Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.und man sich noch recht gut erinnerte, daß vor wenigen Wochen aus Anlaß Besonders erfreulich war es noch, daß die schwäbischen Städte, die größeren Grenzboten IV. 1863.28
und man sich noch recht gut erinnerte, daß vor wenigen Wochen aus Anlaß Besonders erfreulich war es noch, daß die schwäbischen Städte, die größeren Grenzboten IV. 1863.28
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und man sich noch recht gut erinnerte, daß vor wenigen Wochen aus Anlaß
einer Eisendahneröffnung zum nicht geringen Neid unserer östlichen Nach¬
barn Bahnhöfe und andere Staatsgebäude lustig in den deutschen Farben
prangten. Uebertriebener Beamteneifer verstand dann jene Anordnung in der
Praxis dahin, daß nur die schwarzrothe Farbe auch z. B. an Staatswoh¬
nungen sich blicken lassen dürfe, eine Beschränkung, die zu unangenehmen Scenen
und Conflicten führte, für welche die Minister selbst jede Verantwortung um
so bereitwilliger ablehnten, als die Beleidigung sehr conservative Beamte ge¬
troffen hatte- Auch sonst hatte übrigens die Feier von oben herab zwar keine
Hemmnisse, aber auch keine Förderung gefunden. Es war dem Militär jede
Theilnahme untersagt; im Hoftheater sollte ursprünglich Wilhelm Teil aufge¬
führt werden, aber auch diese Aufmerksamkeit wurde, wie man sagt um De¬
monstrationen zu verhüten, wieder rückgängig gemacht. Natürlich trugen diese
Vorgänge nicht dazu bei, der Feier einen loyaleren Charakter zu geben.
Besonders erfreulich war es noch, daß die schwäbischen Städte, die größeren
wenigstens, die Betheiligung am leipziger Hauptfest für ihre Pflicht erkannten.
Von dieser Theilnahme an der Centralfeier fiel gleichsam erst die rechte Be¬
leuchtung auf die einzelnen Localfeste. An Vorwänden, sich auf die letzteren
zu beschränken, hätte es freilich nach den Vorgängen in andern Provinzen
nicht gefehlt. Auch schien zuerst wirklich wenig Geneigtheit vorhanden, den
Städtctag zu beschicken. Aber wenn man anfänglich schwankend war, so halfen
gerade die Denunciationen, die zum Theil von Leipzig selbst ausgingen, die
Verdächtigungen, welche gewisse Leute auch bei diesem Anlaß sich nicht versagen
konnten, über alle Bedenken hinweg. Waren sie darauf berechnet, die Süd¬
deutschen abzuschrecken, so haben sie gerade den entgegengesetzten Erfolg gehabt,
Wenigstens Baden und Schwaben haben sich- dadurch nicht irre machen lassen.
Im Uebrigen ist es besser, über die traurigen Symptome, welche selbst bei dieser
Gelegenheit zu Tage traten, die Empfindlichkeiten, welche sich mit wenig Takt
hervordrängten, schweigend hinwegzugehen. Das Gelingendes Nationalfestes
ist die beste Antwort auf die ruhmlosen Versuche, es zu verkümmern. Im Grunde
sind auch jene Erfahrungen nur ein Beweis für die Unnatürlichkeit unsrer po¬
litischen Zustände. Das Geschlecht der leipziger Schlacht hat die Rettung der
deutschen Nation vollbracht, die Aufgabe der Gegenwart ist es, den deutschen
Staat zu finden. Hat das Fest der Befreiung diesen Gedanken gekräftigt, ist es
als ein weiteres Moment in der auf jenes Ziel gerichteten Entwickelung zu
verzeichnen, so ist es nicht vergeblich gefeiert worden.
Grenzboten IV. 1863.28
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