Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.die von derselben ergriffenen Stämme unmöglich eine Stütze der Reichseinheit Kurz von weicher Seite wir die Sache auch ansehen mögen, eine Ver¬ Gäbe es wirklich leine andere Politik für Oestreich, als die der Trocken¬ die von derselben ergriffenen Stämme unmöglich eine Stütze der Reichseinheit Kurz von weicher Seite wir die Sache auch ansehen mögen, eine Ver¬ Gäbe es wirklich leine andere Politik für Oestreich, als die der Trocken¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0117" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116045"/> <p xml:id="ID_416" prev="#ID_415"> die von derselben ergriffenen Stämme unmöglich eine Stütze der Reichseinheit<lb/> sein können; sie werden sich im günstigsten Falle gleichgiltig gegen dieselbe ver¬<lb/> halten und den centralisirenden Bestrebungen der Deutschen eben keine positiven<lb/> Hindernisse entgegensetzen. Auf das Eintreten dieses günstigsten Falles ist aber<lb/> zunächst gar nicht einmal zu rechnen; vielmehr wird ihr normales Verhalten<lb/> das einer fortgesetzten Opposition, nicht gegen dies oder jenes politische System,<lb/> sondern gegen die Gcsammtstaatsibee überhaupt sein, in welcher Gestalt sie<lb/> auch auftreten möge.</p><lb/> <p xml:id="ID_417"> Kurz von weicher Seite wir die Sache auch ansehen mögen, eine Ver¬<lb/> einigung der Deutschen und Slaven zum Zweck der Befestigung der Staats¬<lb/> einheit ist eins der wunderlichsten Hirngespinste, die in der Politik aufgetaucht<lb/> sind, hervorgegangen aus der lange Zeit hindurch mit Geschicklichkeit aus«<lb/> geübten verderblichen Routine, die Stärke der Gesammtheit auf die Rivalität<lb/> der Glieder begründen zu wollen. Diese Politik der Pfiffigkeit ist durch die<lb/> Februarära unberührt geblieben; sie ist das Lebensprincip des jungen, wie des<lb/> alten Oestreich. Daß sie sich gegenwärtig unter dem konstitutionellen Regime<lb/> bemüht, die Völker zu Mitschuldigen der Regierung zu machen, wird nicht dazu<lb/> beitragen, die Gefährlichkeit ihrer Wirkungen zu vermindern.</p><lb/> <p xml:id="ID_418" next="#ID_419"> Gäbe es wirklich leine andere Politik für Oestreich, als die der Trocken¬<lb/> legung Ungarns mit Hilfe der Slaven, so wäre die Lage des Reiches hoffnungs¬<lb/> los. Es würde nicht im Stande sein, einen Krieg zu bestehen, der seiner sla¬<lb/> vischen Bevölkerung nur von fern die Aussicht zur Verwirklichung ihrer Ideale<lb/> böte; nun ist aber kaum eine kriegerische Eventualität denkbar, die nicht wenigstens<lb/> auf eine» Theil der östreichischen Slaven aufreizend wirken würde. Eine ge¬<lb/> sunde Staatskunst würde darauf gerichtet sein müssen, Ungarn zu stärken und<lb/> ur das Interesse des Reiches zu ziehen. Und Letzteres kann einer Staatskunst,<lb/> bei der das äivicle et impöra nickt zur Maxime geworden ist, nicht allzu s chwer<lb/> fallen. Denn gerade Ungarn ist neben den deutschen Erbstaaten das einzige<lb/> unter den zur östreichischen Krone gehörigen Ländern, welches kein Interesse<lb/> an dem Verfall der Monarchie hat, das einzige, dessen Schwerpunkt nicht außer¬<lb/> halb der Grenzen der Monarchie fällt, sondern in ihm selbst ruht, das einzige,<lb/> welches durch die Bande einer Loyalität, die mehr als einmal die Probe be¬<lb/> standen hat, an das Kaiserhaus geknüpft ist. Wenn dessen ungeachtet Ungarn<lb/> der Regierung oft aM schroffste gegenübergetreten ist. wenn seine Opposition<lb/> sich einmal sogar bis zur offenen Revolution gesteigert hat, so ist dies eben<lb/> nur ein Beweis dafür, daß die östreichische Staatskunst trotz ihrer gerühmten<lb/> Klugheit zu geistlos ist. um den Geist, der das lebenskräftigste seiner Glie¬<lb/> der in reicher Fülle durchströmt, zur Belebung und Kräftigung des Ganzen<lb/> zu verwende»- Weil man unfähig ist, die Kraft zu lenken, sucht man<lb/> zu neutralisiren ^e» zu vernichten. Eine Staatskunst, die dadurch nicht</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0117]
die von derselben ergriffenen Stämme unmöglich eine Stütze der Reichseinheit
sein können; sie werden sich im günstigsten Falle gleichgiltig gegen dieselbe ver¬
halten und den centralisirenden Bestrebungen der Deutschen eben keine positiven
Hindernisse entgegensetzen. Auf das Eintreten dieses günstigsten Falles ist aber
zunächst gar nicht einmal zu rechnen; vielmehr wird ihr normales Verhalten
das einer fortgesetzten Opposition, nicht gegen dies oder jenes politische System,
sondern gegen die Gcsammtstaatsibee überhaupt sein, in welcher Gestalt sie
auch auftreten möge.
Kurz von weicher Seite wir die Sache auch ansehen mögen, eine Ver¬
einigung der Deutschen und Slaven zum Zweck der Befestigung der Staats¬
einheit ist eins der wunderlichsten Hirngespinste, die in der Politik aufgetaucht
sind, hervorgegangen aus der lange Zeit hindurch mit Geschicklichkeit aus«
geübten verderblichen Routine, die Stärke der Gesammtheit auf die Rivalität
der Glieder begründen zu wollen. Diese Politik der Pfiffigkeit ist durch die
Februarära unberührt geblieben; sie ist das Lebensprincip des jungen, wie des
alten Oestreich. Daß sie sich gegenwärtig unter dem konstitutionellen Regime
bemüht, die Völker zu Mitschuldigen der Regierung zu machen, wird nicht dazu
beitragen, die Gefährlichkeit ihrer Wirkungen zu vermindern.
Gäbe es wirklich leine andere Politik für Oestreich, als die der Trocken¬
legung Ungarns mit Hilfe der Slaven, so wäre die Lage des Reiches hoffnungs¬
los. Es würde nicht im Stande sein, einen Krieg zu bestehen, der seiner sla¬
vischen Bevölkerung nur von fern die Aussicht zur Verwirklichung ihrer Ideale
böte; nun ist aber kaum eine kriegerische Eventualität denkbar, die nicht wenigstens
auf eine» Theil der östreichischen Slaven aufreizend wirken würde. Eine ge¬
sunde Staatskunst würde darauf gerichtet sein müssen, Ungarn zu stärken und
ur das Interesse des Reiches zu ziehen. Und Letzteres kann einer Staatskunst,
bei der das äivicle et impöra nickt zur Maxime geworden ist, nicht allzu s chwer
fallen. Denn gerade Ungarn ist neben den deutschen Erbstaaten das einzige
unter den zur östreichischen Krone gehörigen Ländern, welches kein Interesse
an dem Verfall der Monarchie hat, das einzige, dessen Schwerpunkt nicht außer¬
halb der Grenzen der Monarchie fällt, sondern in ihm selbst ruht, das einzige,
welches durch die Bande einer Loyalität, die mehr als einmal die Probe be¬
standen hat, an das Kaiserhaus geknüpft ist. Wenn dessen ungeachtet Ungarn
der Regierung oft aM schroffste gegenübergetreten ist. wenn seine Opposition
sich einmal sogar bis zur offenen Revolution gesteigert hat, so ist dies eben
nur ein Beweis dafür, daß die östreichische Staatskunst trotz ihrer gerühmten
Klugheit zu geistlos ist. um den Geist, der das lebenskräftigste seiner Glie¬
der in reicher Fülle durchströmt, zur Belebung und Kräftigung des Ganzen
zu verwende»- Weil man unfähig ist, die Kraft zu lenken, sucht man
zu neutralisiren ^e» zu vernichten. Eine Staatskunst, die dadurch nicht
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |