Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.einreichte. Man traut seinen Augen kaum, wenn man den Bescheid dieses Gerichts einreichte. Man traut seinen Augen kaum, wenn man den Bescheid dieses Gerichts <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0526" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115918"/> <p xml:id="ID_1618" prev="#ID_1617" next="#ID_1619"> einreichte. Man traut seinen Augen kaum, wenn man den Bescheid dieses Gerichts<lb/> liest, und wenn man noch überdies erfährt, daß an der Spitze dieser obersten richter¬<lb/> lichen Behörde in dem unglücklichen Schleswig ein Deutscher steht. Der erwähnte<lb/> Bescheid auf die Klage Büschels erklärt: der Polizcimcistcr sei nicht strafbar, „weil<lb/> er unter Anlegung der bezüglichen Acten nachgewiesen habe, daß in vielen und ver¬<lb/> schiedenen Fällen seit mehr als zwanzig Jahren sein Vvrwcser im Polizciamte zu<lb/> Eckernförde wegen geringfügiger Vergehen Nuthcnzüchtigungcn dictirt habe und habe<lb/> vollziehen lassen." Und weiter heißt es: „daß, wenn auch eine solche Praxis auf<lb/> Giltigkeit keinen Anspruch machen könne, doch diesem Herkommen ein solches Ge¬<lb/> wicht beigelegt werden müsse, daß der Beamte, welcher demgemäß verfahren sei, nicht<lb/> wegen strafbarer Anmaßung einer ihm nicht zustehenden Amtsgewalt zur Verant¬<lb/> wortung gezogen werden könne." Nun ist es allerdings leider wahr, daß die Bru¬<lb/> talität des elenden Lcisner in Schleswig-Holstein nicht ohne Seitenstück ist; denn<lb/> vor etwa zwanzig Jahren wurde in Altona das Kind eines deutschen Malers wegen<lb/> einer geringfügigen Veranlassung auf Befehl des dänischen Polizeimeisters v. Aspern<lb/> todtgepcitscht, und erst vor Kurzem ließ der berüchtigte Hardesvoigt Blaucnscld in<lb/> Mittelschlcswig einen Knaben auf ähnliche Weise züchtigen. Aber was soll man<lb/> dazu sagen, wenn die dänische Polizei Angesichts der allgemeinen Entrüstung, welche<lb/> jener Vorfall in Eckernförde hervorrief, die Unverschämtheit hat, öffentlich abzu¬<lb/> sprechen , daß die Prügelstrafe hier feit zwanzig Jahren mit discretionärcr Gewalt<lb/> von ihren Polizcimcisteru in vielen und verschiedenen Fällen verhängt worden ist?<lb/> Und welche Bezeichnung verdient die Mischung von Unverstand und Frechheit, mit<lb/> welcher ein Nichtcrcollcgium eine Rohheit der Polizei damit rechtfertigt, daß die Roh-<lb/> heit herkömmlich sei, ooschon dasselbe Collegium einräumt, daß die brutale Praxis<lb/> auf gesetzliche Giltigkeit keinen Anspruch habe? Der bekannte dänische Publicist Baron<lb/> v. Dirckink-Holmfcld charakterisirt in seiner interessanten Schrift: „Recht und Willkür"<lb/> das dänische Ncgicrungssustcm in den Herzogthümern mit folgenden Worten: „Es<lb/> ist eine Carrikatur der Inquisition, der Geist Torquemadas, der zum Lächerlichen<lb/> herabsteigt. Es ist die Bomba-Politik, den Händen von Leuten übergeben, die sich<lb/> kaum zu Dorfschnlmcistcrn eignen." Wir möchten nach dem angeführten Beispiel,<lb/> dem sich in Naschs Buch ähnliche zur Seite stellen, weiter gehe». Selbst in den<lb/> Polizcivcrfügungcn des ruchlosen Schergcnhänptlings ManiScalco, welche gegen das<lb/> neapolitanische Criminalgcsctz die Anwendung von Prügelstrafen bei Gefangnen an¬<lb/> ordnen, herrscht ein gewisser Zug von Scham. Nur eine einzige unter denselben,<lb/> die des Polizciministers Ajosso (unter Franz II., jetzt Franz von Bourbon) wagt<lb/> das Wort „Prügelstrafe" zu gebrauchen. Alle übrigen, versichert Rasch, sprechen<lb/> nur von „der außerordentlichen und wohlbekannten Strafe", welche die Polizei so¬<lb/> fort, selbst vor dem Urtheil des Gerichtshofes anzuwenden berechtigt sei. Selbst<lb/> Delcarettos finstre Tyrannennatur hatte mehr Tact und Scham als jene Quälgeister<lb/> der Deutschen in Schleswig-Holstein. Und ebenso kann das Gericht in FIcnsburg,<lb/> welches sich zum Helfershelfer dänischer Polizeiwillkür erniedrigte, sich nur zu seinem<lb/> Nachtheil mit seinen ehemaligen neapolitanischen Kollegen vergleichen; da diese ent¬<lb/> schieden gegen die von der Polizei verhängten ungesetzlichen Körperstrafen auftraten.<lb/> Signor Morclli, Präsident eines Criminalgcrichtshofcs in Neapel, erhielt die Vor-<lb/> untersuchungsactcn eines politischen Processes mit der Randbemerkung des Polizei-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0526]
einreichte. Man traut seinen Augen kaum, wenn man den Bescheid dieses Gerichts
liest, und wenn man noch überdies erfährt, daß an der Spitze dieser obersten richter¬
lichen Behörde in dem unglücklichen Schleswig ein Deutscher steht. Der erwähnte
Bescheid auf die Klage Büschels erklärt: der Polizcimcistcr sei nicht strafbar, „weil
er unter Anlegung der bezüglichen Acten nachgewiesen habe, daß in vielen und ver¬
schiedenen Fällen seit mehr als zwanzig Jahren sein Vvrwcser im Polizciamte zu
Eckernförde wegen geringfügiger Vergehen Nuthcnzüchtigungcn dictirt habe und habe
vollziehen lassen." Und weiter heißt es: „daß, wenn auch eine solche Praxis auf
Giltigkeit keinen Anspruch machen könne, doch diesem Herkommen ein solches Ge¬
wicht beigelegt werden müsse, daß der Beamte, welcher demgemäß verfahren sei, nicht
wegen strafbarer Anmaßung einer ihm nicht zustehenden Amtsgewalt zur Verant¬
wortung gezogen werden könne." Nun ist es allerdings leider wahr, daß die Bru¬
talität des elenden Lcisner in Schleswig-Holstein nicht ohne Seitenstück ist; denn
vor etwa zwanzig Jahren wurde in Altona das Kind eines deutschen Malers wegen
einer geringfügigen Veranlassung auf Befehl des dänischen Polizeimeisters v. Aspern
todtgepcitscht, und erst vor Kurzem ließ der berüchtigte Hardesvoigt Blaucnscld in
Mittelschlcswig einen Knaben auf ähnliche Weise züchtigen. Aber was soll man
dazu sagen, wenn die dänische Polizei Angesichts der allgemeinen Entrüstung, welche
jener Vorfall in Eckernförde hervorrief, die Unverschämtheit hat, öffentlich abzu¬
sprechen , daß die Prügelstrafe hier feit zwanzig Jahren mit discretionärcr Gewalt
von ihren Polizcimcisteru in vielen und verschiedenen Fällen verhängt worden ist?
Und welche Bezeichnung verdient die Mischung von Unverstand und Frechheit, mit
welcher ein Nichtcrcollcgium eine Rohheit der Polizei damit rechtfertigt, daß die Roh-
heit herkömmlich sei, ooschon dasselbe Collegium einräumt, daß die brutale Praxis
auf gesetzliche Giltigkeit keinen Anspruch habe? Der bekannte dänische Publicist Baron
v. Dirckink-Holmfcld charakterisirt in seiner interessanten Schrift: „Recht und Willkür"
das dänische Ncgicrungssustcm in den Herzogthümern mit folgenden Worten: „Es
ist eine Carrikatur der Inquisition, der Geist Torquemadas, der zum Lächerlichen
herabsteigt. Es ist die Bomba-Politik, den Händen von Leuten übergeben, die sich
kaum zu Dorfschnlmcistcrn eignen." Wir möchten nach dem angeführten Beispiel,
dem sich in Naschs Buch ähnliche zur Seite stellen, weiter gehe». Selbst in den
Polizcivcrfügungcn des ruchlosen Schergcnhänptlings ManiScalco, welche gegen das
neapolitanische Criminalgcsctz die Anwendung von Prügelstrafen bei Gefangnen an¬
ordnen, herrscht ein gewisser Zug von Scham. Nur eine einzige unter denselben,
die des Polizciministers Ajosso (unter Franz II., jetzt Franz von Bourbon) wagt
das Wort „Prügelstrafe" zu gebrauchen. Alle übrigen, versichert Rasch, sprechen
nur von „der außerordentlichen und wohlbekannten Strafe", welche die Polizei so¬
fort, selbst vor dem Urtheil des Gerichtshofes anzuwenden berechtigt sei. Selbst
Delcarettos finstre Tyrannennatur hatte mehr Tact und Scham als jene Quälgeister
der Deutschen in Schleswig-Holstein. Und ebenso kann das Gericht in FIcnsburg,
welches sich zum Helfershelfer dänischer Polizeiwillkür erniedrigte, sich nur zu seinem
Nachtheil mit seinen ehemaligen neapolitanischen Kollegen vergleichen; da diese ent¬
schieden gegen die von der Polizei verhängten ungesetzlichen Körperstrafen auftraten.
Signor Morclli, Präsident eines Criminalgcrichtshofcs in Neapel, erhielt die Vor-
untersuchungsactcn eines politischen Processes mit der Randbemerkung des Polizei-
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