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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

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So ist denn die Natur in Amerika mit der natürlichen Trägheit des Men-
sehen im Bunde, um den Ackerbauer auf der niedrigsten Stufe seines Berufs
festzuhalten. Im Süden ist er darauf geblieben, in den Mittelstaaten erhob
deutscher Fleiß teilweise über dieselbe. Bei den Yankees wurden jene Hinder¬
nisse der Entwickelung durch rauhes Klima, ärmern Boden, die von England
mitgebrachte Gewohnheit des Nachdenkens und den Handelsgeist der Bevölkerung
frühzeitig gebrochen. Der Yankee-Farmer wurde zugleich Industrieller und Kauf¬
mann. In der Regel wirft er sich vorwiegend auf einen Zweig der Landwirth-
schaft. In der Nähe volkreicher Orte wandert aller Ertrag seiner Farm in die
Kühe und die Milch. Weiter von Städten entfernt, verwandelt er diesen Er¬
trag soweit möglich in Butter und Käse, oder in Schlachtvieh, oder er legt sich
nur auf Wolle, nur auf Gemüsebau, nur auf Baumschulproducte, Pferdezucht
oder Heuerzeugung u. d. in. Große Getreidefelder sieht man nirgends, dagegen
häusig schöne Viehheerden, da sich Neuengland seiner reichen Bewässerung halber
zur Viehzucht besonders eignet und veredelte Racen hier nicht so leicht ausarten
als im Westen und Süden. Fast jedes Feld wird in einer drei-, vier- oder
fünfjährigen Fruchtwechselperiode einmal mit Grassamen bestellt und auf ein
oder zwei Jahre zur Wiese gemacht, und ebenso verwandelt man gänzlich er¬
schöpftes Land mittelst Guano in Weiden, um es, nachdem das Vieh es weiter
fruchtbar gemacht, mit Klee zu besäen. Durch Entwässerung und Untergrund¬
pflüge werden andere Strecken Landes nutzbar gemacht, und auch sonst ist unter
diesen Yankeefcmnern viel rüstiger Fortschritt zu finden. Sie besitzen trefflich
redigirte landwirtschaftliche Zeitungen, lesen Bücher über ihr Fach, haben Acker¬
bauschulen, landwirthschaftliche Ausstellungen, agronomische Gesellschaften, welche
überall nützliche Kenntnisse, gute Sämereien, Stecklinge und Pfropfreiser ver¬
breiten u. s. w.

Im Ganzen ist indeß der Yankee der Landwirthschaft nicht recht geneigt,
und nur zu gern ergreift er jede Gelegenheit, zu einem andern Beruf überzugehen,
besonders zur Industrie und zum Handel, bei denen sich schneller ein Vermögen
erwerben läßt. Zehntausende wenden sich auf diese Weise jährlich in die Städte,
und andere Zehntausende wandern nach dem fernen Westen, nach Kansas, Ne-
braska und Oregon aus, wo sie durch das rasche Steigen des Bodenwerthes
ohne Mühe reich zu werden hoffen. So gibt es in Neuengland Tausende von
Farmer, die weit unter ihrem wahren Werthe zu haben sind, während das
rohe Land in Westen gewöhnlich mit mehr als seinem gegenwärtigen wahren
Werthe bezahlt wird. Und hierauf sollte die deutsche Einwanderung mehr als
bis jetzt geschehen aufmerksam gemacht werden. Hunderttausende deutscher
Ackerbauer könnten im Yankeelande vollkommen eingerichtete Farmer um ein
Billiges erwerben. Die Reise hierher ist wohlfeiler, die Löhne für solche,
welche als Farmarbeiter von unten auf dienen wollen, sind höher, der Umgang


So ist denn die Natur in Amerika mit der natürlichen Trägheit des Men-
sehen im Bunde, um den Ackerbauer auf der niedrigsten Stufe seines Berufs
festzuhalten. Im Süden ist er darauf geblieben, in den Mittelstaaten erhob
deutscher Fleiß teilweise über dieselbe. Bei den Yankees wurden jene Hinder¬
nisse der Entwickelung durch rauhes Klima, ärmern Boden, die von England
mitgebrachte Gewohnheit des Nachdenkens und den Handelsgeist der Bevölkerung
frühzeitig gebrochen. Der Yankee-Farmer wurde zugleich Industrieller und Kauf¬
mann. In der Regel wirft er sich vorwiegend auf einen Zweig der Landwirth-
schaft. In der Nähe volkreicher Orte wandert aller Ertrag seiner Farm in die
Kühe und die Milch. Weiter von Städten entfernt, verwandelt er diesen Er¬
trag soweit möglich in Butter und Käse, oder in Schlachtvieh, oder er legt sich
nur auf Wolle, nur auf Gemüsebau, nur auf Baumschulproducte, Pferdezucht
oder Heuerzeugung u. d. in. Große Getreidefelder sieht man nirgends, dagegen
häusig schöne Viehheerden, da sich Neuengland seiner reichen Bewässerung halber
zur Viehzucht besonders eignet und veredelte Racen hier nicht so leicht ausarten
als im Westen und Süden. Fast jedes Feld wird in einer drei-, vier- oder
fünfjährigen Fruchtwechselperiode einmal mit Grassamen bestellt und auf ein
oder zwei Jahre zur Wiese gemacht, und ebenso verwandelt man gänzlich er¬
schöpftes Land mittelst Guano in Weiden, um es, nachdem das Vieh es weiter
fruchtbar gemacht, mit Klee zu besäen. Durch Entwässerung und Untergrund¬
pflüge werden andere Strecken Landes nutzbar gemacht, und auch sonst ist unter
diesen Yankeefcmnern viel rüstiger Fortschritt zu finden. Sie besitzen trefflich
redigirte landwirtschaftliche Zeitungen, lesen Bücher über ihr Fach, haben Acker¬
bauschulen, landwirthschaftliche Ausstellungen, agronomische Gesellschaften, welche
überall nützliche Kenntnisse, gute Sämereien, Stecklinge und Pfropfreiser ver¬
breiten u. s. w.

Im Ganzen ist indeß der Yankee der Landwirthschaft nicht recht geneigt,
und nur zu gern ergreift er jede Gelegenheit, zu einem andern Beruf überzugehen,
besonders zur Industrie und zum Handel, bei denen sich schneller ein Vermögen
erwerben läßt. Zehntausende wenden sich auf diese Weise jährlich in die Städte,
und andere Zehntausende wandern nach dem fernen Westen, nach Kansas, Ne-
braska und Oregon aus, wo sie durch das rasche Steigen des Bodenwerthes
ohne Mühe reich zu werden hoffen. So gibt es in Neuengland Tausende von
Farmer, die weit unter ihrem wahren Werthe zu haben sind, während das
rohe Land in Westen gewöhnlich mit mehr als seinem gegenwärtigen wahren
Werthe bezahlt wird. Und hierauf sollte die deutsche Einwanderung mehr als
bis jetzt geschehen aufmerksam gemacht werden. Hunderttausende deutscher
Ackerbauer könnten im Yankeelande vollkommen eingerichtete Farmer um ein
Billiges erwerben. Die Reise hierher ist wohlfeiler, die Löhne für solche,
welche als Farmarbeiter von unten auf dienen wollen, sind höher, der Umgang


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/238>, abgerufen am 15.01.2025.