Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.dazu wurde eine Reise nach Italien gewählt. Diese Reise, 1838--1839, wurde Sehr tief und dauerhaft war die Einwirkung, welche Stockmar auf die Stockmar war der Bevollmächtigte des Prinzen zum Abschluß seines Hei¬ dazu wurde eine Reise nach Italien gewählt. Diese Reise, 1838—1839, wurde Sehr tief und dauerhaft war die Einwirkung, welche Stockmar auf die Stockmar war der Bevollmächtigte des Prinzen zum Abschluß seines Hei¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0176" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115568"/> <p xml:id="ID_459" prev="#ID_458"> dazu wurde eine Reise nach Italien gewählt. Diese Reise, 1838—1839, wurde<lb/> die Grundlage eines seltenen Freundschaftsverhältnisses, wie es nur zwischen<lb/> einem guten und hvchgcsinnten Fürsten und eine,in liebevollen und uneigen¬<lb/> nützigen Privatmann möglich war, ein inniges festes Verhältniß, von Seiten<lb/> des Prinzen unbegrenztes Vertrauen, selbstlose väterliche Empfindung von Sei¬<lb/> ten des klugen Lehrers. Die ernste, bildungsbedürftige Seele des Prinzen<lb/> wurde durch die frische Sicherheit, durch die reiche Erfahrung und durch das<lb/> reiche Gemüth des älteren Mannes für das ganze Leben angezogen.</p><lb/> <p xml:id="ID_460"> Sehr tief und dauerhaft war die Einwirkung, welche Stockmar auf die<lb/> Seele des Fürsten ausgeübt bat. Wer Wesen und Bildung des Prinzgemahls,<lb/> wie es in den „8pe;eeIr<ZK auel ^Zrosses" jetzt auch weiteren Kreisen vertrau¬<lb/> lich geworden ist, näher betrachtet, der wird mit starken Zügen dieselbe deutsche<lb/> und freie Auffassung und dieselbe Methode politischer Bildung ausgeprägt fin¬<lb/> den, zu welcher Stockmar gekommen war. Jede Erscheinung zu verfolgen bis<lb/> zu ihrem Ursprung, den Verlauf großer politischer Ereignisse mit dem gespann¬<lb/> ten Interesse eines Naturforschers zu betrachten, zur Grundlage der Beurthei¬<lb/> lung aller irdischen Verhältnisse immer moralische und ethische Forderungen zu<lb/> nehmen, einen festen Glauben an die Güte der menschlichen Natur zu bewah¬<lb/> ren, dem Perfectionstrieb der menschlichen Gesellschaft fest zu vertrauen, auch<lb/> bei Verirrungen und Verbildungen der Individuen und Staaten nicht an der<lb/> heilenden Kraft zu verzweifeln und die eigenen Hilfsmittel immer auf das<lb/> Gute, nie auf das Schlechte im Menschen zu begründen, das wurde die letzte<lb/> Grundlage für das Urtheil und Handeln des Prinzen wie seines Lehrers.<lb/> Auch in der Unterhaltung konnte man eine ähnliche Methode der geistigen Ar¬<lb/> beit beobachten, beide liebten, sich und Andern in deutscher Weise das Einzelne<lb/> durch allgemeine Gesichtspunkte zu befestigen, beide hatten große Freude an<lb/> wohlgeordneter Erörterung, in beiden war dieselbe souveräne Verachtung gegen<lb/> den Schein ohne entsprechenden Inhalt. Die Freundschaft zwischen dem Prinz¬<lb/> gemahl und Stockmar, eine ehrliche, männliche Freundschaft, voll von rücksichts¬<lb/> loser Wahrhaftigkeit, hat,- das darf man jetzt, wo uns beide entrissen sind, wohl<lb/> sagen, einen entscheidenden Einfluß gehabt, die Königin, den Prinzen und die<lb/> Finder des königlichen Hauses von England mit liberalem Verständniß der<lb/> Zeit und- freien menschlichen Anschauungen zu erfüllen. Wir wissen, weshalb<lb/> diese Richtung der englischen Königsfamilie auch für die Zukunft der Deutschen<lb/> eine naheliegende Bedeutung gewonnen hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_461"> Stockmar war der Bevollmächtigte des Prinzen zum Abschluß seines Hei¬<lb/> rathsvertrags, und er blieb der vertraute Hausfreund der jungen Ehe. Die<lb/> Zeit von 1837 an und die nächsten Jahre nach der Vermählung wurden für<lb/> ihn wieder reich an Erfahrungen über das innere Getriebe einer constitutionellen<lb/> Regierung.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0176]
dazu wurde eine Reise nach Italien gewählt. Diese Reise, 1838—1839, wurde
die Grundlage eines seltenen Freundschaftsverhältnisses, wie es nur zwischen
einem guten und hvchgcsinnten Fürsten und eine,in liebevollen und uneigen¬
nützigen Privatmann möglich war, ein inniges festes Verhältniß, von Seiten
des Prinzen unbegrenztes Vertrauen, selbstlose väterliche Empfindung von Sei¬
ten des klugen Lehrers. Die ernste, bildungsbedürftige Seele des Prinzen
wurde durch die frische Sicherheit, durch die reiche Erfahrung und durch das
reiche Gemüth des älteren Mannes für das ganze Leben angezogen.
Sehr tief und dauerhaft war die Einwirkung, welche Stockmar auf die
Seele des Fürsten ausgeübt bat. Wer Wesen und Bildung des Prinzgemahls,
wie es in den „8pe;eeIr<ZK auel ^Zrosses" jetzt auch weiteren Kreisen vertrau¬
lich geworden ist, näher betrachtet, der wird mit starken Zügen dieselbe deutsche
und freie Auffassung und dieselbe Methode politischer Bildung ausgeprägt fin¬
den, zu welcher Stockmar gekommen war. Jede Erscheinung zu verfolgen bis
zu ihrem Ursprung, den Verlauf großer politischer Ereignisse mit dem gespann¬
ten Interesse eines Naturforschers zu betrachten, zur Grundlage der Beurthei¬
lung aller irdischen Verhältnisse immer moralische und ethische Forderungen zu
nehmen, einen festen Glauben an die Güte der menschlichen Natur zu bewah¬
ren, dem Perfectionstrieb der menschlichen Gesellschaft fest zu vertrauen, auch
bei Verirrungen und Verbildungen der Individuen und Staaten nicht an der
heilenden Kraft zu verzweifeln und die eigenen Hilfsmittel immer auf das
Gute, nie auf das Schlechte im Menschen zu begründen, das wurde die letzte
Grundlage für das Urtheil und Handeln des Prinzen wie seines Lehrers.
Auch in der Unterhaltung konnte man eine ähnliche Methode der geistigen Ar¬
beit beobachten, beide liebten, sich und Andern in deutscher Weise das Einzelne
durch allgemeine Gesichtspunkte zu befestigen, beide hatten große Freude an
wohlgeordneter Erörterung, in beiden war dieselbe souveräne Verachtung gegen
den Schein ohne entsprechenden Inhalt. Die Freundschaft zwischen dem Prinz¬
gemahl und Stockmar, eine ehrliche, männliche Freundschaft, voll von rücksichts¬
loser Wahrhaftigkeit, hat,- das darf man jetzt, wo uns beide entrissen sind, wohl
sagen, einen entscheidenden Einfluß gehabt, die Königin, den Prinzen und die
Finder des königlichen Hauses von England mit liberalem Verständniß der
Zeit und- freien menschlichen Anschauungen zu erfüllen. Wir wissen, weshalb
diese Richtung der englischen Königsfamilie auch für die Zukunft der Deutschen
eine naheliegende Bedeutung gewonnen hat.
Stockmar war der Bevollmächtigte des Prinzen zum Abschluß seines Hei¬
rathsvertrags, und er blieb der vertraute Hausfreund der jungen Ehe. Die
Zeit von 1837 an und die nächsten Jahre nach der Vermählung wurden für
ihn wieder reich an Erfahrungen über das innere Getriebe einer constitutionellen
Regierung.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |