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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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zeigt sich das stattliche Schloß eines Dominialhofcs. Der bescheidene Landes-
einwohner hat diese Gegend mit dem Namen der polnischen Schweiz geehrt.
Wenige Meilen hinter Kosten tritt aber wieder die frühere trostlose Monotonie
ein und steigert sich, je mehr man sich der Stadt Posen nähert, um Moschin,
Czempin, Stenczewo zu einem erschrecklichen Grade. Endlich bekommen wir
die gelb und trage dahiniriechende Warthe zu Gesicht, und die Thürme und
Thürmchen der Stadt wachsen langsam aus dem Erdboden vor uns heraus.
Als wir zum ersten Male dieses Anblicks genossen (allerdings war es an einem
rauhen und unfreundliche" Märztage), lag ein jahrelanger Aufenthalt in Posen
vor uns -- und uns überschlich ein leises Frösteln.

Kurz vor der Stadt macht die Eisenbahn, die Festungswerke fast streifend,
einen scharfen Bogen und steigt aus der Wartheniederung zum hochgelegenen
Bahnhof empor. Bon dort aus hat man den ersten Ueberblick über einen
großen Theil der Stadt und der Festungsanlagen. Aus fortificatorischen Rücksichten
hat man den Bahnhof nur provisorisch und aus Fachwerk fast eine Viertelstunde
von der Stadt entfernt bauen müssen; indessen ist später ein Schienenstrang
unter dem Hauptwall hindurch in der Nähe des Wilda-Forts in die Stadt
hineingeführt und dort auf der inneren Seite des Hauptwalles der Bau eines
permanenten Bahnhofes begonnen worden, von welchem aus die projectirte
posen-brvmbcrgcr Bahn die Stadt und den Fluß in einem ungeheuren Viaduct
nach dem rechten Wartheufer hin überschreiten wird. Vom jetzigen Bahnhof
aus sieht man den grünem Rand des vorliegenden Glacis, über den die Mauer¬
kanten des Wilda- und Berliner-Forts, sowie die dahinter gelegenen ansehn¬
lichen Stadttheile, die Neustadt und Se. Martin, beträchtlich hervorragen.
Weiter rechts liegt das Dorf Wilda, noch weiter rechts das elende Dorf
Dembsen mit seinem classischen dembsener Sande, dem Exercierplatz für die
größeren Uebungen der Garnison. Zur Linken hingegen zieht sich ein breiter
Thalgrund in die Werke hinein; dort unten im Thal liegt das Fort Se. Adal-
bert mit seinen sauberen Walllinien und Schleusen, und jenseit des Thalgrun¬
des steigt, dicht und anmuthig mit Laubholz bewachsen, der Hügel empor, den
das großartige Fort Winiary krönt. Wir würden die kriegerische Bestimmung
dieses Hügels nicht ahnen, schauten nicht über die Baumkronen die gewaltigen
Thürme heraus, deren größter die preußische schwarz-weiße Fahne weit in das
Land hinein wehen läßt. Wir aber werfen uns in einen der bereitstehenden
Hotelwagen, rollen im Galopp der Stadt zu, durch die finstere Poterne des
berliner Thors in dieselbe hinein, durch elegante glänzende Straßen, über den
prächtigen Wilhelmsplatz einem der Hotels an diesem Platze zu, die uns jeden
Comfort großer Städte bieten. Sodann wollen wir eine Umschau halten.

Die heutige Stadt zerfällt in drei, ihrem inneren und äußeren Wesen nach
verschiedene Stadttheile: auf dem rechten Ufer der Warthe, zu beiden Seiten


zeigt sich das stattliche Schloß eines Dominialhofcs. Der bescheidene Landes-
einwohner hat diese Gegend mit dem Namen der polnischen Schweiz geehrt.
Wenige Meilen hinter Kosten tritt aber wieder die frühere trostlose Monotonie
ein und steigert sich, je mehr man sich der Stadt Posen nähert, um Moschin,
Czempin, Stenczewo zu einem erschrecklichen Grade. Endlich bekommen wir
die gelb und trage dahiniriechende Warthe zu Gesicht, und die Thürme und
Thürmchen der Stadt wachsen langsam aus dem Erdboden vor uns heraus.
Als wir zum ersten Male dieses Anblicks genossen (allerdings war es an einem
rauhen und unfreundliche» Märztage), lag ein jahrelanger Aufenthalt in Posen
vor uns — und uns überschlich ein leises Frösteln.

Kurz vor der Stadt macht die Eisenbahn, die Festungswerke fast streifend,
einen scharfen Bogen und steigt aus der Wartheniederung zum hochgelegenen
Bahnhof empor. Bon dort aus hat man den ersten Ueberblick über einen
großen Theil der Stadt und der Festungsanlagen. Aus fortificatorischen Rücksichten
hat man den Bahnhof nur provisorisch und aus Fachwerk fast eine Viertelstunde
von der Stadt entfernt bauen müssen; indessen ist später ein Schienenstrang
unter dem Hauptwall hindurch in der Nähe des Wilda-Forts in die Stadt
hineingeführt und dort auf der inneren Seite des Hauptwalles der Bau eines
permanenten Bahnhofes begonnen worden, von welchem aus die projectirte
posen-brvmbcrgcr Bahn die Stadt und den Fluß in einem ungeheuren Viaduct
nach dem rechten Wartheufer hin überschreiten wird. Vom jetzigen Bahnhof
aus sieht man den grünem Rand des vorliegenden Glacis, über den die Mauer¬
kanten des Wilda- und Berliner-Forts, sowie die dahinter gelegenen ansehn¬
lichen Stadttheile, die Neustadt und Se. Martin, beträchtlich hervorragen.
Weiter rechts liegt das Dorf Wilda, noch weiter rechts das elende Dorf
Dembsen mit seinem classischen dembsener Sande, dem Exercierplatz für die
größeren Uebungen der Garnison. Zur Linken hingegen zieht sich ein breiter
Thalgrund in die Werke hinein; dort unten im Thal liegt das Fort Se. Adal-
bert mit seinen sauberen Walllinien und Schleusen, und jenseit des Thalgrun¬
des steigt, dicht und anmuthig mit Laubholz bewachsen, der Hügel empor, den
das großartige Fort Winiary krönt. Wir würden die kriegerische Bestimmung
dieses Hügels nicht ahnen, schauten nicht über die Baumkronen die gewaltigen
Thürme heraus, deren größter die preußische schwarz-weiße Fahne weit in das
Land hinein wehen läßt. Wir aber werfen uns in einen der bereitstehenden
Hotelwagen, rollen im Galopp der Stadt zu, durch die finstere Poterne des
berliner Thors in dieselbe hinein, durch elegante glänzende Straßen, über den
prächtigen Wilhelmsplatz einem der Hotels an diesem Platze zu, die uns jeden
Comfort großer Städte bieten. Sodann wollen wir eine Umschau halten.

Die heutige Stadt zerfällt in drei, ihrem inneren und äußeren Wesen nach
verschiedene Stadttheile: auf dem rechten Ufer der Warthe, zu beiden Seiten


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[0261] zeigt sich das stattliche Schloß eines Dominialhofcs. Der bescheidene Landes- einwohner hat diese Gegend mit dem Namen der polnischen Schweiz geehrt. Wenige Meilen hinter Kosten tritt aber wieder die frühere trostlose Monotonie ein und steigert sich, je mehr man sich der Stadt Posen nähert, um Moschin, Czempin, Stenczewo zu einem erschrecklichen Grade. Endlich bekommen wir die gelb und trage dahiniriechende Warthe zu Gesicht, und die Thürme und Thürmchen der Stadt wachsen langsam aus dem Erdboden vor uns heraus. Als wir zum ersten Male dieses Anblicks genossen (allerdings war es an einem rauhen und unfreundliche» Märztage), lag ein jahrelanger Aufenthalt in Posen vor uns — und uns überschlich ein leises Frösteln. Kurz vor der Stadt macht die Eisenbahn, die Festungswerke fast streifend, einen scharfen Bogen und steigt aus der Wartheniederung zum hochgelegenen Bahnhof empor. Bon dort aus hat man den ersten Ueberblick über einen großen Theil der Stadt und der Festungsanlagen. Aus fortificatorischen Rücksichten hat man den Bahnhof nur provisorisch und aus Fachwerk fast eine Viertelstunde von der Stadt entfernt bauen müssen; indessen ist später ein Schienenstrang unter dem Hauptwall hindurch in der Nähe des Wilda-Forts in die Stadt hineingeführt und dort auf der inneren Seite des Hauptwalles der Bau eines permanenten Bahnhofes begonnen worden, von welchem aus die projectirte posen-brvmbcrgcr Bahn die Stadt und den Fluß in einem ungeheuren Viaduct nach dem rechten Wartheufer hin überschreiten wird. Vom jetzigen Bahnhof aus sieht man den grünem Rand des vorliegenden Glacis, über den die Mauer¬ kanten des Wilda- und Berliner-Forts, sowie die dahinter gelegenen ansehn¬ lichen Stadttheile, die Neustadt und Se. Martin, beträchtlich hervorragen. Weiter rechts liegt das Dorf Wilda, noch weiter rechts das elende Dorf Dembsen mit seinem classischen dembsener Sande, dem Exercierplatz für die größeren Uebungen der Garnison. Zur Linken hingegen zieht sich ein breiter Thalgrund in die Werke hinein; dort unten im Thal liegt das Fort Se. Adal- bert mit seinen sauberen Walllinien und Schleusen, und jenseit des Thalgrun¬ des steigt, dicht und anmuthig mit Laubholz bewachsen, der Hügel empor, den das großartige Fort Winiary krönt. Wir würden die kriegerische Bestimmung dieses Hügels nicht ahnen, schauten nicht über die Baumkronen die gewaltigen Thürme heraus, deren größter die preußische schwarz-weiße Fahne weit in das Land hinein wehen läßt. Wir aber werfen uns in einen der bereitstehenden Hotelwagen, rollen im Galopp der Stadt zu, durch die finstere Poterne des berliner Thors in dieselbe hinein, durch elegante glänzende Straßen, über den prächtigen Wilhelmsplatz einem der Hotels an diesem Platze zu, die uns jeden Comfort großer Städte bieten. Sodann wollen wir eine Umschau halten. Die heutige Stadt zerfällt in drei, ihrem inneren und äußeren Wesen nach verschiedene Stadttheile: auf dem rechten Ufer der Warthe, zu beiden Seiten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/261>, abgerufen am 22.12.2024.