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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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diesem Zeitraum erweitert worden, und mit gerechtem Stolz gedenkt dabei der
Deutsche, daß Reisende seiner Nation zu dieser Erweiterung das Beste bei¬
getragen haben. Frühern Geschlechtern ein wüstcnverhülltes-Mysterium, ist
dieser Erdtheil jetzt auf allen Seiten seines Küstcnsaumes von rüstigen Ent¬
deckern in Angriff genommen. Seine Ströme hinauf, durch seine Wildnisse hin,
über seine Gebirge hinweg sind sie, unerschrocken vor seinen wilden Stämmen,
seinen wasserleeren Strecken, seinen giftigen Fiebern, bis tief in die Mitte des
Landes vorgedrungen. Mehr und mehr füllt sich die Karte des mächtigen Con-
tinents, die bis vor Kurzem nur im Norden und Osten tiefer im Innern, sonst
aber fast nur am Gestade sicheres Wissen der Verhältnisse bekundete, mit Berg-
zügen und Flußläusen, mit Völkernamen und Punkten, welche Ortschaften be¬
zeichnen. Timbuktu und der Tschadsee, vor nicht vielen Jahren noch halbe
Mhthen. sind, und zwar vornehmlich durch deutsche Kühnheit und Ausdauer,
zu geographischen Wahrheiten geworden. Wiederum durch Deutsche wissen wir,
daß Ostafrika im Kenia und Kilimandscharo Berggipfel hat, die über die Schnee¬
linie hinausragen. Bekannt ist nun das Stromsystem des Niger, und aber¬
mals vorzüglich durch die Forschungen eines Landsmanns, und wenn die letzten
Wochen die Lösung eines andern großen afrikanischen Räthsels in die Annalen
der Entdeckungen verzeichneten, so werden wir zu zeigen haben, daß hier?ve-
nigstcns das Verdienst, wesentlich vorgearbeitet zu haben für den Sieg über
die entgegenstehenden Hindernisse, deutschen Namen gebührt.

Das Räthsel, dessen Lösung wir meinen, ist die Quelle, oder daß wir uns
gleich hier correct ausdrücken, die Hauptquelle des Nil, die im Jahre 1861
durch die Engländer Speke und Grant in einem Binnensee Ostafrikas entdeckt
wurde, und über welche die Entdecker im Juni zu London persönlich Bericht
erstatteten.

Die Frage nach dem Ursprung des Nil beschäftigte bereits die ältesten
Geschlechter, schon deshalb, weil nur mit ihrer Beantwortung das Geheimniß
der regelmäßig in jedem Herbst wiederkehrenden Überschwemmungen sich auf¬
klärte, welche Acgypten, das fast regenlose Land, als Oase in der Wüste blühen
lassen. Da keiner der Reisenden, welche seit Herodot sie aufwarfen, befriedi¬
genden Aufschluß fand, keines der Reiche, welche nach einander in dem lang¬
gestreckten Stromthale entstanden, seine Grenzen weit bis über die zweiten
Stromschellen ausdehnte, wo das Bett des Flusses und dessen Wassermasse
noch ganz so mächtig ist, als am Südende des Delta, so mußten Mythen und
Sagen zum Theil abenteuerlicher Art den Mangel an Wissen ersetzen. Liaxut
lWi guaererö war noch in spätrömischer Zeit sprichwörtliche Bezeichnung für
Bestrebungen zur Losung unlösbarer Ausgaben. Zwar kam Claudius Ptolomäus
der richtigen Bestimmung sehr nahe, aber seine Angaben fanden wenig Glauben,
und spätere Jahrhunderte begnügten sich von Neuem mit Fabeln. Das ganze


diesem Zeitraum erweitert worden, und mit gerechtem Stolz gedenkt dabei der
Deutsche, daß Reisende seiner Nation zu dieser Erweiterung das Beste bei¬
getragen haben. Frühern Geschlechtern ein wüstcnverhülltes-Mysterium, ist
dieser Erdtheil jetzt auf allen Seiten seines Küstcnsaumes von rüstigen Ent¬
deckern in Angriff genommen. Seine Ströme hinauf, durch seine Wildnisse hin,
über seine Gebirge hinweg sind sie, unerschrocken vor seinen wilden Stämmen,
seinen wasserleeren Strecken, seinen giftigen Fiebern, bis tief in die Mitte des
Landes vorgedrungen. Mehr und mehr füllt sich die Karte des mächtigen Con-
tinents, die bis vor Kurzem nur im Norden und Osten tiefer im Innern, sonst
aber fast nur am Gestade sicheres Wissen der Verhältnisse bekundete, mit Berg-
zügen und Flußläusen, mit Völkernamen und Punkten, welche Ortschaften be¬
zeichnen. Timbuktu und der Tschadsee, vor nicht vielen Jahren noch halbe
Mhthen. sind, und zwar vornehmlich durch deutsche Kühnheit und Ausdauer,
zu geographischen Wahrheiten geworden. Wiederum durch Deutsche wissen wir,
daß Ostafrika im Kenia und Kilimandscharo Berggipfel hat, die über die Schnee¬
linie hinausragen. Bekannt ist nun das Stromsystem des Niger, und aber¬
mals vorzüglich durch die Forschungen eines Landsmanns, und wenn die letzten
Wochen die Lösung eines andern großen afrikanischen Räthsels in die Annalen
der Entdeckungen verzeichneten, so werden wir zu zeigen haben, daß hier?ve-
nigstcns das Verdienst, wesentlich vorgearbeitet zu haben für den Sieg über
die entgegenstehenden Hindernisse, deutschen Namen gebührt.

Das Räthsel, dessen Lösung wir meinen, ist die Quelle, oder daß wir uns
gleich hier correct ausdrücken, die Hauptquelle des Nil, die im Jahre 1861
durch die Engländer Speke und Grant in einem Binnensee Ostafrikas entdeckt
wurde, und über welche die Entdecker im Juni zu London persönlich Bericht
erstatteten.

Die Frage nach dem Ursprung des Nil beschäftigte bereits die ältesten
Geschlechter, schon deshalb, weil nur mit ihrer Beantwortung das Geheimniß
der regelmäßig in jedem Herbst wiederkehrenden Überschwemmungen sich auf¬
klärte, welche Acgypten, das fast regenlose Land, als Oase in der Wüste blühen
lassen. Da keiner der Reisenden, welche seit Herodot sie aufwarfen, befriedi¬
genden Aufschluß fand, keines der Reiche, welche nach einander in dem lang¬
gestreckten Stromthale entstanden, seine Grenzen weit bis über die zweiten
Stromschellen ausdehnte, wo das Bett des Flusses und dessen Wassermasse
noch ganz so mächtig ist, als am Südende des Delta, so mußten Mythen und
Sagen zum Theil abenteuerlicher Art den Mangel an Wissen ersetzen. Liaxut
lWi guaererö war noch in spätrömischer Zeit sprichwörtliche Bezeichnung für
Bestrebungen zur Losung unlösbarer Ausgaben. Zwar kam Claudius Ptolomäus
der richtigen Bestimmung sehr nahe, aber seine Angaben fanden wenig Glauben,
und spätere Jahrhunderte begnügten sich von Neuem mit Fabeln. Das ganze


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/224>, abgerufen am 27.07.2024.