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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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werkers empfand er mit einem menschlichen Antheil, welcher bei ihm immer
thatkräftigen Entschluß zur Folge hatte. Und seine Art wohlzuthun darf
das Verdienst beanspruchen, daß sie nicht nur in reichem Maße und in der
zweckmäßigsten Weise wirkte, auch mit einer Discretion, welche die linke Hand
nicht wissen ließ, was die rechte that.

Wenn er in den letzten Lebensjahren nicht ohne Hypochondrie die Abnahme
seiner Kräfte beobachtete, so war doch bis an die Grenze seiner Tage nie eine
trübe Auffassung des Lebens an ihm sichtbar, sobald es die großen und kleinen
Angelegenheiten Anderer galt. Die innige und freudige Hingabe seines Ge¬
müthes war unverwüstlich, und die Theilnahme an Freude und Leid des Vol¬
kes, an Freude und Leid der Einzelnen, blieb ihm, bis die Dämmerung der
Nacht sein Bewußtsein überschattete und bis sein Herz still stand; ein fröhliches
Herz, ein Herz voll Liebe.

So war sein Thun auf Erden. Aber auch durch sein tüchtiges, erfolg¬
reiches und nach vieler Richtung glückliches Dasein zieht sich etwas von dem
alten tragischen Geschick, welches fast in jedes bedeutende Leben irgend einen
trüben Schatten wirft. Ihm blieb, so lange er athmete, ja noch jetzt bleibt
seinen Freunden versagt, an den einzelnen Thaten seiner öffentlichen Laufbahn
den Zeitgenossen zu erweisen, was er war und was er gewirkt hat. Nur in
einzelnen Fällen kam er in die Lage eines Ministers oder Volksführers, der,
was er thut, auch vor dem Urtheil des Volkes und der Geschichte selbst ver¬
tritt. Während der bedeutendsten Periode seines Lebens war seine Bestimmung,
ein stiller Leiter und Rathgeber zu sein. Die Wenigen, welche in die großen
Geschäfte der Zeit eingeweiht waren, wußten wohl seinen Werth zu würdigen.
Für jeden, der außerhalb stand, ja für die Nationen selbst, an deren Glück er
arbeitete, war seine Thätigkeit eine undeutliche. Und er, der bei aller Haltung
eines Geschäftsmannes von kleiner Geheimnißkrämerei am wenigsten besaß,
mußte ertragen, daß er zuweilen Fremden in dem Lichte einer geheimnißvollen
Existenz erschien. Auch ihm selbst war sehr klar, daß der vielumfassenden Ar¬
beit seines Lebens eine Beschränkung auferlegt war, nicht die kleinste für ein
stolzes Männerherz, die Beschränkung, daß er für sich selbst Verzicht leistete
auf den Ruhm für Vieles, was er durchsetzte. Auch nach dieser Richtung hat
er mit heiterer Selbstverläugnung sich und seine persönliche Existenz Anderen
zum Opfer gebracht.

Wohl vertrauen wir, daß eine Zeit kommen wird, in welcher die politische
Bedeutung des Todten.durch eingehende Darstellung seiner Thätigkeit in den
großen Ereignissen der letzten fünfzig Jahre verständlich werden wird. Der
kurze Umriß seines Lebens aber, welcher hier gegeben wurde, kann nur den
Zweck haben, das Bild des Mannes, wie es bei persönlicher Bekanntschaft
Wirkte, lebendig zu machen.


werkers empfand er mit einem menschlichen Antheil, welcher bei ihm immer
thatkräftigen Entschluß zur Folge hatte. Und seine Art wohlzuthun darf
das Verdienst beanspruchen, daß sie nicht nur in reichem Maße und in der
zweckmäßigsten Weise wirkte, auch mit einer Discretion, welche die linke Hand
nicht wissen ließ, was die rechte that.

Wenn er in den letzten Lebensjahren nicht ohne Hypochondrie die Abnahme
seiner Kräfte beobachtete, so war doch bis an die Grenze seiner Tage nie eine
trübe Auffassung des Lebens an ihm sichtbar, sobald es die großen und kleinen
Angelegenheiten Anderer galt. Die innige und freudige Hingabe seines Ge¬
müthes war unverwüstlich, und die Theilnahme an Freude und Leid des Vol¬
kes, an Freude und Leid der Einzelnen, blieb ihm, bis die Dämmerung der
Nacht sein Bewußtsein überschattete und bis sein Herz still stand; ein fröhliches
Herz, ein Herz voll Liebe.

So war sein Thun auf Erden. Aber auch durch sein tüchtiges, erfolg¬
reiches und nach vieler Richtung glückliches Dasein zieht sich etwas von dem
alten tragischen Geschick, welches fast in jedes bedeutende Leben irgend einen
trüben Schatten wirft. Ihm blieb, so lange er athmete, ja noch jetzt bleibt
seinen Freunden versagt, an den einzelnen Thaten seiner öffentlichen Laufbahn
den Zeitgenossen zu erweisen, was er war und was er gewirkt hat. Nur in
einzelnen Fällen kam er in die Lage eines Ministers oder Volksführers, der,
was er thut, auch vor dem Urtheil des Volkes und der Geschichte selbst ver¬
tritt. Während der bedeutendsten Periode seines Lebens war seine Bestimmung,
ein stiller Leiter und Rathgeber zu sein. Die Wenigen, welche in die großen
Geschäfte der Zeit eingeweiht waren, wußten wohl seinen Werth zu würdigen.
Für jeden, der außerhalb stand, ja für die Nationen selbst, an deren Glück er
arbeitete, war seine Thätigkeit eine undeutliche. Und er, der bei aller Haltung
eines Geschäftsmannes von kleiner Geheimnißkrämerei am wenigsten besaß,
mußte ertragen, daß er zuweilen Fremden in dem Lichte einer geheimnißvollen
Existenz erschien. Auch ihm selbst war sehr klar, daß der vielumfassenden Ar¬
beit seines Lebens eine Beschränkung auferlegt war, nicht die kleinste für ein
stolzes Männerherz, die Beschränkung, daß er für sich selbst Verzicht leistete
auf den Ruhm für Vieles, was er durchsetzte. Auch nach dieser Richtung hat
er mit heiterer Selbstverläugnung sich und seine persönliche Existenz Anderen
zum Opfer gebracht.

Wohl vertrauen wir, daß eine Zeit kommen wird, in welcher die politische
Bedeutung des Todten.durch eingehende Darstellung seiner Thätigkeit in den
großen Ereignissen der letzten fünfzig Jahre verständlich werden wird. Der
kurze Umriß seines Lebens aber, welcher hier gegeben wurde, kann nur den
Zweck haben, das Bild des Mannes, wie es bei persönlicher Bekanntschaft
Wirkte, lebendig zu machen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/182>, abgerufen am 27.07.2024.