Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.sitzt als jener, auch in der Politik bereits indirect Einfluß übt. Der linke Die Ehe- und Familienbande sind bekanntlich in Amerika ungleich weniger Dazu trägt wesentlich bei, daß der echte Yankee kein Wirthshaus besucht, sitzt als jener, auch in der Politik bereits indirect Einfluß übt. Der linke Die Ehe- und Familienbande sind bekanntlich in Amerika ungleich weniger Dazu trägt wesentlich bei, daß der echte Yankee kein Wirthshaus besucht, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0232" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116160"/> <p xml:id="ID_847" prev="#ID_846"> sitzt als jener, auch in der Politik bereits indirect Einfluß übt. Der linke<lb/> Flügel geht weiter, indem er außerdem „freie Liebe", d. h. Hinwegräumung<lb/> aller Gesetze gegen Ehescheidung, Doppelehe, Vielweiberei u. d. verlangt.<lb/> Forderungen, die indeß nur wenig Stimmen für sich haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_848"> Die Ehe- und Familienbande sind bekanntlich in Amerika ungleich weniger<lb/> innig als in Europa und vorzüglich in Deutschland. Sehr häufig kommen<lb/> Entführungen von Ehefrauen, bösliche Verlassungen der letztern von Seiten<lb/> ihrer Männer vor, ebenso oft freiwillige Trennungen unverträglicher Paare,<lb/> selten goldne und silberne Hochzeiten. Der Umgang der Gatten erscheint dem<lb/> deutschen Beobachter kalt und förmlich, das Verhältniß der Kinder zu den El¬<lb/> tern, der Geschwister zu einander wenig herzlich. Höchst, selten theilt die Frau<lb/> die Geschäftssorgen oder die Berufsarbeiten des Mannes, und fast immer sind<lb/> ihre Ansprüche auf Putz und Vergnügen größer als ihre Leistungen im Hause.<lb/> Ihre Mitwirkung in der Küche und beim Jnstandhalten der Wäsche und. der<lb/> Wirthschaft überhaupt ist durchschnittlich von wenig Bedeutung. Die Kinder-<lb/> erziehung besteht bei ihr in der Regel darin, daß sie die Kinder thun und las¬<lb/> sen läßt, was ihnen beliebt. Alles dies gilt auch von dem Familienleben der<lb/> Aare'ces, doch in viel geringerem Grade als anderwärts in Nordamerika. In<lb/> Neuengland findet man zahlreiche Hausfrauen, welche gute Erzieherinnen,<lb/> Wirtschafterinnen und Köchinnen sind, welche ihren Männern in ihren Berufs¬<lb/> arbeiten beistehen, ja welche ihre Familie allein ernähren. Die Frauen der<lb/> Farmer sind gewöhnlich arbeitsam und wirthschaftlich, wenn sie aucU nie¬<lb/> mals auf dem Felde oder selten im Garten und Stall helfen. Endlich ist die<lb/> allgemeine amerikanische Sitte, daß junge noch kinderlose Ehepaare, statt einen<lb/> eignen Haushalt zu gründen, in Kosthäusern (doa-i-äinZ llousss) wohnen, un¬<lb/> ter den Ncuengländcrn nicht so häusig zu finden als anderswo. Ueberhaupt<lb/> aber begegnet man hier mehr ehelicher Zärtlichkeit und Treue, mehr elterlicher,<lb/> kindlicher und geschwisterlicher Liebe, mehr kindlichem Gehorsam und mehr<lb/> gegenseitiger Anhänglichkeit selbst unter entfernten Verwandten als irgend wo<lb/> anders in der Union. Ist das Familienleben der Uankees nicht deutsch-innig,<lb/> so ist es doch still, friedlich und behaglich.</p><lb/> <p xml:id="ID_849"> Dazu trägt wesentlich bei, daß der echte Yankee kein Wirthshaus besucht,<lb/> kein Stammgastleben.bkeine Clubs, Casinos, Ressourcen u. d. kennt, sondern<lb/> entweder des Abends zu Hause oder zu politischen, literarischen oder musika¬<lb/> lischen Versammlungen geht und dabei meist von seiner Frau begleitet wird.<lb/> Dorfschenken sind in Neuengland unbekannt, die Wirthshäuser in den Städten<lb/> werden fast nur von Eingewanderten frequentirt. Die Freimaurerei und das<lb/> Oddfellowthum, welche in Amerika eine Rolle spielen wie nirgends in Europa,<lb/> und die dort in gewissem Grade an die Stelle des Wirthshauslebens treten,<lb/> haben in Neuengland verhältnißmäßig nur geringen Anklang gefunden.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0232]
sitzt als jener, auch in der Politik bereits indirect Einfluß übt. Der linke
Flügel geht weiter, indem er außerdem „freie Liebe", d. h. Hinwegräumung
aller Gesetze gegen Ehescheidung, Doppelehe, Vielweiberei u. d. verlangt.
Forderungen, die indeß nur wenig Stimmen für sich haben.
Die Ehe- und Familienbande sind bekanntlich in Amerika ungleich weniger
innig als in Europa und vorzüglich in Deutschland. Sehr häufig kommen
Entführungen von Ehefrauen, bösliche Verlassungen der letztern von Seiten
ihrer Männer vor, ebenso oft freiwillige Trennungen unverträglicher Paare,
selten goldne und silberne Hochzeiten. Der Umgang der Gatten erscheint dem
deutschen Beobachter kalt und förmlich, das Verhältniß der Kinder zu den El¬
tern, der Geschwister zu einander wenig herzlich. Höchst, selten theilt die Frau
die Geschäftssorgen oder die Berufsarbeiten des Mannes, und fast immer sind
ihre Ansprüche auf Putz und Vergnügen größer als ihre Leistungen im Hause.
Ihre Mitwirkung in der Küche und beim Jnstandhalten der Wäsche und. der
Wirthschaft überhaupt ist durchschnittlich von wenig Bedeutung. Die Kinder-
erziehung besteht bei ihr in der Regel darin, daß sie die Kinder thun und las¬
sen läßt, was ihnen beliebt. Alles dies gilt auch von dem Familienleben der
Aare'ces, doch in viel geringerem Grade als anderwärts in Nordamerika. In
Neuengland findet man zahlreiche Hausfrauen, welche gute Erzieherinnen,
Wirtschafterinnen und Köchinnen sind, welche ihren Männern in ihren Berufs¬
arbeiten beistehen, ja welche ihre Familie allein ernähren. Die Frauen der
Farmer sind gewöhnlich arbeitsam und wirthschaftlich, wenn sie aucU nie¬
mals auf dem Felde oder selten im Garten und Stall helfen. Endlich ist die
allgemeine amerikanische Sitte, daß junge noch kinderlose Ehepaare, statt einen
eignen Haushalt zu gründen, in Kosthäusern (doa-i-äinZ llousss) wohnen, un¬
ter den Ncuengländcrn nicht so häusig zu finden als anderswo. Ueberhaupt
aber begegnet man hier mehr ehelicher Zärtlichkeit und Treue, mehr elterlicher,
kindlicher und geschwisterlicher Liebe, mehr kindlichem Gehorsam und mehr
gegenseitiger Anhänglichkeit selbst unter entfernten Verwandten als irgend wo
anders in der Union. Ist das Familienleben der Uankees nicht deutsch-innig,
so ist es doch still, friedlich und behaglich.
Dazu trägt wesentlich bei, daß der echte Yankee kein Wirthshaus besucht,
kein Stammgastleben.bkeine Clubs, Casinos, Ressourcen u. d. kennt, sondern
entweder des Abends zu Hause oder zu politischen, literarischen oder musika¬
lischen Versammlungen geht und dabei meist von seiner Frau begleitet wird.
Dorfschenken sind in Neuengland unbekannt, die Wirthshäuser in den Städten
werden fast nur von Eingewanderten frequentirt. Die Freimaurerei und das
Oddfellowthum, welche in Amerika eine Rolle spielen wie nirgends in Europa,
und die dort in gewissem Grade an die Stelle des Wirthshauslebens treten,
haben in Neuengland verhältnißmäßig nur geringen Anklang gefunden.
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