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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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Diese zwanzig neuen Regimenter würden also aus sechzig einzelnen, den bereits
bestehenden Regimentern entnommenen Bataillonen gebildet werden, während
man aus den übrigen zwanzig als überzählig entfallenden Bataillonen wahr¬
scheinlich zehn neue Jägerbataillone formiren würde. Eine derartige neue Zer¬
stücklung und Zusammenstoppelung der Truppe" müßte nicht nur für die erste
Zeit die verderblichsten Folgen nach sich ziehen, sondern würde auch aus einer
andern dem Anschein nach geringfügigen Ursache den Grund zu dem dauern¬
den Verfall des östreichischen Fußvolkes legen. Es konnten nämlich schon bei
der Errichtung der letzten Regimenter nur mit Mühe die erforderlichen Unter"
scheidungsfarben für die Aufschläge ausgemittelt werden. Bei hundert Regi¬
mentern wäre dieses unmöglich und man würde daher die gesammte Infanterie
ganz gleich uniformiren, was. nebenbei bemerkt, ein von den militärischen Cen¬
tralisationsfreunden schon lange gehegter Wunsch ist, und die einzelnen Regi¬
menter würden sich nur durch die auf den Knöpfen angebrachten Nummern
unterscheiden. Diese Einrichtung besteht in den meisten Heeren schon seit län¬
gerer Zeit und hat sich dort auch bewährt. In Oestreich aber wäre diese
Neuerung unpassend und würde schon darum mit allgemeiner Mißbilligung
aufgenommen werden, weil man sie als den Borboten noch weiterer Maßregeln
zur Vollendung des begonnenen Assimilirungswerkes betrachten würde.

"Es klingt freilich sonderbar, den Werth oder Unwerth einer Truppe von
der Färbung eines Tuchstückchens abhängig machen zu wollen; aber in Oestreich
ist es der Fall und auch an andern Orten machen Kleider nicht nur Leute, son¬
dern auch Soldaten oder sie haben wenigstens einen großen Einfluß auf die
Stimmung und Haltung derselben. Man hat an der türkischen Reiterei einen
guten Beleg dafür. Früher waren diese Spahis eine unübertreffliche leichte
Reiterei, seit man sie aber in preußische und französische Monturen gesteckt hat.
ist es mit ihnen aus." -- Diese Worte eines berühmten östreichischen Generals
enthalte" zwar manches Unrichtige, aber auch viel Wahrheit.

Wenn die östreichische Reiterei, trotz der scharf ausgeprägten nationalen
Eigenthümlichkeiten der Husaren und Uhlanen, fast die einzige Truppe ist, in
welcher ein von allen Sondergelüsten entfernter und nur für die Ehre ihrer
Fahne athmender Geist lebt, die Artillerie und die Specialwaffen aber vorzugs¬
weise das deutsche Element vertreten, so treten dagegen bei der Infanterie
die Gesinnungen der verschiedenen Nationalitäten desto offner zu Tage. Man
darf nur kurze Zeit in einer Garnisonsstadt, wo sich z, B. ein ungarisches und
ein deutsches, oder ein slawisches und italienisches Regiment befinden, leben,
um die schroffe Haltung, welche diese Truppen einander gegenüber bewahren,
vollständig kenne" zu lernen. Freilich ist die nationale Bekleidung der verschie¬
denen Fußtruppen schon längst verschwunden und nur die Beinkleider der un¬
garischen Infanterie sind noch verblieben. Aber gerade diese Hosen, deren Un-


Diese zwanzig neuen Regimenter würden also aus sechzig einzelnen, den bereits
bestehenden Regimentern entnommenen Bataillonen gebildet werden, während
man aus den übrigen zwanzig als überzählig entfallenden Bataillonen wahr¬
scheinlich zehn neue Jägerbataillone formiren würde. Eine derartige neue Zer¬
stücklung und Zusammenstoppelung der Truppe» müßte nicht nur für die erste
Zeit die verderblichsten Folgen nach sich ziehen, sondern würde auch aus einer
andern dem Anschein nach geringfügigen Ursache den Grund zu dem dauern¬
den Verfall des östreichischen Fußvolkes legen. Es konnten nämlich schon bei
der Errichtung der letzten Regimenter nur mit Mühe die erforderlichen Unter»
scheidungsfarben für die Aufschläge ausgemittelt werden. Bei hundert Regi¬
mentern wäre dieses unmöglich und man würde daher die gesammte Infanterie
ganz gleich uniformiren, was. nebenbei bemerkt, ein von den militärischen Cen¬
tralisationsfreunden schon lange gehegter Wunsch ist, und die einzelnen Regi¬
menter würden sich nur durch die auf den Knöpfen angebrachten Nummern
unterscheiden. Diese Einrichtung besteht in den meisten Heeren schon seit län¬
gerer Zeit und hat sich dort auch bewährt. In Oestreich aber wäre diese
Neuerung unpassend und würde schon darum mit allgemeiner Mißbilligung
aufgenommen werden, weil man sie als den Borboten noch weiterer Maßregeln
zur Vollendung des begonnenen Assimilirungswerkes betrachten würde.

„Es klingt freilich sonderbar, den Werth oder Unwerth einer Truppe von
der Färbung eines Tuchstückchens abhängig machen zu wollen; aber in Oestreich
ist es der Fall und auch an andern Orten machen Kleider nicht nur Leute, son¬
dern auch Soldaten oder sie haben wenigstens einen großen Einfluß auf die
Stimmung und Haltung derselben. Man hat an der türkischen Reiterei einen
guten Beleg dafür. Früher waren diese Spahis eine unübertreffliche leichte
Reiterei, seit man sie aber in preußische und französische Monturen gesteckt hat.
ist es mit ihnen aus." — Diese Worte eines berühmten östreichischen Generals
enthalte» zwar manches Unrichtige, aber auch viel Wahrheit.

Wenn die östreichische Reiterei, trotz der scharf ausgeprägten nationalen
Eigenthümlichkeiten der Husaren und Uhlanen, fast die einzige Truppe ist, in
welcher ein von allen Sondergelüsten entfernter und nur für die Ehre ihrer
Fahne athmender Geist lebt, die Artillerie und die Specialwaffen aber vorzugs¬
weise das deutsche Element vertreten, so treten dagegen bei der Infanterie
die Gesinnungen der verschiedenen Nationalitäten desto offner zu Tage. Man
darf nur kurze Zeit in einer Garnisonsstadt, wo sich z, B. ein ungarisches und
ein deutsches, oder ein slawisches und italienisches Regiment befinden, leben,
um die schroffe Haltung, welche diese Truppen einander gegenüber bewahren,
vollständig kenne» zu lernen. Freilich ist die nationale Bekleidung der verschie¬
denen Fußtruppen schon längst verschwunden und nur die Beinkleider der un¬
garischen Infanterie sind noch verblieben. Aber gerade diese Hosen, deren Un-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/430>, abgerufen am 27.07.2024.