Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.jemand zur Annäherung zu veranlassen, mit der Hand auf sich zu, um je- Um so mehr müssen auf den ersten Blick jene Uebereinstimmungen über¬ Findet vieles Andere nicht dieselbe Erklärung wie diese Beispiele, so wird jemand zur Annäherung zu veranlassen, mit der Hand auf sich zu, um je- Um so mehr müssen auf den ersten Blick jene Uebereinstimmungen über¬ Findet vieles Andere nicht dieselbe Erklärung wie diese Beispiele, so wird <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0432" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115824"/> <p xml:id="ID_1268" prev="#ID_1267"> jemand zur Annäherung zu veranlassen, mit der Hand auf sich zu, um je-<lb/> mand abzuweisen, mit der Hand von sich wegwinkt, und siehe da, der Morgen¬<lb/> länder thut auch hier in beiden Fällen das gerade Gegentheil.</p><lb/> <p xml:id="ID_1269"> Um so mehr müssen auf den ersten Blick jene Uebereinstimmungen über¬<lb/> raschen, welchen wir in gewissen Vorstellungen, Sagen und Sitten, namentlich<lb/> aber in gewissen Formen des Aberglaubens bei einer Gegenüberstellung von<lb/> Abendland und Morgenland begegnen. Vieles davon wird aus der allgemeinen<lb/> Menschennatur, Einiges aus der Verwandtschaft des japhetischen und semitischen<lb/> Stammes gegenüber den niedern Rassen, sehr vieles aus der Vermischung und<lb/> Vermittelung orientalischen und occidentalischen Wesens durch die Strömungen<lb/> der Weltgeschichte zu erklären sein. Wenn der deutsche Mystiker Angelus Si-<lb/> lesius ähnlich phantasirt und empfindet, wie der persische Tust Dschellaleddin<lb/> Rumi, und wenn die Casuistik, die Silbenstecherei und Kleinigkeitskrämerei ka¬<lb/> tholischer und protestantischer Scholastiker fast dieselben Wege geht und ziemlich<lb/> zu denselben Resultaten gelangt, wie die, welche den Talmud, und die,<lb/> welche die Sunna schuf, so wird uns das nicht sehr wundern. Wenn ein<lb/> Ssilr heulender Derwische am Nil fast genau dasselbe Schauspiel darbietet, wie<lb/> ein Campmeeting von Methodisten am Mississippi oder ein Conventikel der<lb/> Convulsionäre von Port Royal, und wenn Wallfahrtsstädte wie Rom und<lb/> Mekka sich selbst in vielen unbedeutenden Dingen gleichen, so werden wir auch<lb/> das nicht gerade erstaunlich nennen. Wir sind ja auch nicht überrascht, wenn<lb/> ein liebesiecher Jüngling am Euphrat den Mond in denselben Tönen anschmach¬<lb/> tet, wie sein Seelenverwandter an der Spree, und wir finden ja auch darin<lb/> nichts besonders Auffallendes, daß der arabische Beduine, indem ihm nur die<lb/> im Kampf Gefallnen „Gandur", Ehrenmänner, die friedlich unter ihrem Zelt¬<lb/> dach Gestorbenen dagegen „Falls", Aas, sind, lebhaft an den wilden Sinn<lb/> nordischer Necken aus der Wikingerzeit erinnert. Gleiche Anspannung ge¬<lb/> wisser Seelenkräfte, gleiche Verhältnisse geben unter allen Breitengraden, wenn<lb/> wir Neger und Polarmenschen ausnehmen, wesentlich gleiche Resultate.</p><lb/> <p xml:id="ID_1270" next="#ID_1271"> Findet vieles Andere nicht dieselbe Erklärung wie diese Beispiele, so wird<lb/> es sich durch einen Blick auf die Uebersiedelung und Verpflanzung ausheilen,<lb/> welche gewisse Dogmen und Bräuche des Volkslebens, theils als Keime, theils<lb/> schon vollständig ausgestaltet, in geschichtlicher Zeit ganz ebenso erfuhren wie<lb/> gewisse Pflanzen und Hausthiere. Solche Keime und solche schon ausgeprägte<lb/> Sagen. Sitten und Vorstellungen kamen, um von den dunklern Perioden der<lb/> Geschichte nicht zu sprechen, durch die Eroberungen der Macedonier und Römer<lb/> in Masse von und nach dem Orient. Sie wurden durch Soldaten, durch Kauf¬<lb/> leute, durch Schiffer, und vor Allem durch Sklaven von Persien und Syrien,<lb/> von Aegypten und Mauretanien bis hinaus nach Spanien und Gallien ge¬<lb/> tragen. Sie erschienen mit den asiatischen Culten, mit dem Judenthum und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0432]
jemand zur Annäherung zu veranlassen, mit der Hand auf sich zu, um je-
mand abzuweisen, mit der Hand von sich wegwinkt, und siehe da, der Morgen¬
länder thut auch hier in beiden Fällen das gerade Gegentheil.
Um so mehr müssen auf den ersten Blick jene Uebereinstimmungen über¬
raschen, welchen wir in gewissen Vorstellungen, Sagen und Sitten, namentlich
aber in gewissen Formen des Aberglaubens bei einer Gegenüberstellung von
Abendland und Morgenland begegnen. Vieles davon wird aus der allgemeinen
Menschennatur, Einiges aus der Verwandtschaft des japhetischen und semitischen
Stammes gegenüber den niedern Rassen, sehr vieles aus der Vermischung und
Vermittelung orientalischen und occidentalischen Wesens durch die Strömungen
der Weltgeschichte zu erklären sein. Wenn der deutsche Mystiker Angelus Si-
lesius ähnlich phantasirt und empfindet, wie der persische Tust Dschellaleddin
Rumi, und wenn die Casuistik, die Silbenstecherei und Kleinigkeitskrämerei ka¬
tholischer und protestantischer Scholastiker fast dieselben Wege geht und ziemlich
zu denselben Resultaten gelangt, wie die, welche den Talmud, und die,
welche die Sunna schuf, so wird uns das nicht sehr wundern. Wenn ein
Ssilr heulender Derwische am Nil fast genau dasselbe Schauspiel darbietet, wie
ein Campmeeting von Methodisten am Mississippi oder ein Conventikel der
Convulsionäre von Port Royal, und wenn Wallfahrtsstädte wie Rom und
Mekka sich selbst in vielen unbedeutenden Dingen gleichen, so werden wir auch
das nicht gerade erstaunlich nennen. Wir sind ja auch nicht überrascht, wenn
ein liebesiecher Jüngling am Euphrat den Mond in denselben Tönen anschmach¬
tet, wie sein Seelenverwandter an der Spree, und wir finden ja auch darin
nichts besonders Auffallendes, daß der arabische Beduine, indem ihm nur die
im Kampf Gefallnen „Gandur", Ehrenmänner, die friedlich unter ihrem Zelt¬
dach Gestorbenen dagegen „Falls", Aas, sind, lebhaft an den wilden Sinn
nordischer Necken aus der Wikingerzeit erinnert. Gleiche Anspannung ge¬
wisser Seelenkräfte, gleiche Verhältnisse geben unter allen Breitengraden, wenn
wir Neger und Polarmenschen ausnehmen, wesentlich gleiche Resultate.
Findet vieles Andere nicht dieselbe Erklärung wie diese Beispiele, so wird
es sich durch einen Blick auf die Uebersiedelung und Verpflanzung ausheilen,
welche gewisse Dogmen und Bräuche des Volkslebens, theils als Keime, theils
schon vollständig ausgestaltet, in geschichtlicher Zeit ganz ebenso erfuhren wie
gewisse Pflanzen und Hausthiere. Solche Keime und solche schon ausgeprägte
Sagen. Sitten und Vorstellungen kamen, um von den dunklern Perioden der
Geschichte nicht zu sprechen, durch die Eroberungen der Macedonier und Römer
in Masse von und nach dem Orient. Sie wurden durch Soldaten, durch Kauf¬
leute, durch Schiffer, und vor Allem durch Sklaven von Persien und Syrien,
von Aegypten und Mauretanien bis hinaus nach Spanien und Gallien ge¬
tragen. Sie erschienen mit den asiatischen Culten, mit dem Judenthum und
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