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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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zufeiern bereit war. Bei dem darauf folgenden Festmahl und während des
ganzen achttägigen Verlaufs kein einziger Trinkspruch, kein einzig öffentlich ge-
sprochnes Wort über die Bedeutung des Unternehmens. Ein halb Dutzend
Straßen und Plätze waren mit Flaggen in den Landcsfarbcn und mit der
schwarzgelben Stadtfahne geschmückt, dazwischen sah man bisweilen das dreifar¬
bige deutsche Banner, nur nicht auf Staatsgebäudcn und nickt in der Nähe
der königlichen Residenz. In der übrigen Stadt hatten die Hausbewohner es
nicht der Mühe werth gefunden, von dem Fest Notiz zu nehmen; nur hier
und da wehte ein vereinsamtes Fähnlein. Auf dem Festplatz selbst verkehrte
das Publicum in gleichgiltiger Wetttagsstimmung. Es war mit einem Wort
nicht ein Schützenfest, sondern ein Schießen, und da man doch ein Fest gewollt
und angekündigt hatte, so war der Zweck verfehlt.

Die Ursache dieses Mißlingens liegt klar am Tage. Schon in dem aus¬
gegebenen Programm waren alle außervayerischen Schützen als Fremde bezeich¬
net und behandelt worden; sie blieben demgemäß auch weislich weg. Hätte
man nur Lust und Muth gehabt, das Ganze zu einer rücksichtslosen Demon¬
stration des blauweißen Particularicnuus zu gestalten, so wäre vielleicht aus
dem Feste etwas Rechtes in seiner Art geworden. Allein dazu fehlte doch den
Einen der Muth, den Andern die Lust. Noch weniger konnte begreiflich auf
Münchner Boden an ein Fest von ausgeprägt deutsch-nationalem Charakter zu
denken sein, und für eine ungezwungne Verbindung der beiden Elemente war
wiederum die Befangenheit zu groß. Da nun die Festredner sich weder schwarz-
rothgoldeu noch blauweiß compromittiren durften, so redeten sie gar nicht; da
man das Volk weder bayerisch noch national stimmen und begeistern durfte,
so war es gar nicht gestimmt und begeistert, und unter so bewandten Umständen
wurde unvermeidlich aus dem Fest ein Geschäft."

Und nun noch ein Wort über die leipziger Tage. Wir fürchten sehr, sie
nicht in ihrer ganzen Fülle und Farbe geschildert zu haben; denn wie vermöch¬
ten Worte sie wiederzugeben. Aber wir hoffen zugleich, sie in ihrer Bedeutung
nicht überschätzt zu haben. Unzweifelhaft hatten sie wie alles Menschliche ihre
Mängel, aber ebenso sicher ist, daß das Gute bei weitem überwog. Diese
Feste mit ihrer bunten Pracht sind nur Blüthen am neucrgrünten Baume des
deutschen Lebens, aber der Geist, der sich in diesen Frühlingszeichen kundgab,
ist uns Bürge dafür, daß es nicht taube Blüthen sind. Der Sommer wird
kommen und die Frucht nicht fehlen. Die Kraft, die sie erzeugt, ist vorhanden,
auch das Gefühl, sie zu haben. Noch mangelt vieler Orten der Wille, sie
zu brauchen, und die Erkenntniß, sie recht zu brauchen. Aber immer wei¬
ter und weiter dringt beides durch die Adern und Nerven der Nation.
Wenige Jahre von außen nicht gestörter Entwickelung noch, und die Fahne,
welche wir über den beim Feste versammelten Massen wehen sahen, wird auch


Grenzboten III. 18S3. 38

zufeiern bereit war. Bei dem darauf folgenden Festmahl und während des
ganzen achttägigen Verlaufs kein einziger Trinkspruch, kein einzig öffentlich ge-
sprochnes Wort über die Bedeutung des Unternehmens. Ein halb Dutzend
Straßen und Plätze waren mit Flaggen in den Landcsfarbcn und mit der
schwarzgelben Stadtfahne geschmückt, dazwischen sah man bisweilen das dreifar¬
bige deutsche Banner, nur nicht auf Staatsgebäudcn und nickt in der Nähe
der königlichen Residenz. In der übrigen Stadt hatten die Hausbewohner es
nicht der Mühe werth gefunden, von dem Fest Notiz zu nehmen; nur hier
und da wehte ein vereinsamtes Fähnlein. Auf dem Festplatz selbst verkehrte
das Publicum in gleichgiltiger Wetttagsstimmung. Es war mit einem Wort
nicht ein Schützenfest, sondern ein Schießen, und da man doch ein Fest gewollt
und angekündigt hatte, so war der Zweck verfehlt.

Die Ursache dieses Mißlingens liegt klar am Tage. Schon in dem aus¬
gegebenen Programm waren alle außervayerischen Schützen als Fremde bezeich¬
net und behandelt worden; sie blieben demgemäß auch weislich weg. Hätte
man nur Lust und Muth gehabt, das Ganze zu einer rücksichtslosen Demon¬
stration des blauweißen Particularicnuus zu gestalten, so wäre vielleicht aus
dem Feste etwas Rechtes in seiner Art geworden. Allein dazu fehlte doch den
Einen der Muth, den Andern die Lust. Noch weniger konnte begreiflich auf
Münchner Boden an ein Fest von ausgeprägt deutsch-nationalem Charakter zu
denken sein, und für eine ungezwungne Verbindung der beiden Elemente war
wiederum die Befangenheit zu groß. Da nun die Festredner sich weder schwarz-
rothgoldeu noch blauweiß compromittiren durften, so redeten sie gar nicht; da
man das Volk weder bayerisch noch national stimmen und begeistern durfte,
so war es gar nicht gestimmt und begeistert, und unter so bewandten Umständen
wurde unvermeidlich aus dem Fest ein Geschäft."

Und nun noch ein Wort über die leipziger Tage. Wir fürchten sehr, sie
nicht in ihrer ganzen Fülle und Farbe geschildert zu haben; denn wie vermöch¬
ten Worte sie wiederzugeben. Aber wir hoffen zugleich, sie in ihrer Bedeutung
nicht überschätzt zu haben. Unzweifelhaft hatten sie wie alles Menschliche ihre
Mängel, aber ebenso sicher ist, daß das Gute bei weitem überwog. Diese
Feste mit ihrer bunten Pracht sind nur Blüthen am neucrgrünten Baume des
deutschen Lebens, aber der Geist, der sich in diesen Frühlingszeichen kundgab,
ist uns Bürge dafür, daß es nicht taube Blüthen sind. Der Sommer wird
kommen und die Frucht nicht fehlen. Die Kraft, die sie erzeugt, ist vorhanden,
auch das Gefühl, sie zu haben. Noch mangelt vieler Orten der Wille, sie
zu brauchen, und die Erkenntniß, sie recht zu brauchen. Aber immer wei¬
ter und weiter dringt beides durch die Adern und Nerven der Nation.
Wenige Jahre von außen nicht gestörter Entwickelung noch, und die Fahne,
welche wir über den beim Feste versammelten Massen wehen sahen, wird auch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/281>, abgerufen am 22.12.2024.