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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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Aufruhr ausbrach. Er hatte gern den Homer mit der Büchse vertauscht und
war "herüber" gegangen. Dort hat er an manchem Tressen, oder nach seiner
eignen Versicherung vielmehr an mancher Flucht theilgenommen, da er bei
jeder Annäherung der Russen mit vielen seiner Kameraden die Verpflichtung
fühlte, sich für spätere, entscheidende Kämpfe zu erhalten. Allmälig war sein
Corps so geschwächt, daß es aufgelöst werden mußte "und denken Sie: man gab
mir eine schriftliche Belobigung meiner Tapferkeit und diesen Civilversorgungs-
schein. Ich gehe nun vorläufig aufs Seminar und bereite mich zur Sicherheit
aufs Priesteramt. Aber lange dauerte nicht, dann kommen die Franzosen, bani?
bekommen wir Alles wieder, und da werfe ich die Kutte in die- Nesseln; denn
wenn wieder Polen ist, so wird mir auf diesen Schein hier ein gutes Amt."

Verachten Sie die Meinen Geschichten nicht; c-x urigue Ivousin! Uebri-
gens hatte ich neulich die Freude, hier im Castro einen besonnenen Mann zu
sprechen, der mit offenem Auge ein Zeuge der warschauer Vorgänge war, und
dem ein vorübergehender Ausenthalt in der Citadelle wenigstens das Zeugniß
gibt, daß er kein Polenfresser, sowie kein Moskowiterknecht ist. Die Sehnsucht
der ganzen poliuschen Nation, von dem Drucke der russischen Herrschaft frei zu
werden, ist allerdings lebhast und kräftig gewesen; aber man hatte in den
bessern Kreisen Vertrauen zu Wielopolskis panslavistischen Ideen und seinen
milden Maßnahmen. Mein Gewährsmann ist ein warmer Verehrer Wielo¬
polskis, etwa in dem Sinne, wie der chsi der Schlesischen Zeitung in den Jahren
1861 und 1862 es war; er kann aber doch nicht läugnen, daß unter der Re¬
gierung des Markgrafen die social-demokratische Partei -- der Name ist eigent¬
lich für die Sorte, die hier gemeint ist, zu ehrend, -- immer mächtiger wurde
und daß Wielvpolsli über den Attentaten Rylls, Rzoncas, Jaroszynskis
u. s. w., sowie über der Art, wie dieselben aufgenommen wurden, seine Be¬
sonnenheit verlor. Er wollte durch die Aushebung aufräumen und stach in
ein Wespennest, dessen aufgescheuchte Bewohner noch schwirren. Gleich vom
Anfang an zeigte sich als dem Aufruhr zugethan, um ein schlagendes
taciteisches Wort zu brauchen, pessimus hmshuk. Man konnte Wetten ein¬
gehen, daß unter den Arbeitern einer Fabrik der Faulste sich zum Führer auf¬
werfen , sich als Führer der Verschworenen entpuppen werde. Darin nun, daß
man eben den leitenden Persönlichkeiten äußerst wenig Gutes zutrauen darf,
liegt das Geheimniß ihrer Macht nicht zum kleinsten Theile. Darin aber, daß
die Nationalregicrung sich sofort durch Cooptalion ergänzt, wenn Einer der
Ihrigen eingefangen wird, finden wir die Ursache, daß es bis jetzt nicht gelungen
ist, sie zu erdrücken. Wir können uns das Ding etwa so denken, wie es 1848
in Berlin und Breslau war. Die Clubs hatten damals Delegirte erwählt,
die sich zu einer permanenten Commission zusammenschlossen. Der Versamm¬
lungsort derselben war weder Tag noch Nacht leer; aber es war beständiges


Aufruhr ausbrach. Er hatte gern den Homer mit der Büchse vertauscht und
war „herüber" gegangen. Dort hat er an manchem Tressen, oder nach seiner
eignen Versicherung vielmehr an mancher Flucht theilgenommen, da er bei
jeder Annäherung der Russen mit vielen seiner Kameraden die Verpflichtung
fühlte, sich für spätere, entscheidende Kämpfe zu erhalten. Allmälig war sein
Corps so geschwächt, daß es aufgelöst werden mußte „und denken Sie: man gab
mir eine schriftliche Belobigung meiner Tapferkeit und diesen Civilversorgungs-
schein. Ich gehe nun vorläufig aufs Seminar und bereite mich zur Sicherheit
aufs Priesteramt. Aber lange dauerte nicht, dann kommen die Franzosen, bani?
bekommen wir Alles wieder, und da werfe ich die Kutte in die- Nesseln; denn
wenn wieder Polen ist, so wird mir auf diesen Schein hier ein gutes Amt."

Verachten Sie die Meinen Geschichten nicht; c-x urigue Ivousin! Uebri-
gens hatte ich neulich die Freude, hier im Castro einen besonnenen Mann zu
sprechen, der mit offenem Auge ein Zeuge der warschauer Vorgänge war, und
dem ein vorübergehender Ausenthalt in der Citadelle wenigstens das Zeugniß
gibt, daß er kein Polenfresser, sowie kein Moskowiterknecht ist. Die Sehnsucht
der ganzen poliuschen Nation, von dem Drucke der russischen Herrschaft frei zu
werden, ist allerdings lebhast und kräftig gewesen; aber man hatte in den
bessern Kreisen Vertrauen zu Wielopolskis panslavistischen Ideen und seinen
milden Maßnahmen. Mein Gewährsmann ist ein warmer Verehrer Wielo¬
polskis, etwa in dem Sinne, wie der chsi der Schlesischen Zeitung in den Jahren
1861 und 1862 es war; er kann aber doch nicht läugnen, daß unter der Re¬
gierung des Markgrafen die social-demokratische Partei — der Name ist eigent¬
lich für die Sorte, die hier gemeint ist, zu ehrend, — immer mächtiger wurde
und daß Wielvpolsli über den Attentaten Rylls, Rzoncas, Jaroszynskis
u. s. w., sowie über der Art, wie dieselben aufgenommen wurden, seine Be¬
sonnenheit verlor. Er wollte durch die Aushebung aufräumen und stach in
ein Wespennest, dessen aufgescheuchte Bewohner noch schwirren. Gleich vom
Anfang an zeigte sich als dem Aufruhr zugethan, um ein schlagendes
taciteisches Wort zu brauchen, pessimus hmshuk. Man konnte Wetten ein¬
gehen, daß unter den Arbeitern einer Fabrik der Faulste sich zum Führer auf¬
werfen , sich als Führer der Verschworenen entpuppen werde. Darin nun, daß
man eben den leitenden Persönlichkeiten äußerst wenig Gutes zutrauen darf,
liegt das Geheimniß ihrer Macht nicht zum kleinsten Theile. Darin aber, daß
die Nationalregicrung sich sofort durch Cooptalion ergänzt, wenn Einer der
Ihrigen eingefangen wird, finden wir die Ursache, daß es bis jetzt nicht gelungen
ist, sie zu erdrücken. Wir können uns das Ding etwa so denken, wie es 1848
in Berlin und Breslau war. Die Clubs hatten damals Delegirte erwählt,
die sich zu einer permanenten Commission zusammenschlossen. Der Versamm¬
lungsort derselben war weder Tag noch Nacht leer; aber es war beständiges


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/367>, abgerufen am 22.12.2024.