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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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Zurückweisung stoßen wird, wo man nicht etwa Veranlassung hat, Herrn
v. Bismarck als gefälligen Diener fremder Interessen zu benutzen. Nicht nur
in England, sondern auch in Oestreich weiß die Regierung, daß eine Verbin¬
dung mit dem Staate der Preßvrdonnanz vom 1. Juni und der ungelösten
Verfassungsconflicte die unpopulärste aller Maßregeln wäre. Oestreich hat jede
Ursache, mit stiller Freude auf die Schwäche und politische Ohnmacht zu blicken, zu
welcher Preußen herabgedrückt ist. und man wendet gerade jetzt in Wien alle Mittel
an, die Position in der öffentlichen Meinung einzunehmen, welche Preußen vor
wenig Jahren inne hatte, und welche die preußische Regierung in unerhörter Weise
aufgegeben hat. In England aber betrachtet man zwar das liberale protestan¬
tische Preußen als den natürlichen Verbündeten, und man würde von dort einer
volkstümlichen, entschlossenen Regierung aufrichtig entgegenkommen, an der
Freundschaft des gegenwärtigen Systems aber ist dem englischen Ministerium we¬
niger gelegen, als etwa an Schweden und Dänemark. Und so lange die Männer
der Kreuzzeitung den relativ größten Einfluß auf die Regierungsgeschäfte haben,
wird dies Verhältniß nicht anders werden und der einzige große patriotische
Dienst, den sie dem Staat jetzt erweisen könnten, wäre, daß sie sich selbst für
unmöglich und unfähig zur Regierung erklärten.

Aber Bedeutung hat das Schwanken der Kreuzzeitungspartei insofern, als
es zeigt, daß diese Partei schon jetzt die eigene Schwäche empfindet, und die
Unmöglichkeit auf dem betretenen Wege, als Vorposten und Vasall Rußlands,
einen europäischen Krieg durchzukämpfen.

Noch wichtiger ist die radicale Erklärung der polnischen Partei, welche
Wiederherstellung Polens mit den Grenzen von 1772 beansprucht. Welchen
nächsten Zweck auch dies thörichte Manöver hatte, für die Regierungen Europas
ist es ein Symptom, das die Bewcgungspartei in Polen, verführt durch die
Wärme, welche Cabinete und Völker Europas ihren Interessen angedeihen ließen,
den Standpunkt verlassen hat, welcher allein eine aufrichtige Unterstützung der
polnischen Sache möglich macht. Deshalb wird die fliegende Hitze dieser Er¬
klärung die entsprechenden Folgen haben, sie erschwert den Regierungen von
England und Frankreich, sich noch weiter für die Polen zu bemühen, sie macht
es dem Cabinet des Grafen Rechberg fast unmöglich. Die Polen sind über¬
haupt in gefährlichem Irrthum über die Tiefe und Energie des Antheils, wel¬
chen sie in Frankreich und England gewonnen haben; dieselbe nüchterne Be¬
trachtung ihrer Lage und ihres Werthes, welche bei ihren Nachbarn in Deutsch¬
land die herrschende ist, beginnt auch bei andern civilisirten Nationen zur
Geltung zu kommen. Die polnische Bewegungspartei wird dabei nicht gewinnen.
Wenn wir Deutsche während ihres Kampfes für die Einzelnen die hohe menschliche
Theilnahme und Achtung haben, welche der verdient, welcher für seine Ueber¬
zeugung das Leben einsetzt, so wird diese Theilnahme für ihre Nationalität


Zurückweisung stoßen wird, wo man nicht etwa Veranlassung hat, Herrn
v. Bismarck als gefälligen Diener fremder Interessen zu benutzen. Nicht nur
in England, sondern auch in Oestreich weiß die Regierung, daß eine Verbin¬
dung mit dem Staate der Preßvrdonnanz vom 1. Juni und der ungelösten
Verfassungsconflicte die unpopulärste aller Maßregeln wäre. Oestreich hat jede
Ursache, mit stiller Freude auf die Schwäche und politische Ohnmacht zu blicken, zu
welcher Preußen herabgedrückt ist. und man wendet gerade jetzt in Wien alle Mittel
an, die Position in der öffentlichen Meinung einzunehmen, welche Preußen vor
wenig Jahren inne hatte, und welche die preußische Regierung in unerhörter Weise
aufgegeben hat. In England aber betrachtet man zwar das liberale protestan¬
tische Preußen als den natürlichen Verbündeten, und man würde von dort einer
volkstümlichen, entschlossenen Regierung aufrichtig entgegenkommen, an der
Freundschaft des gegenwärtigen Systems aber ist dem englischen Ministerium we¬
niger gelegen, als etwa an Schweden und Dänemark. Und so lange die Männer
der Kreuzzeitung den relativ größten Einfluß auf die Regierungsgeschäfte haben,
wird dies Verhältniß nicht anders werden und der einzige große patriotische
Dienst, den sie dem Staat jetzt erweisen könnten, wäre, daß sie sich selbst für
unmöglich und unfähig zur Regierung erklärten.

Aber Bedeutung hat das Schwanken der Kreuzzeitungspartei insofern, als
es zeigt, daß diese Partei schon jetzt die eigene Schwäche empfindet, und die
Unmöglichkeit auf dem betretenen Wege, als Vorposten und Vasall Rußlands,
einen europäischen Krieg durchzukämpfen.

Noch wichtiger ist die radicale Erklärung der polnischen Partei, welche
Wiederherstellung Polens mit den Grenzen von 1772 beansprucht. Welchen
nächsten Zweck auch dies thörichte Manöver hatte, für die Regierungen Europas
ist es ein Symptom, das die Bewcgungspartei in Polen, verführt durch die
Wärme, welche Cabinete und Völker Europas ihren Interessen angedeihen ließen,
den Standpunkt verlassen hat, welcher allein eine aufrichtige Unterstützung der
polnischen Sache möglich macht. Deshalb wird die fliegende Hitze dieser Er¬
klärung die entsprechenden Folgen haben, sie erschwert den Regierungen von
England und Frankreich, sich noch weiter für die Polen zu bemühen, sie macht
es dem Cabinet des Grafen Rechberg fast unmöglich. Die Polen sind über¬
haupt in gefährlichem Irrthum über die Tiefe und Energie des Antheils, wel¬
chen sie in Frankreich und England gewonnen haben; dieselbe nüchterne Be¬
trachtung ihrer Lage und ihres Werthes, welche bei ihren Nachbarn in Deutsch¬
land die herrschende ist, beginnt auch bei andern civilisirten Nationen zur
Geltung zu kommen. Die polnische Bewegungspartei wird dabei nicht gewinnen.
Wenn wir Deutsche während ihres Kampfes für die Einzelnen die hohe menschliche
Theilnahme und Achtung haben, welche der verdient, welcher für seine Ueber¬
zeugung das Leben einsetzt, so wird diese Theilnahme für ihre Nationalität


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/245>, abgerufen am 22.12.2024.