Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. IV. Band.stille Stunde in dem Festsaale den neuen Beweis, daß die deutsche Wissenschaft Der Nachmittag des zweiten Tages führte die Versammlung als Gäste des Wir scheiden von den meißner Tagen mit reicher Frucht. Wir haben ge¬ Noch Eins haben wir gelernt, und zwar das, daß es von großem Nutzen, Grenzboten IV. 18L3.14
stille Stunde in dem Festsaale den neuen Beweis, daß die deutsche Wissenschaft Der Nachmittag des zweiten Tages führte die Versammlung als Gäste des Wir scheiden von den meißner Tagen mit reicher Frucht. Wir haben ge¬ Noch Eins haben wir gelernt, und zwar das, daß es von großem Nutzen, Grenzboten IV. 18L3.14
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stille Stunde in dem Festsaale den neuen Beweis, daß die deutsche Wissenschaft
noch immer Männer edler Gesinnung hervorbringt; Männer, welche werth sind,
daß ihr Andenken ewig bewahrt werde, und Männer, welche die ehrende Tu¬
gend der Pietät für das wahrhaft Große nicht verlernt haben.
Der Nachmittag des zweiten Tages führte die Versammlung als Gäste des
Ministeriums mittelst Extrazuges nach Dresden. wo Abends im Theater Oedi-
pus auf Kolonos aufgeführt wurde; spät in der Nacht kehrten wir nach Mei¬
ßen zurück, sehr angenehm angeregt von den Genüssen, die uns geboten wor¬
den waren.
Wir scheiden von den meißner Tagen mit reicher Frucht. Wir haben ge¬
sehen, daß die Wissenschaft und ihre Vertreter auch in einer kleinen sächsischen
Stadt ehrende Aufnahme finden und freuen uns über dieses Zeichen deutschen
Bürgersinnes. Wir haben ferner aufs Neue gelernt, daß persönliches Bekannt¬
werden, gegenseitiger Ideenaustausch oft mehr wirkt, als ganze Bogen gelehrter
Briefe und weitausgcsponnener Kritiken und Antikritiken. Wir begrüßen die
Philologenvcrsammlung als einen neuen Beweis für das erstarkende Bewußt¬
sein, daß auch w der Wissenschaft, recht verstanden und verständig ausgeübt,
das Princip der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit fruchtbar sein kann. Endlich
aber darf auch dieser Congreß als ein Zeichen von dem immer mehr wachsen¬
den Drange nach Einigung der Deutschen angesehen werden.
Noch Eins haben wir gelernt, und zwar das, daß es von großem Nutzen,
ja mit der Zeit fast unumgänglich nöthig sein wird, daß sich die ersten und
besten Männer der Wissenschaft, nicht wie jetzt, von Jahr zu Jahr immer
mehr von dem Congreß zurückziehen und dadurch mit verhältnißmäßig wenigen
höchst ehrenwerthen Ausnahmen, der lieben Mittelmäßigkeit das Feld lassen.
Wir vermögen sehr wohl vermuthungsweise den Gründen nahe zu kommen,
welche insbesondere dieses Jahr so manche Koryphäen abgehalten haben, sich
einzufinden. Aber wir geben uns der Hoffnung hin. daß das nächste Mal die
Mitgliederliste so manchen Namen ausweisen wird, den wir bisher schmerzlich
vermißten. Nicht nur die wissenschaftliche, sondern auch die gesellige Seite
würde dadurch gewinnen. Und wenn dann politisches Pharisäerthum und
liebedienerische Gesinnungslosigkeit wieder einmal Lust verspüren sollten, sich
hervorzudrängen und sich gegenseitig Weihrauch zu streuen, so wird dann viel¬
leicht wieder ein Mann vorhanden sein, der sich und Anderen jenes lautschallende
„Amen" ins Gedächtniß zurückruft, welches Lachmann auf der dresdner Philo-
lvgenversammlung im Jahre 1844 mitten in die Trinksprüche als abschließende
Kritik hineinrief.
Grenzboten IV. 18L3.14
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