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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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chismus bei den verschiedenen Zweigen des Schulunterrichts immer wieder fin¬
den. Bald ist es ein weiser Spruch, ein edler Gedanke, bald ein merkwürdiges
Ereigniß. ein schöner Charakterzug, der dem Lehrer Anlaß gibt seine Schüler
zu belehren, zu warnen und zu christlichen Gefühlen zu erheben, und diese
gleichsam zufällig gegebenen Winke machen oft um desto tieferen Eindruck, je
weniger man auf dieselben gefaßt war." Also lauter Stückwerk, Spielwerk für
das Gedächtniß, aber ja keine "theoretische Erörterung," die "für die untern
Schulen nicht gedeihlich." "Die Gesellschaft Jesu hält sich daher in diesen be¬
sonders an den Katechismus als Norm der christlichen Dogmatik und Moral,
und nach Maßgabe der Geistesfähigkeiten einzelner Classen werden diese Wahr¬
heiten kürzer oder weitläufiger erklärt."

Zur Beförderung des religiösen Lebenswandels dient noch für ihre Schüler
die LoäcüitÄL Nariim",, eine Bruderschaft, deren Verfassung jener des Ordens
selbst, fo weit es bei Knaben möglich, nachgebildet ist. Die Angeberei wird
zur Gewissenspflicht gemacht, die Heuchelei eingeimpft, ein Köhlerglaube groß
gezogen, der den Werth des Menschen nach der Zahl der Gebete, die er gedanken¬
los hersagt, der errungenen geistlichen Gnaden und Ablässe abwiegt, sich durch
das Blendwerk der Wunder wie an einem Seile gängeln läßt, und aus Furcht
vor den Höllenqualen ein willenloser Stab in den Händen des Ordens wird.
Letzteres hatte wohl auch ?. Beckx vor Augen, wo er von den heilsamsten
Früchten", die diese Congregation hervorbringt, sagt: "die Erfahrung lehrt
uns, daß wenn auch vielleicht später im Taumel der Leidenschaften der junge
Mann, der solchergestalt erzogen war, sich zu Fehltritten verleiten läßt, die Re¬
ligion (?) noch in der Tiefe seines Herzens wohnt, und den Schuldigen warnt
und ermahnt, und ihm weder Rast noch Ruhe läßt, bis er die Wege des Ver¬
derbens verläßt und zur Pflicht und Tugend zurückkehrt." Bekanntlich helfen
dem die Jesuiten auch mit manchem Teufelsspuk, Gespenstergeschichten und ih¬
ren Verbindungen mit den Seelen im Fegfeuer nach, was Alles zu ihrer Ge¬
heimwissenschaft gehört.

Darin also besteht die Erziehung, welche den Zöglingen der Jesuiten in
ihren Gymnasien zu Theil wird. Was sie nicht lernen, ist gutes Latein, was
sie nicht erhalten, classische Bildung und Anleitung zum Denken und Forschen,
aber ihr Gedächtniß wird vortrefflich eingeübt, und der seichten Oberflächlichkeit
genügen sie vollkommen. Der Hauptzweck des "schweren Berufes" der Gesell¬
schaft Jesu, den sie sich durch den Unterricht auferlegt, versichert ?. Beckx, ist
die Beförderung der "größeren Ehre Gottes", die Gewinnung der Jugend für
seinen Dienst, die Erweiterung seines Reiches auf Erden! Lasse sich ja Niemand
durch schöne Worte täuschen, als ob sie sich den Einflüssen des Fortschritts und
den Erfordernissen der Zeit nicht entzögen, der General bestätigt gerade das
Gegentheil, indem er sagt: "die ratio stuäivrmri enthält die Resultate sorg-


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chismus bei den verschiedenen Zweigen des Schulunterrichts immer wieder fin¬
den. Bald ist es ein weiser Spruch, ein edler Gedanke, bald ein merkwürdiges
Ereigniß. ein schöner Charakterzug, der dem Lehrer Anlaß gibt seine Schüler
zu belehren, zu warnen und zu christlichen Gefühlen zu erheben, und diese
gleichsam zufällig gegebenen Winke machen oft um desto tieferen Eindruck, je
weniger man auf dieselben gefaßt war." Also lauter Stückwerk, Spielwerk für
das Gedächtniß, aber ja keine „theoretische Erörterung," die „für die untern
Schulen nicht gedeihlich." „Die Gesellschaft Jesu hält sich daher in diesen be¬
sonders an den Katechismus als Norm der christlichen Dogmatik und Moral,
und nach Maßgabe der Geistesfähigkeiten einzelner Classen werden diese Wahr¬
heiten kürzer oder weitläufiger erklärt."

Zur Beförderung des religiösen Lebenswandels dient noch für ihre Schüler
die LoäcüitÄL Nariim«,, eine Bruderschaft, deren Verfassung jener des Ordens
selbst, fo weit es bei Knaben möglich, nachgebildet ist. Die Angeberei wird
zur Gewissenspflicht gemacht, die Heuchelei eingeimpft, ein Köhlerglaube groß
gezogen, der den Werth des Menschen nach der Zahl der Gebete, die er gedanken¬
los hersagt, der errungenen geistlichen Gnaden und Ablässe abwiegt, sich durch
das Blendwerk der Wunder wie an einem Seile gängeln läßt, und aus Furcht
vor den Höllenqualen ein willenloser Stab in den Händen des Ordens wird.
Letzteres hatte wohl auch ?. Beckx vor Augen, wo er von den heilsamsten
Früchten", die diese Congregation hervorbringt, sagt: „die Erfahrung lehrt
uns, daß wenn auch vielleicht später im Taumel der Leidenschaften der junge
Mann, der solchergestalt erzogen war, sich zu Fehltritten verleiten läßt, die Re¬
ligion (?) noch in der Tiefe seines Herzens wohnt, und den Schuldigen warnt
und ermahnt, und ihm weder Rast noch Ruhe läßt, bis er die Wege des Ver¬
derbens verläßt und zur Pflicht und Tugend zurückkehrt." Bekanntlich helfen
dem die Jesuiten auch mit manchem Teufelsspuk, Gespenstergeschichten und ih¬
ren Verbindungen mit den Seelen im Fegfeuer nach, was Alles zu ihrer Ge¬
heimwissenschaft gehört.

Darin also besteht die Erziehung, welche den Zöglingen der Jesuiten in
ihren Gymnasien zu Theil wird. Was sie nicht lernen, ist gutes Latein, was
sie nicht erhalten, classische Bildung und Anleitung zum Denken und Forschen,
aber ihr Gedächtniß wird vortrefflich eingeübt, und der seichten Oberflächlichkeit
genügen sie vollkommen. Der Hauptzweck des „schweren Berufes" der Gesell¬
schaft Jesu, den sie sich durch den Unterricht auferlegt, versichert ?. Beckx, ist
die Beförderung der „größeren Ehre Gottes", die Gewinnung der Jugend für
seinen Dienst, die Erweiterung seines Reiches auf Erden! Lasse sich ja Niemand
durch schöne Worte täuschen, als ob sie sich den Einflüssen des Fortschritts und
den Erfordernissen der Zeit nicht entzögen, der General bestätigt gerade das
Gegentheil, indem er sagt: „die ratio stuäivrmri enthält die Resultate sorg-


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[0477] chismus bei den verschiedenen Zweigen des Schulunterrichts immer wieder fin¬ den. Bald ist es ein weiser Spruch, ein edler Gedanke, bald ein merkwürdiges Ereigniß. ein schöner Charakterzug, der dem Lehrer Anlaß gibt seine Schüler zu belehren, zu warnen und zu christlichen Gefühlen zu erheben, und diese gleichsam zufällig gegebenen Winke machen oft um desto tieferen Eindruck, je weniger man auf dieselben gefaßt war." Also lauter Stückwerk, Spielwerk für das Gedächtniß, aber ja keine „theoretische Erörterung," die „für die untern Schulen nicht gedeihlich." „Die Gesellschaft Jesu hält sich daher in diesen be¬ sonders an den Katechismus als Norm der christlichen Dogmatik und Moral, und nach Maßgabe der Geistesfähigkeiten einzelner Classen werden diese Wahr¬ heiten kürzer oder weitläufiger erklärt." Zur Beförderung des religiösen Lebenswandels dient noch für ihre Schüler die LoäcüitÄL Nariim«,, eine Bruderschaft, deren Verfassung jener des Ordens selbst, fo weit es bei Knaben möglich, nachgebildet ist. Die Angeberei wird zur Gewissenspflicht gemacht, die Heuchelei eingeimpft, ein Köhlerglaube groß gezogen, der den Werth des Menschen nach der Zahl der Gebete, die er gedanken¬ los hersagt, der errungenen geistlichen Gnaden und Ablässe abwiegt, sich durch das Blendwerk der Wunder wie an einem Seile gängeln läßt, und aus Furcht vor den Höllenqualen ein willenloser Stab in den Händen des Ordens wird. Letzteres hatte wohl auch ?. Beckx vor Augen, wo er von den heilsamsten Früchten", die diese Congregation hervorbringt, sagt: „die Erfahrung lehrt uns, daß wenn auch vielleicht später im Taumel der Leidenschaften der junge Mann, der solchergestalt erzogen war, sich zu Fehltritten verleiten läßt, die Re¬ ligion (?) noch in der Tiefe seines Herzens wohnt, und den Schuldigen warnt und ermahnt, und ihm weder Rast noch Ruhe läßt, bis er die Wege des Ver¬ derbens verläßt und zur Pflicht und Tugend zurückkehrt." Bekanntlich helfen dem die Jesuiten auch mit manchem Teufelsspuk, Gespenstergeschichten und ih¬ ren Verbindungen mit den Seelen im Fegfeuer nach, was Alles zu ihrer Ge¬ heimwissenschaft gehört. Darin also besteht die Erziehung, welche den Zöglingen der Jesuiten in ihren Gymnasien zu Theil wird. Was sie nicht lernen, ist gutes Latein, was sie nicht erhalten, classische Bildung und Anleitung zum Denken und Forschen, aber ihr Gedächtniß wird vortrefflich eingeübt, und der seichten Oberflächlichkeit genügen sie vollkommen. Der Hauptzweck des „schweren Berufes" der Gesell¬ schaft Jesu, den sie sich durch den Unterricht auferlegt, versichert ?. Beckx, ist die Beförderung der „größeren Ehre Gottes", die Gewinnung der Jugend für seinen Dienst, die Erweiterung seines Reiches auf Erden! Lasse sich ja Niemand durch schöne Worte täuschen, als ob sie sich den Einflüssen des Fortschritts und den Erfordernissen der Zeit nicht entzögen, der General bestätigt gerade das Gegentheil, indem er sagt: „die ratio stuäivrmri enthält die Resultate sorg- 59*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/477>, abgerufen am 28.07.2024.