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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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Morgenröthe Deutschlands und in das ganze Getriebe derselben lehrreiche
Blicke thun.

Es ist wahr, Hippel ist kein Genius ersten Ranges. Seine politischen
Ansichten entsprechen häusig nicht den unsern. Aber er war im Großen und
Ganzen ein Staatsmann hellen und weiten Blicks, von umfassender Bildung,
ein warmer Patriot, ein eifriger und aufopfernder Förderer der Pläne, welche
Preußen und damit ganz Deutschland die Bahnen selbständiger Entwickelung
wieder eröffneten, und so empfindet auch d. Bl. die Pflicht, ihn aus der hal¬
ben Vergessenheit, in die er dem größern Publicum verfallen, herauszuheben
und ihm die gebührende Stelle unter den vielen tüchtigen Männern, die Ost¬
preußen damals hervorbrachte, und im Andenken seiner Nation anzuweisen.

Hippel wurde am 13. December 1775 zu Gerdauen in Ostpreußen ge¬
boren, wo sein Vater Gotthard Friedrich Hippel Prediger war, und empfing
in der Taufe die Namen seines Oheims, des bekannten Humoristen, Theodor
Gottlieb, der ihm nachher ein zweiter Vater werden sollte. In seinem elften
oder zwölften Jahre wurde er von diesem nach Königsberg gezogen, um dort
die Bildung zu erhalten, zu der gerade damals die ostpreußische Hauptstadt
vortreffliche Mittel bot. Hier gab es gute Unterrichtsanstalten, namentlich die
reformirte Schule unter dem sehr tüchtigen Rector Wannowski, hier lehrte Kant,
und hier bildete Kraus als Professor der Staatswissenschaften jene Staats¬
männer aus, welche später die Haupttheilnehmer am Befreiungswerke wurden.
Hier schloß der Knabe ein Freundschaftsbündnis) mit E. T..A. Hoffmann, wel¬
ches ihn poetisch anregte und bis zum Tode des Letzteren erhalten blieb.

Auf der Universität widmete sich Hippel der Jurisprudenz, trieb aber zu¬
gleich allerhand Humaniora und nahm fleißig an den Lesestunden theil, welche
der Oheim eingerichtet hatte, und in denen unter dessen Vorsitz verschiedene
Schriftsteller, namentlich Lessings Dramen, durchgegangen wurden. 'Im Juni
1795 siedelte er nach Marienwerder über, wo er sich aus das Referendar-
Examen vorbereitete Und nebenher -- nach der Meinung des gestrengen und
sehr ökonomischen Oheims zu stark -- den Freuden der Geselligkeit lebte. Am
23. April des nächsten Jahres starb der Oheim, und dieses Ereigniß wurde ein
entscheidender Wendepunkt für das äußere und innere Leben Hippcls, der sich
als Haupterbe des Verstorbenen jetzt in den Besitz eines Vermögens von nahezu
hunderttausend Thalern gesetzt sah, mit denen von den Testamentsvollstreckern
die leistenauschen Güter bei Marienwerder gekauft wurden. Indeß hatte Hip¬
pel an diesem Erbtheil nur sehr wenig Freude. Er war nicht zum Oekonomen
geschaffen, außerdem waren die Kricgsjrchre nicht dazu angethan, die Guts¬
besitzer dieser Gegend bei Wohlstand zu- erhalten, und so gingen die Güter all-
mälig ihrem gänzlichen Verfall und endlich dem Verkauf entgegen. Sie gaben
Hippel bis zur völligen Zerrüttung seiner Vermögensverhältnisse eine angesehene


Morgenröthe Deutschlands und in das ganze Getriebe derselben lehrreiche
Blicke thun.

Es ist wahr, Hippel ist kein Genius ersten Ranges. Seine politischen
Ansichten entsprechen häusig nicht den unsern. Aber er war im Großen und
Ganzen ein Staatsmann hellen und weiten Blicks, von umfassender Bildung,
ein warmer Patriot, ein eifriger und aufopfernder Förderer der Pläne, welche
Preußen und damit ganz Deutschland die Bahnen selbständiger Entwickelung
wieder eröffneten, und so empfindet auch d. Bl. die Pflicht, ihn aus der hal¬
ben Vergessenheit, in die er dem größern Publicum verfallen, herauszuheben
und ihm die gebührende Stelle unter den vielen tüchtigen Männern, die Ost¬
preußen damals hervorbrachte, und im Andenken seiner Nation anzuweisen.

Hippel wurde am 13. December 1775 zu Gerdauen in Ostpreußen ge¬
boren, wo sein Vater Gotthard Friedrich Hippel Prediger war, und empfing
in der Taufe die Namen seines Oheims, des bekannten Humoristen, Theodor
Gottlieb, der ihm nachher ein zweiter Vater werden sollte. In seinem elften
oder zwölften Jahre wurde er von diesem nach Königsberg gezogen, um dort
die Bildung zu erhalten, zu der gerade damals die ostpreußische Hauptstadt
vortreffliche Mittel bot. Hier gab es gute Unterrichtsanstalten, namentlich die
reformirte Schule unter dem sehr tüchtigen Rector Wannowski, hier lehrte Kant,
und hier bildete Kraus als Professor der Staatswissenschaften jene Staats¬
männer aus, welche später die Haupttheilnehmer am Befreiungswerke wurden.
Hier schloß der Knabe ein Freundschaftsbündnis) mit E. T..A. Hoffmann, wel¬
ches ihn poetisch anregte und bis zum Tode des Letzteren erhalten blieb.

Auf der Universität widmete sich Hippel der Jurisprudenz, trieb aber zu¬
gleich allerhand Humaniora und nahm fleißig an den Lesestunden theil, welche
der Oheim eingerichtet hatte, und in denen unter dessen Vorsitz verschiedene
Schriftsteller, namentlich Lessings Dramen, durchgegangen wurden. 'Im Juni
1795 siedelte er nach Marienwerder über, wo er sich aus das Referendar-
Examen vorbereitete Und nebenher — nach der Meinung des gestrengen und
sehr ökonomischen Oheims zu stark — den Freuden der Geselligkeit lebte. Am
23. April des nächsten Jahres starb der Oheim, und dieses Ereigniß wurde ein
entscheidender Wendepunkt für das äußere und innere Leben Hippcls, der sich
als Haupterbe des Verstorbenen jetzt in den Besitz eines Vermögens von nahezu
hunderttausend Thalern gesetzt sah, mit denen von den Testamentsvollstreckern
die leistenauschen Güter bei Marienwerder gekauft wurden. Indeß hatte Hip¬
pel an diesem Erbtheil nur sehr wenig Freude. Er war nicht zum Oekonomen
geschaffen, außerdem waren die Kricgsjrchre nicht dazu angethan, die Guts¬
besitzer dieser Gegend bei Wohlstand zu- erhalten, und so gingen die Güter all-
mälig ihrem gänzlichen Verfall und endlich dem Verkauf entgegen. Sie gaben
Hippel bis zur völligen Zerrüttung seiner Vermögensverhältnisse eine angesehene


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/492>, abgerufen am 01.09.2024.