Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.hieß Tirol dem Eindringen der Ketzer preisgeben und vom Reichsrath, der in Auch beim Gemeindegesetz zeigten sich ähnliche Besorgnisse. Der vor¬ hieß Tirol dem Eindringen der Ketzer preisgeben und vom Reichsrath, der in Auch beim Gemeindegesetz zeigten sich ähnliche Besorgnisse. Der vor¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0290" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115682"/> <p xml:id="ID_809" prev="#ID_808"> hieß Tirol dem Eindringen der Ketzer preisgeben und vom Reichsrath, der in<lb/> dieser allgemeinen Angelegenheit Oestreichs zuständig war. konnte man sich<lb/> diesfalls des Schlimmsten versehen. Der klerikale Berichterstatter Karl v. Zal-<lb/> linger bejammerte daher lediglich die Noth und drohende Vergantung der ar¬<lb/> men Weinbauern im Etschland und gelangte sohin zum Antrag: unmittelbar<lb/> bei der hohen Regierung einzukommen, „solange es nicht möglich sei. zum<lb/> Ziele der Zollfreiheit für den tiroler Wein zu gelangen, den Zoll wenigstens<lb/> so zu ermäßigen, daß sie (?) den fremden Weinen Concurrenz halten können."<lb/> Nur der Verkauf des einheimischen Products lag ihm am Herzen, die Herbei¬<lb/> ziehung der deutschen Industrie mit ihren Capitalien für Handel und Ackerbau<lb/> schien ihm vollkommen entbehrlich. Ueber das Bedenken der Zwecklosigkeit<lb/> dieser Maßregel in Berücksichtigung der trefflichen Rheinweine hob ihn die<lb/> Scheu vor dem vergiftenden Hauch der deutschen Protestanten weg. Es wurde<lb/> ihrer zwar ausdrücklich nicht gedacht, allein der Grund war selbstverständlich,<lb/> und der Vorschlag erntete allgemeinen Beifall.</p><lb/> <p xml:id="ID_810" next="#ID_811"> Auch beim Gemeindegesetz zeigten sich ähnliche Besorgnisse. Der vor¬<lb/> erwähnte Karl v. Zallinger, der auch hierfür als Obmann des diesfälligen Aus¬<lb/> schusses das Wort führte, fand nur das an die Spitze der früheren Gemeinde¬<lb/> ordnung vom Jahr 1849 gestellte Princip der vollen Autonomie der Gemeinde<lb/> zu betonen; in den Verhandlungen des Reichsraths über die allgemeinen Grund¬<lb/> sätze der neuen erblickte er lediglich nutzlosen Ballast, den er kaum der Erwäh¬<lb/> nung werth hielt. Er wollte vor Allem den Schutz der Gemeinde gegen die liberalen<lb/> Beamten und Reichsgesetze. Das Mißtrauen gegen die Ersteren ging so weit, daß<lb/> unsere Ultramontanen schon im Vorschlag von Kreisvertretungen, deren als Mit¬<lb/> telbehörden zwischen dem Landtag und den bäuerlichen Gemeinden für Tirol sechs<lb/> beantragt waren, einen Uebergriff in die Gemeindeverwaltung erblickten. Der<lb/> Bischof von Brixen glaubte, wenn damit „ein bleibend bestehendes Amt" ge¬<lb/> meint wäre, dagegen entschiedene Einsprache erheben zu müssen, zumal man<lb/> dadurch nur „einer neuen Bureaukratie entgegengehen würde, die vielleicht<lb/> im Erfolg noch weniger befriedige als die frühere." Ebenso erklärte Karl<lb/> v. Zallinger. daß man durch selbe „kein kostspieliges Kanzleiinstitut" schaffen wolle.<lb/> Den Vorwand dazu gab „der Mangel an tüchtigen Arbeitskräften," mehr be¬<lb/> sorgte man vielleicht, daß in Versammlungen, worin der Klerus nicht insbeson¬<lb/> dere vertreten, die Gemäßigteren durch ihr Zusammenwirken die Oberhand er¬<lb/> halten möchten. Bei einem andern Anlaß, als es sich um die Bestimmung<lb/> von Geldbußen für die Ablehnung eines Gemeindeamtes handelte, wollte der<lb/> Abgeordnete Kemenater die kaiserlichen Bezirksämter ganz ausgeschlossen wissen,<lb/> da „es ziemlich unangenehm sei, wenn man in diesem Falle gänzlich von der<lb/> Gnade der politischen Behörde abhängen muß." Auch Buron Paul Giovanelli<lb/> trug darauf an, die Entscheidung in Recursfällen über verweigerte Eheconsense</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0290]
hieß Tirol dem Eindringen der Ketzer preisgeben und vom Reichsrath, der in
dieser allgemeinen Angelegenheit Oestreichs zuständig war. konnte man sich
diesfalls des Schlimmsten versehen. Der klerikale Berichterstatter Karl v. Zal-
linger bejammerte daher lediglich die Noth und drohende Vergantung der ar¬
men Weinbauern im Etschland und gelangte sohin zum Antrag: unmittelbar
bei der hohen Regierung einzukommen, „solange es nicht möglich sei. zum
Ziele der Zollfreiheit für den tiroler Wein zu gelangen, den Zoll wenigstens
so zu ermäßigen, daß sie (?) den fremden Weinen Concurrenz halten können."
Nur der Verkauf des einheimischen Products lag ihm am Herzen, die Herbei¬
ziehung der deutschen Industrie mit ihren Capitalien für Handel und Ackerbau
schien ihm vollkommen entbehrlich. Ueber das Bedenken der Zwecklosigkeit
dieser Maßregel in Berücksichtigung der trefflichen Rheinweine hob ihn die
Scheu vor dem vergiftenden Hauch der deutschen Protestanten weg. Es wurde
ihrer zwar ausdrücklich nicht gedacht, allein der Grund war selbstverständlich,
und der Vorschlag erntete allgemeinen Beifall.
Auch beim Gemeindegesetz zeigten sich ähnliche Besorgnisse. Der vor¬
erwähnte Karl v. Zallinger, der auch hierfür als Obmann des diesfälligen Aus¬
schusses das Wort führte, fand nur das an die Spitze der früheren Gemeinde¬
ordnung vom Jahr 1849 gestellte Princip der vollen Autonomie der Gemeinde
zu betonen; in den Verhandlungen des Reichsraths über die allgemeinen Grund¬
sätze der neuen erblickte er lediglich nutzlosen Ballast, den er kaum der Erwäh¬
nung werth hielt. Er wollte vor Allem den Schutz der Gemeinde gegen die liberalen
Beamten und Reichsgesetze. Das Mißtrauen gegen die Ersteren ging so weit, daß
unsere Ultramontanen schon im Vorschlag von Kreisvertretungen, deren als Mit¬
telbehörden zwischen dem Landtag und den bäuerlichen Gemeinden für Tirol sechs
beantragt waren, einen Uebergriff in die Gemeindeverwaltung erblickten. Der
Bischof von Brixen glaubte, wenn damit „ein bleibend bestehendes Amt" ge¬
meint wäre, dagegen entschiedene Einsprache erheben zu müssen, zumal man
dadurch nur „einer neuen Bureaukratie entgegengehen würde, die vielleicht
im Erfolg noch weniger befriedige als die frühere." Ebenso erklärte Karl
v. Zallinger. daß man durch selbe „kein kostspieliges Kanzleiinstitut" schaffen wolle.
Den Vorwand dazu gab „der Mangel an tüchtigen Arbeitskräften," mehr be¬
sorgte man vielleicht, daß in Versammlungen, worin der Klerus nicht insbeson¬
dere vertreten, die Gemäßigteren durch ihr Zusammenwirken die Oberhand er¬
halten möchten. Bei einem andern Anlaß, als es sich um die Bestimmung
von Geldbußen für die Ablehnung eines Gemeindeamtes handelte, wollte der
Abgeordnete Kemenater die kaiserlichen Bezirksämter ganz ausgeschlossen wissen,
da „es ziemlich unangenehm sei, wenn man in diesem Falle gänzlich von der
Gnade der politischen Behörde abhängen muß." Auch Buron Paul Giovanelli
trug darauf an, die Entscheidung in Recursfällen über verweigerte Eheconsense
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