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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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eichter zum Abschluß zu bringen waren, aber ohne die ihr durch königliche
Huld zugewiesenen Mittel kaum in das Leben zu führen schienen. -- So ist
die Fortsetzung von Jakob Grimms Weisthümern den Unternehmungen der
Commission eingereiht worden; bekanntlich hat den vierten Band derselben der
verewigte Meister noch selbst vollendet, und auch den Schlußband hofft man
aus dessen Nachlasse bald veröffentlichen zu können. Grimm hatte in der
ersten Plenarversammlung der Commission die Herausgabe der reichen Supple¬
mente zum bayerischen Wörterbuch, welche sich in Schmellers Nachlaß finden,
als eine Ehrenschuld hingestellt, welche man dem Andenken des großen Sprach¬
forschers abzutragen habe: dieser Anregung folgend, übertrug die Commission
dem Professor Konrad Hofmann die Bearbeitung des schmellerschen Nachlasses,
die aber so große Schwierigkeiten verursachte, daß Grimm die Verwirklichung
seines Wunsches nicht mehr erlebtes Die Hindernisse, mit denen man bei die¬
sem Unternehmen zu kämpfen hatte, scheinen nun endlich glücklich beseitigt, und
der Druck des schmellerschen Nachlasses, dessen Herausgabe jetzt eine doppelte
Ehrenschuld für die Commission geworden ist, wird hoffentlich ohne Unter¬
brechung fortgeführt werden können. -- Auch ein drittes von Grimm ange¬
regtes Unternehmen ist nicht bei seinen Lebzeiten zum Abschluß gediehen: es
ist die übersichtliche Zusammenstellung des historischen Inhalts der mittelhoch¬
deutschen Dichtungen, welche die Commission dem Dr. Holland Hierselbst über¬
trug. Grimm hat noch in seinen letzten Lebenstagen einen bedeutenden Theil
der Handschrift des Bearbeiters in Händen gehabt, aber die Commission hat
sich seiner weiteren Absichten nicht mehr vergewissern können und muß die Art
und Weise der Publication späterer Beschlußnahme vorbehalten. Ein verwandtes
Unternehmen, die Sammlung deutscher historischer Lieder, ist indessen soweit
vorgeschritten, daß es bald an die Oeffentlichkeit treten kann. Diese Samm¬
lung wurde aus Droysens Antrag unternommen und erhielt in dem Cabinets-
rath v. Liliencron zu Meiningen den geeignetsten Bearbeiter; mit größter Sorg¬
falt ist das weitzerstreute Material zusammengebracht, gesichtet und kritisch be¬
arbeitet. In vier mäßigen Bänden wird demnächst die Publication erfolgen,
der Druck des ersten Bandes binnen Jahresfrist beginnen und dann ununter
brechen fortgeführt werden. Die Sammlung deutscher Rechtssprichwörter, welche
unter Mitwirkung der Professoren Bluntschli und K. Maurer die Münchener
Rechtspraktikanten Ed. Graf und Matth. Dietherr bearbeitet haben, ist bereits
dem Publicum übergeben, und das ebenso reichhaltige wie handliche Buch
wird gewiß aller Orten günstige Aufnahme finden.

Doch nicht allein die Ansammlung und kritische Bearbeitung unbekannter
oder bisher nur ungenügend veröffentlichter Materialien hatte die Commission
nach den Intentionen ihres Gründers in das Auge zu fassen: sie sollte
zugleich der historischen Forschung und Darstellung ein weites Feld öffnen


eichter zum Abschluß zu bringen waren, aber ohne die ihr durch königliche
Huld zugewiesenen Mittel kaum in das Leben zu führen schienen. — So ist
die Fortsetzung von Jakob Grimms Weisthümern den Unternehmungen der
Commission eingereiht worden; bekanntlich hat den vierten Band derselben der
verewigte Meister noch selbst vollendet, und auch den Schlußband hofft man
aus dessen Nachlasse bald veröffentlichen zu können. Grimm hatte in der
ersten Plenarversammlung der Commission die Herausgabe der reichen Supple¬
mente zum bayerischen Wörterbuch, welche sich in Schmellers Nachlaß finden,
als eine Ehrenschuld hingestellt, welche man dem Andenken des großen Sprach¬
forschers abzutragen habe: dieser Anregung folgend, übertrug die Commission
dem Professor Konrad Hofmann die Bearbeitung des schmellerschen Nachlasses,
die aber so große Schwierigkeiten verursachte, daß Grimm die Verwirklichung
seines Wunsches nicht mehr erlebtes Die Hindernisse, mit denen man bei die¬
sem Unternehmen zu kämpfen hatte, scheinen nun endlich glücklich beseitigt, und
der Druck des schmellerschen Nachlasses, dessen Herausgabe jetzt eine doppelte
Ehrenschuld für die Commission geworden ist, wird hoffentlich ohne Unter¬
brechung fortgeführt werden können. — Auch ein drittes von Grimm ange¬
regtes Unternehmen ist nicht bei seinen Lebzeiten zum Abschluß gediehen: es
ist die übersichtliche Zusammenstellung des historischen Inhalts der mittelhoch¬
deutschen Dichtungen, welche die Commission dem Dr. Holland Hierselbst über¬
trug. Grimm hat noch in seinen letzten Lebenstagen einen bedeutenden Theil
der Handschrift des Bearbeiters in Händen gehabt, aber die Commission hat
sich seiner weiteren Absichten nicht mehr vergewissern können und muß die Art
und Weise der Publication späterer Beschlußnahme vorbehalten. Ein verwandtes
Unternehmen, die Sammlung deutscher historischer Lieder, ist indessen soweit
vorgeschritten, daß es bald an die Oeffentlichkeit treten kann. Diese Samm¬
lung wurde aus Droysens Antrag unternommen und erhielt in dem Cabinets-
rath v. Liliencron zu Meiningen den geeignetsten Bearbeiter; mit größter Sorg¬
falt ist das weitzerstreute Material zusammengebracht, gesichtet und kritisch be¬
arbeitet. In vier mäßigen Bänden wird demnächst die Publication erfolgen,
der Druck des ersten Bandes binnen Jahresfrist beginnen und dann ununter
brechen fortgeführt werden. Die Sammlung deutscher Rechtssprichwörter, welche
unter Mitwirkung der Professoren Bluntschli und K. Maurer die Münchener
Rechtspraktikanten Ed. Graf und Matth. Dietherr bearbeitet haben, ist bereits
dem Publicum übergeben, und das ebenso reichhaltige wie handliche Buch
wird gewiß aller Orten günstige Aufnahme finden.

Doch nicht allein die Ansammlung und kritische Bearbeitung unbekannter
oder bisher nur ungenügend veröffentlichter Materialien hatte die Commission
nach den Intentionen ihres Gründers in das Auge zu fassen: sie sollte
zugleich der historischen Forschung und Darstellung ein weites Feld öffnen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/282>, abgerufen am 15.01.2025.