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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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sobat und der Nordsobat, der Blaue Fluß und der Atbara. Die Annahme,
daß der Blaue Fluß der eigentliche Nil sei, muß nach der Entdeckung Spekes
gänzlich aufgegeben werden, da er nur ein Bergstrom ist, welcher aus einem
nicht innerhalb der Regenzone gelegenen Lande herkommt und dem Einfluß von
periodischen Regengüssen und Dürren unterworfen ist. In der trocknen Jah¬
reszeit würde er ohne seine Bereinigung mit dem Weißen Nil seine Wasser
verloren haben, ehe er das Meer erreichen könnte.

Wir haben den Nil bis zu den Gegenden verfolgt, die uns bereits bekannt
waren. Kehren wir jetzt aus einen Augenblick nach dem Nyanza zurück, um
Einiges über unsre Reisenden sowie über die Völkerschaften nachzuholen, welche
sie auf ihrer Reise berührten.

Von Uganda waren Speke und Grant nach dem Reiche Unyoro gelangt,
wo das Volk roher und barbarischer wurde, und wo König Kaurasi sich gegen
sie nichts weniger als gastfreundlich bewies, sie mit Argwohn behandelte, ihre
Weiterreise nach Kräften hinderte und ihnen so viel als möglich Geschenke ab¬
preßte. Ein volles Jahr hatten die beiden Reisenden seit ihrem Eintreffen in
.ttaragweh gebraucht, als es ihnen endlich gelang, sich die Erlaubniß zum Auf¬
bruch von Unyoro zu verschaffen. Schwerlich würden sie dieselbe erhalten ha¬
ben, wenn nicht auch die dortige schwarze Majestät Verlangen getragen hätte,
einen Handelsverkehr mit den Weißen zu eröffnen.

Noch roher zeigten sich die Stämme weiter nördlich, und namentlich gingen
sie fast ganz unbekleidet, hier und da auch völlig nackt einher. Ferner aber machte
Speke die Bemerkung, daß hier die Sprachen der südafrikanischen Familie plötz¬
lich aufhören und den Dialekten der nördlichen Familie Raum geben, die we¬
sentlich von jenen verschieden sind, so daß man neue Dolmetscher annehmen
mußte. Auf dem zweiten Grad n. Br. strömt der Nil in weitem Bogen nach
Westen, wo er sich dem Luta Nzige-See nähert, und dann wieder nach Norden
und Osten. Die Reisenden aber folgten diesem Bogen nicht, sondern gingen
auf der Sehne desselben weiter, und da hier, d. h. zwischen den beiden End¬
punkten der Sehne, eine gegen 1000 Fuß betragende Differenz im Niveau des
Flusses herrscht, so ergibt sich eine empfindliche Lücke in dem Gang der Reise.

In der ersten Woche des Februar 1863 trafen die Quellenfinder des Nil
in de Bonos Elfenbein-Station, auf 3° 45' n. Br. ein, wo man sie freundlich
aufnahm. Am 15. Februar begrüßte sie in Gondokoro ein befreundeter Lands¬
mann. Petherick, welcher ihnen von Chartum entgegengesandt worden war, hatte
unterwegs Unglück gehabt, und es hieß sogar einige Zeit, daß er umgekommen sei.
Auf die Nachricht hiervon hatte sich der Engländer Samuel Baker, ein unternehmen¬
der Reisender, wie jener, mit einer aus eigne Kosten ausgerüsteten Expedition
aufgemacht, um seine Stelle zu ersetzen. Er stellte den glücklich aus dem Sü¬
den Zurückgekehrten sofort Vorräthe zur Verfügung gab, ihnen Geld zur Fahrt


sobat und der Nordsobat, der Blaue Fluß und der Atbara. Die Annahme,
daß der Blaue Fluß der eigentliche Nil sei, muß nach der Entdeckung Spekes
gänzlich aufgegeben werden, da er nur ein Bergstrom ist, welcher aus einem
nicht innerhalb der Regenzone gelegenen Lande herkommt und dem Einfluß von
periodischen Regengüssen und Dürren unterworfen ist. In der trocknen Jah¬
reszeit würde er ohne seine Bereinigung mit dem Weißen Nil seine Wasser
verloren haben, ehe er das Meer erreichen könnte.

Wir haben den Nil bis zu den Gegenden verfolgt, die uns bereits bekannt
waren. Kehren wir jetzt aus einen Augenblick nach dem Nyanza zurück, um
Einiges über unsre Reisenden sowie über die Völkerschaften nachzuholen, welche
sie auf ihrer Reise berührten.

Von Uganda waren Speke und Grant nach dem Reiche Unyoro gelangt,
wo das Volk roher und barbarischer wurde, und wo König Kaurasi sich gegen
sie nichts weniger als gastfreundlich bewies, sie mit Argwohn behandelte, ihre
Weiterreise nach Kräften hinderte und ihnen so viel als möglich Geschenke ab¬
preßte. Ein volles Jahr hatten die beiden Reisenden seit ihrem Eintreffen in
.ttaragweh gebraucht, als es ihnen endlich gelang, sich die Erlaubniß zum Auf¬
bruch von Unyoro zu verschaffen. Schwerlich würden sie dieselbe erhalten ha¬
ben, wenn nicht auch die dortige schwarze Majestät Verlangen getragen hätte,
einen Handelsverkehr mit den Weißen zu eröffnen.

Noch roher zeigten sich die Stämme weiter nördlich, und namentlich gingen
sie fast ganz unbekleidet, hier und da auch völlig nackt einher. Ferner aber machte
Speke die Bemerkung, daß hier die Sprachen der südafrikanischen Familie plötz¬
lich aufhören und den Dialekten der nördlichen Familie Raum geben, die we¬
sentlich von jenen verschieden sind, so daß man neue Dolmetscher annehmen
mußte. Auf dem zweiten Grad n. Br. strömt der Nil in weitem Bogen nach
Westen, wo er sich dem Luta Nzige-See nähert, und dann wieder nach Norden
und Osten. Die Reisenden aber folgten diesem Bogen nicht, sondern gingen
auf der Sehne desselben weiter, und da hier, d. h. zwischen den beiden End¬
punkten der Sehne, eine gegen 1000 Fuß betragende Differenz im Niveau des
Flusses herrscht, so ergibt sich eine empfindliche Lücke in dem Gang der Reise.

In der ersten Woche des Februar 1863 trafen die Quellenfinder des Nil
in de Bonos Elfenbein-Station, auf 3° 45' n. Br. ein, wo man sie freundlich
aufnahm. Am 15. Februar begrüßte sie in Gondokoro ein befreundeter Lands¬
mann. Petherick, welcher ihnen von Chartum entgegengesandt worden war, hatte
unterwegs Unglück gehabt, und es hieß sogar einige Zeit, daß er umgekommen sei.
Auf die Nachricht hiervon hatte sich der Engländer Samuel Baker, ein unternehmen¬
der Reisender, wie jener, mit einer aus eigne Kosten ausgerüsteten Expedition
aufgemacht, um seine Stelle zu ersetzen. Er stellte den glücklich aus dem Sü¬
den Zurückgekehrten sofort Vorräthe zur Verfügung gab, ihnen Geld zur Fahrt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/230>, abgerufen am 28.07.2024.