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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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es geschenkt habe; während Passavant sich zu Gunsten des Herzogs von Urbino
erklärte.

Diese Fragen werden nun durch eine Stelle in dem schon einmal erwähnten
Brief Costabilis vom 2. März 1519 erledigt, der gleich nach der Absendung
des Cartons an den Herzog geschrieben wurde. Der Bischof sagt:

"Den Weisungen gemäß, die mir Ew. Excellenz am 22. Februar ertheilten,
habe ich mit Rafael gesprochen. Er sagt mir, daß er jenes Porträt Ew.
Excellenz nicht als Werk seiner eigenen Hand gesandt (eosg. al sug. wavo),
sondern daß er, als Santa Maria in Portico ihn gebeten, das Porträt zu
malen, einen seiner Schüler nach Neapel geschickt habe, um das Bildniß zu
machen, und daß er nun Ew. Excellenz den Carton sende, den jener Schüler
damals entworfen habe."

Möglich, daß dieser Schüler Giulio Romano war, und daß dieser auch,
da Rafael mit andern Arbeiten überhäuft war, mit der Ausführung in Oel
betraut wurde, wenigstens scheint dies eine natürliche Schlußfolgerung zu sein,
wenn man den Stil des Bildes betrachtet. Außerdem aber erfahren wir, daß
es im Auftrage Santa Maria in Porticos angefertigt wurde, und ist dies der
Titel, unter welchem der päpstliche Legat in Frankreich: Bernardo Dorizzi da
Bibiena den Cardinalshut empfing. Seine Mission am französischen Hof
erstreckte sich von 1518 bis 1519. Es erscheint daher wahrscheinlich, daß dieser
Freund Rafaels Franz dem Ersten das Gemälde schenkte, um sich dessen Gunst
zu erwerben, und daß das im Louvre hängende Bild wohl aus dem Atelier
Rafaels hervorgegangen, aber nur das Werk eines seiner Schüler ist. Was die
mehrfachen Copien betrifft, so haben wir freilich gesehen, daß sich Rafael bereit
erklärte, eine solche anfertigen zu lassen, wenn Alfonzo es wünsche, aber unsre
Briefe autorisiren uns keineswegs zu der Annahme, daß solche Wiederholungen
in seinem Atelier wirklich stattfanden.

Noch eine andere hierher gehörige Frage muß berührt werden. Erwiesener¬
maßen hatte Rafael vor dem Jahr 1516 ein Porträt Balthasars von Castiglione
gemalt, und das im Louvre unter Nummer 383 hängende Bild ist von jeher
und mit Recht als dieses Porträt angesehen worden. Daneben aber ging die
Ansicht Vieler, daß von Rafaels Hand noch ein zweites Porträt von Bal-
thasar existire. und diese Vermuthung findet ihre Bestätigung in dem vom
12. September 1619 datirten Brief Pauluzzos, worin die Entschuldigung
angeführt wird, daß Rafael seinen Besuch nicht empfangen könne, weil er
im Begriff stehe, das Porträt Balthasars von Castiglione zu vollenden.
Dieses zweite und spätere Bild von 1519 mag das im Palast Torlonia hän¬
gende sein.

Ferner: wenn wir wissen, daß Rafaels Genie sich über die Gebiete der
Malerei und zugleich der Architektur erstreckte, so ersehen wir aus den Acten-


es geschenkt habe; während Passavant sich zu Gunsten des Herzogs von Urbino
erklärte.

Diese Fragen werden nun durch eine Stelle in dem schon einmal erwähnten
Brief Costabilis vom 2. März 1519 erledigt, der gleich nach der Absendung
des Cartons an den Herzog geschrieben wurde. Der Bischof sagt:

„Den Weisungen gemäß, die mir Ew. Excellenz am 22. Februar ertheilten,
habe ich mit Rafael gesprochen. Er sagt mir, daß er jenes Porträt Ew.
Excellenz nicht als Werk seiner eigenen Hand gesandt (eosg. al sug. wavo),
sondern daß er, als Santa Maria in Portico ihn gebeten, das Porträt zu
malen, einen seiner Schüler nach Neapel geschickt habe, um das Bildniß zu
machen, und daß er nun Ew. Excellenz den Carton sende, den jener Schüler
damals entworfen habe."

Möglich, daß dieser Schüler Giulio Romano war, und daß dieser auch,
da Rafael mit andern Arbeiten überhäuft war, mit der Ausführung in Oel
betraut wurde, wenigstens scheint dies eine natürliche Schlußfolgerung zu sein,
wenn man den Stil des Bildes betrachtet. Außerdem aber erfahren wir, daß
es im Auftrage Santa Maria in Porticos angefertigt wurde, und ist dies der
Titel, unter welchem der päpstliche Legat in Frankreich: Bernardo Dorizzi da
Bibiena den Cardinalshut empfing. Seine Mission am französischen Hof
erstreckte sich von 1518 bis 1519. Es erscheint daher wahrscheinlich, daß dieser
Freund Rafaels Franz dem Ersten das Gemälde schenkte, um sich dessen Gunst
zu erwerben, und daß das im Louvre hängende Bild wohl aus dem Atelier
Rafaels hervorgegangen, aber nur das Werk eines seiner Schüler ist. Was die
mehrfachen Copien betrifft, so haben wir freilich gesehen, daß sich Rafael bereit
erklärte, eine solche anfertigen zu lassen, wenn Alfonzo es wünsche, aber unsre
Briefe autorisiren uns keineswegs zu der Annahme, daß solche Wiederholungen
in seinem Atelier wirklich stattfanden.

Noch eine andere hierher gehörige Frage muß berührt werden. Erwiesener¬
maßen hatte Rafael vor dem Jahr 1516 ein Porträt Balthasars von Castiglione
gemalt, und das im Louvre unter Nummer 383 hängende Bild ist von jeher
und mit Recht als dieses Porträt angesehen worden. Daneben aber ging die
Ansicht Vieler, daß von Rafaels Hand noch ein zweites Porträt von Bal-
thasar existire. und diese Vermuthung findet ihre Bestätigung in dem vom
12. September 1619 datirten Brief Pauluzzos, worin die Entschuldigung
angeführt wird, daß Rafael seinen Besuch nicht empfangen könne, weil er
im Begriff stehe, das Porträt Balthasars von Castiglione zu vollenden.
Dieses zweite und spätere Bild von 1519 mag das im Palast Torlonia hän¬
gende sein.

Ferner: wenn wir wissen, daß Rafaels Genie sich über die Gebiete der
Malerei und zugleich der Architektur erstreckte, so ersehen wir aus den Acten-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/36>, abgerufen am 22.12.2024.