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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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gleichartigen Geistesarbeit ein. welche das Riesenwerk der Noirumeirt^ Oer-
umni-is förderte, und mit vielen der ausgezeichneten Männer, die daran thätig
sind, ist er in fruchtbaren Wecbselvcrt'ehr getreten, Seine Thätigkeit war um-
gebene", sie spottete der Gebrechlichkeit seines Körpers; er hat es reichlich er¬
fahren, daß der Mensch auch physisch sich steigern kann durch seine größeren
Zwecke. Körper und Geist hielten wacker Stand und gaben ihm das Gepräge
jener Gedrungenheit, welche die äußere Form der unbeugsamen Geistesenergie
ist, die seltener und seltener wird in unsrer Zeit. Im Verlaufe seiner darstel¬
lenden Arbeit sollte zugleich ergänzt werden, was die früheren Editionen der
Qucllenschriftsteller übrig gelassen hatten;, den Anfang hatte er bereits mit der
Herausgabe der böhmischen Annalisten namentlich des fünfzehnten Jahrhunderts
gemacht, die den dritten Band der von Pelzel und Dobrowsky angelegten
Lci'ipt,, rer. Loir. füllen. Daneben begründete er das erste böhmische Diplo-
matar in seinem weitangclegten ^rolriv costa^, von welchem vier Bände er¬
schienen. Aber die Fortsetzung beider Unternehmungen scheiterte an der man¬
gelhaften Betheiligung des öffentlichen Interesses, welches für die rein böh¬
mischen Gcschichtsmaterialien eben doch nicht auszureichen schien.

Schon diese Erfahrung ist dem glühend eifrigen Palacky schwer aufs Herz ge¬
fallen; aber er sollte noch weit schlimmere machen. Wenn er früher allerdings
wohl mehr mit Ironie und in der Absicht einer c^Melo donvvolvntmL als in
naivem Glauben ausgesprochen hatte, daß "die ebenso weise als milde Negierung
jedem Berufenen, dem es um Förderung der Wissenschaft, nicht um Befriedigung
seichter Neugierde zu thun sei. die Einsicht in ihre Archive selbst gestalte" --
so zeigte sich in der Wirklichkeit, daß diese Negierung sich nicht nur die Beur¬
theilung solcher Absichten vorbehielt, sondern daß sie auclV, wo sie sie guthieß,
an beliebigen Stellen die Censur handhabte. War die Geschichte im Großen
nicht zu corrigiren, so konnte sie doch in Einzelnem verstümmelt werden. Diese
Censurlücken in historischen Documenten des fünfzehnten Jahrhunderts würden
als Schandmal der mctternichscben Polizeiregierung angestaunt werden, wenn
auf der Stirn dieses Systems für solche Kleinigkeiten Platz wäre. Man denke,
wie solche Maßregeln in die Seele des Mannes einschnitten, der alle diese Quä¬
lereien ohne Zucken ertragen mußte, damit er sein Hauptwerk, das er als ein
in jedem Sinne böhmisch-patriotisches begonnen und gemeint hatte, hinausfüh¬
ren könne. Und welch eine Aufgabe der Selbstüberwindung für den Historio-
graphen Böhmens, die Geschichte seines Vaterlandes, in welchem jede Regung
den Argwohn der Regierung reizte, unter den Bleidächern dieser staatspolizei-
lichcn Ueberwachung zu schreiben! Obgleich seine Geschichtsauffassung sich über¬
haupt bei einer verständigen Pragmatik bescheidet, so ist es doch selbst bei die¬
ser unverfänglichen Form der Geschichtsbetrachtung höchst bewundrungswürdig.
mit welcher Besonnenheit und welchem Euphemismus Palacky zu schildern weiß.


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gleichartigen Geistesarbeit ein. welche das Riesenwerk der Noirumeirt^ Oer-
umni-is förderte, und mit vielen der ausgezeichneten Männer, die daran thätig
sind, ist er in fruchtbaren Wecbselvcrt'ehr getreten, Seine Thätigkeit war um-
gebene», sie spottete der Gebrechlichkeit seines Körpers; er hat es reichlich er¬
fahren, daß der Mensch auch physisch sich steigern kann durch seine größeren
Zwecke. Körper und Geist hielten wacker Stand und gaben ihm das Gepräge
jener Gedrungenheit, welche die äußere Form der unbeugsamen Geistesenergie
ist, die seltener und seltener wird in unsrer Zeit. Im Verlaufe seiner darstel¬
lenden Arbeit sollte zugleich ergänzt werden, was die früheren Editionen der
Qucllenschriftsteller übrig gelassen hatten;, den Anfang hatte er bereits mit der
Herausgabe der böhmischen Annalisten namentlich des fünfzehnten Jahrhunderts
gemacht, die den dritten Band der von Pelzel und Dobrowsky angelegten
Lci'ipt,, rer. Loir. füllen. Daneben begründete er das erste böhmische Diplo-
matar in seinem weitangclegten ^rolriv costa^, von welchem vier Bände er¬
schienen. Aber die Fortsetzung beider Unternehmungen scheiterte an der man¬
gelhaften Betheiligung des öffentlichen Interesses, welches für die rein böh¬
mischen Gcschichtsmaterialien eben doch nicht auszureichen schien.

Schon diese Erfahrung ist dem glühend eifrigen Palacky schwer aufs Herz ge¬
fallen; aber er sollte noch weit schlimmere machen. Wenn er früher allerdings
wohl mehr mit Ironie und in der Absicht einer c^Melo donvvolvntmL als in
naivem Glauben ausgesprochen hatte, daß „die ebenso weise als milde Negierung
jedem Berufenen, dem es um Förderung der Wissenschaft, nicht um Befriedigung
seichter Neugierde zu thun sei. die Einsicht in ihre Archive selbst gestalte" —
so zeigte sich in der Wirklichkeit, daß diese Negierung sich nicht nur die Beur¬
theilung solcher Absichten vorbehielt, sondern daß sie auclV, wo sie sie guthieß,
an beliebigen Stellen die Censur handhabte. War die Geschichte im Großen
nicht zu corrigiren, so konnte sie doch in Einzelnem verstümmelt werden. Diese
Censurlücken in historischen Documenten des fünfzehnten Jahrhunderts würden
als Schandmal der mctternichscben Polizeiregierung angestaunt werden, wenn
auf der Stirn dieses Systems für solche Kleinigkeiten Platz wäre. Man denke,
wie solche Maßregeln in die Seele des Mannes einschnitten, der alle diese Quä¬
lereien ohne Zucken ertragen mußte, damit er sein Hauptwerk, das er als ein
in jedem Sinne böhmisch-patriotisches begonnen und gemeint hatte, hinausfüh¬
ren könne. Und welch eine Aufgabe der Selbstüberwindung für den Historio-
graphen Böhmens, die Geschichte seines Vaterlandes, in welchem jede Regung
den Argwohn der Regierung reizte, unter den Bleidächern dieser staatspolizei-
lichcn Ueberwachung zu schreiben! Obgleich seine Geschichtsauffassung sich über¬
haupt bei einer verständigen Pragmatik bescheidet, so ist es doch selbst bei die¬
ser unverfänglichen Form der Geschichtsbetrachtung höchst bewundrungswürdig.
mit welcher Besonnenheit und welchem Euphemismus Palacky zu schildern weiß.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/187>, abgerufen am 22.12.2024.