Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.dirai die Honneurs macht, ist fast ausschließlich mit Herrn gefüllt, oft in Gala- In dem Gewühl fällt uns eine Gestalt in päpstlicher Kämmerlingsuniform auf. 30"
dirai die Honneurs macht, ist fast ausschließlich mit Herrn gefüllt, oft in Gala- In dem Gewühl fällt uns eine Gestalt in päpstlicher Kämmerlingsuniform auf. 30"
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dirai die Honneurs macht, ist fast ausschließlich mit Herrn gefüllt, oft in Gala-
tracht; der schwarze Frack darunter nur in trauriger Vereinzelung. Im zwei¬
ten Zimmer empfangt die Herzogin v. Sermoneta die Damen, sie thut es dem'
Cardinal zu Gefallen, der ein langjähriger Freund ihres Hauses ist. In den
andern Gemächern mischt sich die Gesellschaft mehr durcheinander. Allgemein
fallen die Engländerinnen auf durch die stolze Schönheit, ihrer Gestalten, die
blühende Frische ihrer Gesichter, sie schlagen die geschmackvoll gekleideten graziösen
Französinnen und die römische Damenwelt vollkommen aus dem Felde; denn die
Aristokratie des Landes, die in stolzer Exclusivität nur unter einander heirathet,
ist äußerlich, wie innerlich ziemlich verkommen, ihre Erscheinung meist dürftig
und klein, weder schon ihr Benehmen vornehm und fürstlich ist. Heute sind
auch sie alle im höchsten Glänze erschienen, in den Haaren glänzen die kost¬
barsten Brillantdiadcmc, und gelbe, blaue, rothe Sammtroben, an denen
übrigens die nicht immer sauberen Finger der Kammerzofen bemerkliche Spuren
hinterlassen haben, bilden ein Gewirr von Hindernissen, durch welches sich hin¬
durch zu arbeiten nicht immer leicht ist. schlicht und bürgerlich mischen sich
darunter einige Gestalten in einfachen dunkeln Kleidern, meist deutsche Damen,
die auch einmal diese Pracht haben ansehen wollen. In einem kleinen Hinter¬
gemache ist eine Pyramide von Dolchen, Pistolen, Messern u. d. g. aufgepflanzt,
an deren einigen sogar die Etikette „vergiftet" angebracht ist. Ein preußischer
Offizier, der in Schleswig-holsteinischen Diensten gestanden, äußerte den kecken
Gedanken: am Ende sei der Herr Cardinal früher Brigant gewesen und habe
diese Sammlung von Instrumenten seines ehemaligen Berufs als ein Zeichen
aufgepflanzt, wie sich die Zeiten ändern können, und in der That, solche Ver¬
muthungen überschreiten die Sphäre der Möglichkeit durchaus nicht. Aber ein Herr,
der neben uns stand, und diese deutsch geflüsterten Worte hörte, berichtete, daß
Cardinal Pentini im Jahre 1848 die aufständischen Bewohner von Civita
Vecchia beschwichtigt und sie vermocht habe, ihre Waffen ihm auszuliefern.
Nun, da hatte Se. Eminenz Muth und Verstand gezeigt, und wir mögen ihm
deshalb die kleine Genugthuung wohl gönnen.
In dem Gewühl fällt uns eine Gestalt in päpstlicher Kämmerlingsuniform auf.
Man sieht dem Manne an, die ganze Gesellschaft behagt ihm nicht, und das
glänzende Kleid ist ihm unbequem; unruhig springt er herum, sein Gesicht,
sein ganzes Benehmen hat etwas Faunisches. Es ist Don Michel Angelo Cas-
tani Herzog v. Sermoneta, der geistreichste und liberalste aller römischen Prin¬
zen, der erste Kenner Dantes, von dem er jedes Wort auswendig weiß. Er
meidet sonst solche Zusammenkünfte, und nur seinem Freunde Pentini zu Liebe
ist er heule mit seiner Familie gekommen; denn er haßt das ganze päpstliche
Regiment aus tiefster Seele. Allgemein gefürchtet wegen seiner scharfen spitzigen
Zunge, aber vorsichtig und mißtrauisch, schüttet er nur Fremden gegenüber
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