Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.einigende Idee, die der östreichischen Herrschaft gefährlich werden sollte. Italien Oestreich ist in dem Kampfe gegen die vereinigte Macht Piemonts und Denn darüber kann kein Zweifel sein, daß der Standpunkt, aus dem die einigende Idee, die der östreichischen Herrschaft gefährlich werden sollte. Italien Oestreich ist in dem Kampfe gegen die vereinigte Macht Piemonts und Denn darüber kann kein Zweifel sein, daß der Standpunkt, aus dem die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0252" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115642"/> <p xml:id="ID_687" prev="#ID_686"> einigende Idee, die der östreichischen Herrschaft gefährlich werden sollte. Italien<lb/> fing an zu begreifen, daß alle Freiheitsgedanken Träume waren, so lange sie<lb/> vereinzelt mit leichter Mühe durch Oestreichs Einfluß unterdrückt werden konn¬<lb/> ten: die italienische Bewegung nahm einen bewußt nationalen Charakter an,<lb/> und von dem Augenblicke an war Oestreich genöthigt, sich in Italien dauernd<lb/> auf den Kriegsfuß einzurichten. Was aber den nationalen Bestrebungen ihre<lb/> Kraft verlieh, war, daß sie sich von jedem unpraktischen Idealismus, wenn<lb/> auch nicht von Anfang an frei erhielten, doch in ihrer fortschreitenden Ent¬<lb/> wickelung frei machten und mit seltenem politischen Takte aller Stammcseifer-<lb/> sucht zum Troß sich der Leitung des einzigen kräftigen Gemeinwesens über¬<lb/> ließen, welches in Italien bestand. Die Kunst freilich, zu gleicher Zeit für die<lb/> absolute Selbständigkeit seines engeren und die Einigung seines weiteren Vater¬<lb/> landes zu schwärmen, hat der Italiener nicht verstanden: sie ist ein Alleinbesitz<lb/> des, Deutschen.</p><lb/> <p xml:id="ID_688"> Oestreich ist in dem Kampfe gegen die vereinigte Macht Piemonts und<lb/> Frankreichs unterlegen. Nach seiner Niederlage hat die Einheit Italiens, wenn<lb/> auch noch nicht über alle Theile der Halbinsel sich erstreckend, mit reißender<lb/> Schnelligkeit sich vollzogen. Das Königreich Italien ist eine von fast ganz<lb/> Europa anerkannte Thatsache, eine Thatsache, die dadurch nicht rückgängig ge¬<lb/> macht wird, daß Oestreich und der Papst sie nicht anerkennen oder sie igno-<lb/> riren, eine Thatsache, die unter allen Umständen einen großen Einfluß auf die<lb/> Verhältnisse des europäischen Staatensystems ausüben wird; ob einen günstigen<lb/> oder ungünstigen, das wird zum nicht geringen Theil davon abhängen, ob<lb/> Oestreich und zwar in nicht allzuferner Zeit zu dem neuen Königreiche in ein<lb/> freundschaftliches Verhältniß treten, oder ob es durch eine fortgesetzte Feind¬<lb/> schaft das Band, welches Frankreich mit Italien verknüpft, zu einem immer<lb/> festeren machen wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_689" next="#ID_690"> Denn darüber kann kein Zweifel sein, daß der Standpunkt, aus dem die<lb/> Frage Italiens von jedem Staate, zumal von dem zunächst bethätigten, Oest¬<lb/> reich, vernünftigerweise betrachtet werden muß, in erster Linie von der Rück¬<lb/> sicht auf das drohende Uebergewicht Frankreichs bestimmt wird. Italien, und<lb/> das ist die Schattenseite der italienischen Bewegung, verdankt seine Befreiung<lb/> der Hilfe Frankreichs. Seine Einigung hat es zwar wider den Willen Frank¬<lb/> reichs vollzogen, doch aber unter Umständen, die Frankreich gestatten, auch auf<lb/> die geeinigte Nation einen überwiegenden Einfluß zu üben, auch wenn wir<lb/> ganz von den Pflichten der Dankbarkeit absehen, die Italien für jetzt, trotz<lb/> Nizzas und Savoyens, an Frankreich knüpfen. Es ist schwer, sich eine euro¬<lb/> päische Verwickelung vorzustellen, in der Italien für jetzt nicht genöthigt wäre,<lb/> das Gewicht seiner Macht in die Wagschale Frankreichs zu werfen. Es hat von<lb/> Frankreich Alles zu hoffen und Alles zu fürchten; es muß ferner erwarten,'</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0252]
einigende Idee, die der östreichischen Herrschaft gefährlich werden sollte. Italien
fing an zu begreifen, daß alle Freiheitsgedanken Träume waren, so lange sie
vereinzelt mit leichter Mühe durch Oestreichs Einfluß unterdrückt werden konn¬
ten: die italienische Bewegung nahm einen bewußt nationalen Charakter an,
und von dem Augenblicke an war Oestreich genöthigt, sich in Italien dauernd
auf den Kriegsfuß einzurichten. Was aber den nationalen Bestrebungen ihre
Kraft verlieh, war, daß sie sich von jedem unpraktischen Idealismus, wenn
auch nicht von Anfang an frei erhielten, doch in ihrer fortschreitenden Ent¬
wickelung frei machten und mit seltenem politischen Takte aller Stammcseifer-
sucht zum Troß sich der Leitung des einzigen kräftigen Gemeinwesens über¬
ließen, welches in Italien bestand. Die Kunst freilich, zu gleicher Zeit für die
absolute Selbständigkeit seines engeren und die Einigung seines weiteren Vater¬
landes zu schwärmen, hat der Italiener nicht verstanden: sie ist ein Alleinbesitz
des, Deutschen.
Oestreich ist in dem Kampfe gegen die vereinigte Macht Piemonts und
Frankreichs unterlegen. Nach seiner Niederlage hat die Einheit Italiens, wenn
auch noch nicht über alle Theile der Halbinsel sich erstreckend, mit reißender
Schnelligkeit sich vollzogen. Das Königreich Italien ist eine von fast ganz
Europa anerkannte Thatsache, eine Thatsache, die dadurch nicht rückgängig ge¬
macht wird, daß Oestreich und der Papst sie nicht anerkennen oder sie igno-
riren, eine Thatsache, die unter allen Umständen einen großen Einfluß auf die
Verhältnisse des europäischen Staatensystems ausüben wird; ob einen günstigen
oder ungünstigen, das wird zum nicht geringen Theil davon abhängen, ob
Oestreich und zwar in nicht allzuferner Zeit zu dem neuen Königreiche in ein
freundschaftliches Verhältniß treten, oder ob es durch eine fortgesetzte Feind¬
schaft das Band, welches Frankreich mit Italien verknüpft, zu einem immer
festeren machen wird.
Denn darüber kann kein Zweifel sein, daß der Standpunkt, aus dem die
Frage Italiens von jedem Staate, zumal von dem zunächst bethätigten, Oest¬
reich, vernünftigerweise betrachtet werden muß, in erster Linie von der Rück¬
sicht auf das drohende Uebergewicht Frankreichs bestimmt wird. Italien, und
das ist die Schattenseite der italienischen Bewegung, verdankt seine Befreiung
der Hilfe Frankreichs. Seine Einigung hat es zwar wider den Willen Frank¬
reichs vollzogen, doch aber unter Umständen, die Frankreich gestatten, auch auf
die geeinigte Nation einen überwiegenden Einfluß zu üben, auch wenn wir
ganz von den Pflichten der Dankbarkeit absehen, die Italien für jetzt, trotz
Nizzas und Savoyens, an Frankreich knüpfen. Es ist schwer, sich eine euro¬
päische Verwickelung vorzustellen, in der Italien für jetzt nicht genöthigt wäre,
das Gewicht seiner Macht in die Wagschale Frankreichs zu werfen. Es hat von
Frankreich Alles zu hoffen und Alles zu fürchten; es muß ferner erwarten,'
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