung einer Stiftung nicbt geboten. Zweitens aber leidet<lb/> eine solche Stiftung zu streng wissenschaftlichen Zwecken selbstverständlich an dem<lb/> Uebelstand, daß durch ihr Zustandekommen nur die Theilnahme eines kleineren<lb/> Kreises lebhaft erregt wird. Sammlungen, welche dafür eingeleitet werden, haben<lb/> auf eine reichliche Betheiligung des Volkes nicht zu rechnen. Wenn die Ge¬<lb/> lehrten vom Fach nach dieser Richtung etwas zum Gedächtniß Jacob Grimms<lb/> thun wollen, wird ein solcher Beschluß an sich gewiß sehr löblich sein, die<lb/> Gefahr ist nur, daß durch solche Sammlungen in kleinerem Kreise möglicherweise<lb/> nichts erzielt wird, was nach Capital und Leistungswerth des Todten völlig<lb/> würdig ist, und daß eine Zersplitterung der Beiträge stattfindet, welche das<lb/> Zustandekommen einer mehr populären Erinnerung an den Todten erschwert.</p><lb/> <p xml:id="ID_1051"> So wird man immer wieder auf ein Denkmal, d. h. auf eine Statue<lb/> Jacob Grimms, als die nach allen Seiten zweckentsprechendste Ehre, welche das<lb/> Volk einem theuren Mann erweisen kann, hingeführt. Und diesen Gedanken<lb/> wünschen wir den Deutschen ans Herz zu legen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0310]
liegt er doch nicht bei jeder Wissenschaft gleich nahe. Bei Humboldt lag die
Sache anders. Die Entdeckungsreisen für Natur- und Erdkunde sind noch
ein. besonders wichtiger Theil jener wissenschaftlichen Forschungen, gerade'sie
nehmen große Summen in Anspruch, und in dieser Hinsicht waren die Deut¬
schen gegen andere Culturvölker, welche ihre Reisenden leicht und reichlich aus¬
statten, bis jetzt in beschämenden Nachtheil. Nun würde man allerdings auch
für die deutsche Altertumswissenschaft bei einer „Grimmstiftung" fördernde
Zwecke sehr wohl finden können. Man könnte z. B. Glossensammlungen, min¬
der bedeutende Quellen des Mittelalters , ähnliche Unternehmungen, welche der
Buchhandel nicht ohne Unterstützung wagen kann, fördern. Aber abgesehen,
daß gerade solche Druckwerke zunächst für eine sehr kleine Anzahl von Fach¬
gelehrten Bedeutung haben, scheint uns auch zur Herausgabe derselben eine
solche monumentale Stiftung nicht vorzugsweise geeignet. Der Name Grimms
wird dabei sehr bald zu einer fast zufälligen Zuthat. Es'ist vielmehr die
Aufgabe der Fürsten, Regierungen und freien Vereine von Privaten, das
nach dieser Richtung gerade Wünschenswerthe durch Zuschüsse zu ermög¬
lichen. Auch darf man sagen, daß für Quellensammlungen, wenn auch
nicht vorzugsweise auf dem Gebiet der deutschen Sprachwissenschaft, gegen¬
wärtig durch die Munificenz einzelner Fürsten, vor andern des Königs von
Bayern, und durch Vereinsthätigkeit sehr viel Rühmliches geschieht. Grimm
selbst hat mit seinem Bruder die umfangreichste und eine der populärsten Ar¬
beiten seines Lebens begonnen, aber nicht zu Ende geführt, das deutsche
Wörterbuch. So lange aber Herrn Hirzel, dem Verleger des Werkes, durch die
Theilnahme des Publicums die Möglichkeit gegeben ist, dasselbe ohne Unter¬
stützung Von irgend einer Seite zu vollenden, ist auch für diesen nächstliegenden
Zweck die Begründung einer Stiftung nicbt geboten. Zweitens aber leidet
eine solche Stiftung zu streng wissenschaftlichen Zwecken selbstverständlich an dem
Uebelstand, daß durch ihr Zustandekommen nur die Theilnahme eines kleineren
Kreises lebhaft erregt wird. Sammlungen, welche dafür eingeleitet werden, haben
auf eine reichliche Betheiligung des Volkes nicht zu rechnen. Wenn die Ge¬
lehrten vom Fach nach dieser Richtung etwas zum Gedächtniß Jacob Grimms
thun wollen, wird ein solcher Beschluß an sich gewiß sehr löblich sein, die
Gefahr ist nur, daß durch solche Sammlungen in kleinerem Kreise möglicherweise
nichts erzielt wird, was nach Capital und Leistungswerth des Todten völlig
würdig ist, und daß eine Zersplitterung der Beiträge stattfindet, welche das
Zustandekommen einer mehr populären Erinnerung an den Todten erschwert.
So wird man immer wieder auf ein Denkmal, d. h. auf eine Statue
Jacob Grimms, als die nach allen Seiten zweckentsprechendste Ehre, welche das
Volk einem theuren Mann erweisen kann, hingeführt. Und diesen Gedanken
wünschen wir den Deutschen ans Herz zu legen.
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