Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.in Olympia gleich anfangs seinen Reiter ab, feste aber als gutes Schulpferd Die Zuschauer der olympischen Wettkämpfe hatten bei aller Annehmlichkeit Grenzboten III. 1863. 18
in Olympia gleich anfangs seinen Reiter ab, feste aber als gutes Schulpferd Die Zuschauer der olympischen Wettkämpfe hatten bei aller Annehmlichkeit Grenzboten III. 1863. 18
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0145" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115537"/> <p xml:id="ID_387" prev="#ID_386"> in Olympia gleich anfangs seinen Reiter ab, feste aber als gutes Schulpferd<lb/> das Rennen fort, bog richtig um die Zielsäulen, beschleunigte nach dem Trom¬<lb/> petentusche seinen Lauf und blieb endlich als Sieger vor den Hellanodiken stehen.<lb/> Solche Rosse wurden dann auch im Alter sorgfältig gepflegt, anständig beerdigt<lb/> und durch Bildnisse geehrt.</p><lb/> <p xml:id="ID_388" next="#ID_389"> Die Zuschauer der olympischen Wettkämpfe hatten bei aller Annehmlichkeit<lb/> des Schauspiels auch vieles Ungemach auszustehen. Schon vor Sonnenauf¬<lb/> gang mußten sie sich ihre Plätze sichern; denn es scheint allenthalben an Platz<lb/> gemangelt zu haben. Dies sowohl als auch die Sitte, daß die Landsleute bei<lb/> einander zu sitzen pflegten, erkennt man aus folgender von Plutarch mitgetheil¬<lb/> ten Anekdote. Ein Greis, der in Olympia die Spiele sehen wollte, hatte kei¬<lb/> nen Platz. Er durchwanderte alle Sitzreihen, wurde aber überall mit Verach¬<lb/> tung und Spott abgewiesen und Niemand rückte zur Seite. Als er aber zu<lb/> den Lacedämoniern kam, standen alle Knaben und viele Männer auf und boten<lb/> ihm ihre Plätze an. Da beklatschte die ganze Versammlung diesen Beweis von<lb/> guter Sitte; der Alte aber sagte weinend: „Wohl kennen alle Hellenen das<lb/> Schöne und Schickliche, aber nur die Lacedämonier üben es aus!" Zu dem<lb/> Gedränge kamen aber noch die Sonnenhitze der heißesten Jahreszeit und die<lb/> vom Sande aufwirbelnden Staubwolken. Bezeichnend genug für das zu Er¬<lb/> duldende und höchst drollig zugleich ist, was Aelian von einem Sonderling er¬<lb/> zählt: „Ein Mann aus Chios," schreibt er, „der auf seinen Sklaven zürnte,<lb/> sagte zu demselben: Ich werde dich nicht in die Mühle schicken, sondern nach<lb/> Olympia mitnehmen! Er hielt es nämlich für eine viel bitterere Strafe, in<lb/> Olympia als Zuschauer von den Sonnenstrahlen gebraten zu werden, als in<lb/> der Mühle die Mühlsteine drehen zu müssen." Auch der Autor, welcher in<lb/> einem dem Lucian fälschlich beigelegten Schriftchen die Macedonier zu einer<lb/> Vorlesung in einer macedonischen Stadt einladet, verspricht denselben dort eine<lb/> bessere Aufnahme, als „wie sie Olympia gewährt mit seinem engen Raum,<lb/> seinen Zelten, seinen Buden und seiner erstickenden Hitze." Der weise Thales,<lb/> der sich, dem hundertsten Jahre nahe, nach Olympia begeben hatte, soll sogar<lb/> in Folge der Hitze und des Durstes gestorben sein. Das Aufregende, des An¬<lb/> blicks und die lebhafte südländische Natur überhaupt veranlaßten die Zuschauer,<lb/> ihren Antheil an den Wettkämpfern auf die lauteste und ungestümste Weise zu<lb/> äußern. Man sprang vom Sitze auf, um zu klatschen und suchte durch Schreien<lb/> aufzumuntern. Jsokrates sagt z. B. im Evagoras: „Ich werde dasselbe thun,<lb/> was die Zuschauer bei den gymnischen Kämpfen; auch diese treiben nicht die<lb/> zurückbleibenden Läufer durch Zurufe an, sondern die um den Sieg ringenden."<lb/> Der Zusammenfluß so vieler Menschen aus den verschiedensten Gegenden gab<lb/> aber auch Gelegenheit, ausgezeichneten Persönlichkeiten Aufmerksamkeiten und<lb/> Huldigungen zu widmen. Wie später bei den nemeischen Spielen einst, wo</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 1863. 18</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0145]
in Olympia gleich anfangs seinen Reiter ab, feste aber als gutes Schulpferd
das Rennen fort, bog richtig um die Zielsäulen, beschleunigte nach dem Trom¬
petentusche seinen Lauf und blieb endlich als Sieger vor den Hellanodiken stehen.
Solche Rosse wurden dann auch im Alter sorgfältig gepflegt, anständig beerdigt
und durch Bildnisse geehrt.
Die Zuschauer der olympischen Wettkämpfe hatten bei aller Annehmlichkeit
des Schauspiels auch vieles Ungemach auszustehen. Schon vor Sonnenauf¬
gang mußten sie sich ihre Plätze sichern; denn es scheint allenthalben an Platz
gemangelt zu haben. Dies sowohl als auch die Sitte, daß die Landsleute bei
einander zu sitzen pflegten, erkennt man aus folgender von Plutarch mitgetheil¬
ten Anekdote. Ein Greis, der in Olympia die Spiele sehen wollte, hatte kei¬
nen Platz. Er durchwanderte alle Sitzreihen, wurde aber überall mit Verach¬
tung und Spott abgewiesen und Niemand rückte zur Seite. Als er aber zu
den Lacedämoniern kam, standen alle Knaben und viele Männer auf und boten
ihm ihre Plätze an. Da beklatschte die ganze Versammlung diesen Beweis von
guter Sitte; der Alte aber sagte weinend: „Wohl kennen alle Hellenen das
Schöne und Schickliche, aber nur die Lacedämonier üben es aus!" Zu dem
Gedränge kamen aber noch die Sonnenhitze der heißesten Jahreszeit und die
vom Sande aufwirbelnden Staubwolken. Bezeichnend genug für das zu Er¬
duldende und höchst drollig zugleich ist, was Aelian von einem Sonderling er¬
zählt: „Ein Mann aus Chios," schreibt er, „der auf seinen Sklaven zürnte,
sagte zu demselben: Ich werde dich nicht in die Mühle schicken, sondern nach
Olympia mitnehmen! Er hielt es nämlich für eine viel bitterere Strafe, in
Olympia als Zuschauer von den Sonnenstrahlen gebraten zu werden, als in
der Mühle die Mühlsteine drehen zu müssen." Auch der Autor, welcher in
einem dem Lucian fälschlich beigelegten Schriftchen die Macedonier zu einer
Vorlesung in einer macedonischen Stadt einladet, verspricht denselben dort eine
bessere Aufnahme, als „wie sie Olympia gewährt mit seinem engen Raum,
seinen Zelten, seinen Buden und seiner erstickenden Hitze." Der weise Thales,
der sich, dem hundertsten Jahre nahe, nach Olympia begeben hatte, soll sogar
in Folge der Hitze und des Durstes gestorben sein. Das Aufregende, des An¬
blicks und die lebhafte südländische Natur überhaupt veranlaßten die Zuschauer,
ihren Antheil an den Wettkämpfern auf die lauteste und ungestümste Weise zu
äußern. Man sprang vom Sitze auf, um zu klatschen und suchte durch Schreien
aufzumuntern. Jsokrates sagt z. B. im Evagoras: „Ich werde dasselbe thun,
was die Zuschauer bei den gymnischen Kämpfen; auch diese treiben nicht die
zurückbleibenden Läufer durch Zurufe an, sondern die um den Sieg ringenden."
Der Zusammenfluß so vieler Menschen aus den verschiedensten Gegenden gab
aber auch Gelegenheit, ausgezeichneten Persönlichkeiten Aufmerksamkeiten und
Huldigungen zu widmen. Wie später bei den nemeischen Spielen einst, wo
Grenzboten III. 1863. 18
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |