Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

politisch bedeutungslosen windischen Districten abgesehen in Oestreich, Salchurg
Steiermark. Kärnten. Kram. Schlesien. Auch wollen wir Tirol hierher rech¬
nen, obgleich in dem südlichen Theile dieses Landes die italienische Nationali¬
tät entschieden überwiegt. Diese Kronländer zusammengenommen wählen 73
Abgeordnete. Ausschließlich von Slaven bewohnt ist Galizien mit Krakau.
welches 38, und Kroatien. Dalmatien. die Bukowina und Istrien. die
zusammen 25 Abgeordnete nach Wien schicken; also K3 Abgeordnete aus
rein slavischen Ländern. Dem slavischen Stamme gehört ferner ein große
Theil der böhmischen Abgeordneten an, und einige mährische. Aus Sieben¬
bürgen würden beide Nationalitäten etwa einen gleich starken Zuwachs erhalten.
Jedenfalls aber würde, wenn wir von Italien und Ungarn absehen, die deutsche
oder Gesammtstaatspartei (denn dies sind gegenwärtig gleichbedeutende Namen) die
Majorität behaupten, wie sich schon aus der numerischen Überlegenheit der unio-
nistischen Fractionen ergibt, die zusammen zur Zeit ihrer Bildung ungefähr
133 Mitglieder zählten, eine Zahl, die sich so viel ich weis,, in den verflossenen
zwei Jabren nicht verändert hat. Diese Fractionen gehören aber, einige
Ruthenen ausgenommen, fast ausschließlich der deutschen Nationalität an. wenn
auch viele unter ihnen slavische Namen führen, wodurch man sich indessen so
wenig irre machen lassen darf, als dadurch, daß man unter den eifrigsten Ver¬
tretern der slavischen Nationalität, und nicht blos in Oestreich, Männer mit
deutschen Namen findet. Es ist nun nicht zu verkennen, daß diese nationale
Einartigkeit der Partei der Gesammtstaatsmänner einen kräftigen innern Halt
und im engern Reichsrath ein starkes parlamentarisches Uebergewicht gibt. Es
wird ihnen das Uebergewicht ohne Zweifel auch dann noch bleiben, wenn die
Abgeordneten der bisher im Reichsrathe noch nicht vertretenen Länder außer
den 85 Ungar", die wir vorläufig noch unberücksichtigt lassen, und den 20
Italienern ihren Sitz eingenommen haben werden. Aber auf der andern Seite
ist essehr klar, daß gerade der Umstand, welcher der Gesammtstaatspartei eine
so große Geschlossenheit und Festigkeit in allen entscheidenden, die Organisation
der Monarchie betreffenden Fragen verleiht, zugleich ein Symptom von der
Schwäche der Gesammtstaatsidee selbst ist. insofern sich daraus die einfache
Folgerung ergibt, daß die Gesammtstaatsidee nur unter den deutschen Be¬
wohnern der Monarchie Anklang findet, und daß fast alle Nichtdeutsche Gegner
des Februarpatents sind. Wenn man sich dies Verhältniß in seiner ganzen Schroff¬
heit zum Bewußtsein bringt, so kann man sich der Ueberzeugung nicht verschließen,
daß die staatsrechtlichen Zustände Oestreichs völlig provisorisch sind,
und daß die Idee, die man auf dein Wege des Versassungsstaates zu verwirklichen
gesucht hat, seit dem Februar des Jahres 1861 keinen irgend erheblichen Fortschritt
gemacht hat und überhaupt niemals einen FoNschritt machen wird, so lange Herr
v- Schmerling und Ungarn einander ihr steriles von xossuinus entgegensetzen.


14*

politisch bedeutungslosen windischen Districten abgesehen in Oestreich, Salchurg
Steiermark. Kärnten. Kram. Schlesien. Auch wollen wir Tirol hierher rech¬
nen, obgleich in dem südlichen Theile dieses Landes die italienische Nationali¬
tät entschieden überwiegt. Diese Kronländer zusammengenommen wählen 73
Abgeordnete. Ausschließlich von Slaven bewohnt ist Galizien mit Krakau.
welches 38, und Kroatien. Dalmatien. die Bukowina und Istrien. die
zusammen 25 Abgeordnete nach Wien schicken; also K3 Abgeordnete aus
rein slavischen Ländern. Dem slavischen Stamme gehört ferner ein große
Theil der böhmischen Abgeordneten an, und einige mährische. Aus Sieben¬
bürgen würden beide Nationalitäten etwa einen gleich starken Zuwachs erhalten.
Jedenfalls aber würde, wenn wir von Italien und Ungarn absehen, die deutsche
oder Gesammtstaatspartei (denn dies sind gegenwärtig gleichbedeutende Namen) die
Majorität behaupten, wie sich schon aus der numerischen Überlegenheit der unio-
nistischen Fractionen ergibt, die zusammen zur Zeit ihrer Bildung ungefähr
133 Mitglieder zählten, eine Zahl, die sich so viel ich weis,, in den verflossenen
zwei Jabren nicht verändert hat. Diese Fractionen gehören aber, einige
Ruthenen ausgenommen, fast ausschließlich der deutschen Nationalität an. wenn
auch viele unter ihnen slavische Namen führen, wodurch man sich indessen so
wenig irre machen lassen darf, als dadurch, daß man unter den eifrigsten Ver¬
tretern der slavischen Nationalität, und nicht blos in Oestreich, Männer mit
deutschen Namen findet. Es ist nun nicht zu verkennen, daß diese nationale
Einartigkeit der Partei der Gesammtstaatsmänner einen kräftigen innern Halt
und im engern Reichsrath ein starkes parlamentarisches Uebergewicht gibt. Es
wird ihnen das Uebergewicht ohne Zweifel auch dann noch bleiben, wenn die
Abgeordneten der bisher im Reichsrathe noch nicht vertretenen Länder außer
den 85 Ungar», die wir vorläufig noch unberücksichtigt lassen, und den 20
Italienern ihren Sitz eingenommen haben werden. Aber auf der andern Seite
ist essehr klar, daß gerade der Umstand, welcher der Gesammtstaatspartei eine
so große Geschlossenheit und Festigkeit in allen entscheidenden, die Organisation
der Monarchie betreffenden Fragen verleiht, zugleich ein Symptom von der
Schwäche der Gesammtstaatsidee selbst ist. insofern sich daraus die einfache
Folgerung ergibt, daß die Gesammtstaatsidee nur unter den deutschen Be¬
wohnern der Monarchie Anklang findet, und daß fast alle Nichtdeutsche Gegner
des Februarpatents sind. Wenn man sich dies Verhältniß in seiner ganzen Schroff¬
heit zum Bewußtsein bringt, so kann man sich der Ueberzeugung nicht verschließen,
daß die staatsrechtlichen Zustände Oestreichs völlig provisorisch sind,
und daß die Idee, die man auf dein Wege des Versassungsstaates zu verwirklichen
gesucht hat, seit dem Februar des Jahres 1861 keinen irgend erheblichen Fortschritt
gemacht hat und überhaupt niemals einen FoNschritt machen wird, so lange Herr
v- Schmerling und Ungarn einander ihr steriles von xossuinus entgegensetzen.


14*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0115" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116043"/>
          <p xml:id="ID_413" prev="#ID_412"> politisch bedeutungslosen windischen Districten abgesehen in Oestreich, Salchurg<lb/>
Steiermark. Kärnten. Kram. Schlesien.  Auch wollen wir Tirol hierher rech¬<lb/>
nen, obgleich in dem südlichen Theile dieses Landes die italienische Nationali¬<lb/>
tät entschieden überwiegt.  Diese Kronländer zusammengenommen wählen 73<lb/>
Abgeordnete.  Ausschließlich von Slaven bewohnt ist Galizien mit Krakau.<lb/>
welches  38, und Kroatien. Dalmatien. die Bukowina und Istrien. die<lb/>
zusammen 25 Abgeordnete nach Wien schicken; also K3 Abgeordnete aus<lb/>
rein slavischen Ländern.  Dem slavischen Stamme gehört ferner ein große<lb/>
Theil der böhmischen Abgeordneten an, und einige mährische.  Aus Sieben¬<lb/>
bürgen würden beide Nationalitäten etwa einen gleich starken Zuwachs erhalten.<lb/>
Jedenfalls aber würde, wenn wir von Italien und Ungarn absehen, die deutsche<lb/>
oder Gesammtstaatspartei (denn dies sind gegenwärtig gleichbedeutende Namen) die<lb/>
Majorität behaupten, wie sich schon aus der numerischen Überlegenheit der unio-<lb/>
nistischen Fractionen ergibt, die zusammen zur Zeit ihrer Bildung ungefähr<lb/>
133 Mitglieder zählten, eine Zahl, die sich so viel ich weis,, in den verflossenen<lb/>
zwei Jabren  nicht verändert hat.  Diese Fractionen gehören aber, einige<lb/>
Ruthenen ausgenommen, fast ausschließlich der deutschen Nationalität an. wenn<lb/>
auch viele unter ihnen slavische Namen führen, wodurch man sich indessen so<lb/>
wenig irre machen lassen darf, als dadurch, daß man unter den eifrigsten Ver¬<lb/>
tretern der slavischen Nationalität, und nicht blos in Oestreich, Männer mit<lb/>
deutschen Namen findet.  Es ist nun nicht zu verkennen, daß diese nationale<lb/>
Einartigkeit der Partei der Gesammtstaatsmänner einen kräftigen innern Halt<lb/>
und im engern Reichsrath ein starkes parlamentarisches Uebergewicht gibt. Es<lb/>
wird ihnen das Uebergewicht ohne Zweifel auch dann noch bleiben, wenn die<lb/>
Abgeordneten der bisher im Reichsrathe noch nicht vertretenen Länder außer<lb/>
den 85 Ungar», die wir vorläufig noch unberücksichtigt lassen, und den 20<lb/>
Italienern ihren Sitz eingenommen haben werden.  Aber auf der andern Seite<lb/>
ist essehr klar, daß gerade der Umstand, welcher der Gesammtstaatspartei eine<lb/>
so große Geschlossenheit und Festigkeit in allen entscheidenden, die Organisation<lb/>
der Monarchie betreffenden Fragen verleiht, zugleich ein Symptom von der<lb/>
Schwäche der Gesammtstaatsidee selbst ist. insofern sich daraus die einfache<lb/>
Folgerung ergibt, daß die Gesammtstaatsidee nur unter den deutschen Be¬<lb/>
wohnern der Monarchie Anklang findet, und daß fast alle Nichtdeutsche Gegner<lb/>
des Februarpatents sind. Wenn man sich dies Verhältniß in seiner ganzen Schroff¬<lb/>
heit zum Bewußtsein bringt, so kann man sich der Ueberzeugung nicht verschließen,<lb/>
daß die staatsrechtlichen Zustände Oestreichs völlig provisorisch sind,<lb/>
und daß die Idee, die man auf dein Wege des Versassungsstaates zu verwirklichen<lb/>
gesucht hat, seit dem Februar des Jahres 1861 keinen irgend erheblichen Fortschritt<lb/>
gemacht hat und überhaupt niemals einen FoNschritt machen wird, so lange Herr<lb/>
v- Schmerling und Ungarn einander ihr steriles von xossuinus entgegensetzen.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 14*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0115] politisch bedeutungslosen windischen Districten abgesehen in Oestreich, Salchurg Steiermark. Kärnten. Kram. Schlesien. Auch wollen wir Tirol hierher rech¬ nen, obgleich in dem südlichen Theile dieses Landes die italienische Nationali¬ tät entschieden überwiegt. Diese Kronländer zusammengenommen wählen 73 Abgeordnete. Ausschließlich von Slaven bewohnt ist Galizien mit Krakau. welches 38, und Kroatien. Dalmatien. die Bukowina und Istrien. die zusammen 25 Abgeordnete nach Wien schicken; also K3 Abgeordnete aus rein slavischen Ländern. Dem slavischen Stamme gehört ferner ein große Theil der böhmischen Abgeordneten an, und einige mährische. Aus Sieben¬ bürgen würden beide Nationalitäten etwa einen gleich starken Zuwachs erhalten. Jedenfalls aber würde, wenn wir von Italien und Ungarn absehen, die deutsche oder Gesammtstaatspartei (denn dies sind gegenwärtig gleichbedeutende Namen) die Majorität behaupten, wie sich schon aus der numerischen Überlegenheit der unio- nistischen Fractionen ergibt, die zusammen zur Zeit ihrer Bildung ungefähr 133 Mitglieder zählten, eine Zahl, die sich so viel ich weis,, in den verflossenen zwei Jabren nicht verändert hat. Diese Fractionen gehören aber, einige Ruthenen ausgenommen, fast ausschließlich der deutschen Nationalität an. wenn auch viele unter ihnen slavische Namen führen, wodurch man sich indessen so wenig irre machen lassen darf, als dadurch, daß man unter den eifrigsten Ver¬ tretern der slavischen Nationalität, und nicht blos in Oestreich, Männer mit deutschen Namen findet. Es ist nun nicht zu verkennen, daß diese nationale Einartigkeit der Partei der Gesammtstaatsmänner einen kräftigen innern Halt und im engern Reichsrath ein starkes parlamentarisches Uebergewicht gibt. Es wird ihnen das Uebergewicht ohne Zweifel auch dann noch bleiben, wenn die Abgeordneten der bisher im Reichsrathe noch nicht vertretenen Länder außer den 85 Ungar», die wir vorläufig noch unberücksichtigt lassen, und den 20 Italienern ihren Sitz eingenommen haben werden. Aber auf der andern Seite ist essehr klar, daß gerade der Umstand, welcher der Gesammtstaatspartei eine so große Geschlossenheit und Festigkeit in allen entscheidenden, die Organisation der Monarchie betreffenden Fragen verleiht, zugleich ein Symptom von der Schwäche der Gesammtstaatsidee selbst ist. insofern sich daraus die einfache Folgerung ergibt, daß die Gesammtstaatsidee nur unter den deutschen Be¬ wohnern der Monarchie Anklang findet, und daß fast alle Nichtdeutsche Gegner des Februarpatents sind. Wenn man sich dies Verhältniß in seiner ganzen Schroff¬ heit zum Bewußtsein bringt, so kann man sich der Ueberzeugung nicht verschließen, daß die staatsrechtlichen Zustände Oestreichs völlig provisorisch sind, und daß die Idee, die man auf dein Wege des Versassungsstaates zu verwirklichen gesucht hat, seit dem Februar des Jahres 1861 keinen irgend erheblichen Fortschritt gemacht hat und überhaupt niemals einen FoNschritt machen wird, so lange Herr v- Schmerling und Ungarn einander ihr steriles von xossuinus entgegensetzen. 14*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/115
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115927/115>, abgerufen am 15.01.2025.