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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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Wir haben in der vergangenen Woche hier das erste Provinzialturnfest ge¬
feiert. Es ist das nicht das einzige Verdienst eines der liebenswürdigsten
und wackersten unserer Mitbürger, des Rechtsanwalts Pilet, den hiesigen
Turnverein ins Leben gerufen zu haben, von welchem die Anregungen
auf die Provinz ausgingen, und seiner Mühe und Umsicht verdanken wir
sowohl das Fest an sich, wie dessen günstigen Verlauf. Die Turner hatten sich
aus Rogasen, Grätz, Neustadt bei Pinne, Schroda, Kosten, Rawicz, Gne-
sen, Pleschen, Meseritz, Birnbaum, Schwerin und Filehne, sowie aus Breslau
eingefunden. Die deutschen Einwohner Posens wetteiferten in gastfreundlicher
Ausnahme der Fremden, und unser Oberpräsident ging ihnen mit dem besten
Beispiele voran; nicht nur, daß sein Haus drei Gästen geöffnet war, sondern
er selbst nahm auch persönlich Antheil an den Dingen. Natürlich trug das
Ganze einen entschieden deutschen Charakter, und die Gräfin v. Dzialynska hatte
das wohl vorausgesehn, da sie den wiederholten Bitten, den Besuch einer
Insel auf dem moschiner See und die Benutzung des an denselben grenzenden
Bergabhanges gelegentlich der am zweiten Tage stattfindenden Fahrt nach
Moschin zu erlauben, erst bestimmte Verneinung, dann beharrliches Schweigen
entgegensetzte. Als ein deutsches Fest faßte denn auch Pilet die Vereinigung
in der Ansprache auf, mit welcher er dieselbe begrüßte. "Die Feier dieses Festes
hat für uns eine besonders hohe Bedeutung. Sie vereinigt zum ersten Male
die in dieser Provinz für die volkstümliche deutsche Turnsache wachgerufenen
Kräfte zu einem geschlossenen Ganzen und gibt uns in einem anschaulichen und
festlichen Bilde Zeugniß davon, wie weit diese Bestrebungen auf dem Boden
der hiesigen Provinz Wurzel gesaßt haben. Und gewiß ist es eine erfreuliche
Wahrnehmung, daß auch hier an den Ostmarken unsres Vaterlandes, der gro߬
artige Ausschwung, welchen das Turnwesen in dem gesammten Deutschland ge¬
nommen, seinen kräftigen Widerhall gefunden hat. Wir erkennen darin den
Beweis, daß die deutsche Bevölkerung der hiesigen Provinz, wenn auch dünner
gesäet als in den übrigen Theilen des gemeinsamen Vaterlandes und darauf
angewiesen, im friedlichen Wettstreit mit einer andern Nationalität ihre cultur¬
geschichtliche Aufgabe zu vollbringen, das Gefühl der Zusammengehörigkeit mit
den deutschen Brüdern in sich lebendig erhält und an der gemeinsamen Arbeit
des gesammten deutschen Volkes thätigen Antheil nimmt;" so begann die auch
im weiteren Fortgange vortreffliche Festrede.

Ein zweites Fest, mehr exclusiver Art, in der Ausführung aber nicht ohne
volkstümlichen Anstrich war das fünfzigjährige Jubiläum des 12. Infanterie¬
regiments. In der Hauptstadt fand es weniger Beachtung; dagegen feierten es die
in einzelnen kleinen Städten der Provinz vorübergehend stationirten Compagnien
unter lebhafter Betheiligung der deutschen Bevölkerung.


14*

Wir haben in der vergangenen Woche hier das erste Provinzialturnfest ge¬
feiert. Es ist das nicht das einzige Verdienst eines der liebenswürdigsten
und wackersten unserer Mitbürger, des Rechtsanwalts Pilet, den hiesigen
Turnverein ins Leben gerufen zu haben, von welchem die Anregungen
auf die Provinz ausgingen, und seiner Mühe und Umsicht verdanken wir
sowohl das Fest an sich, wie dessen günstigen Verlauf. Die Turner hatten sich
aus Rogasen, Grätz, Neustadt bei Pinne, Schroda, Kosten, Rawicz, Gne-
sen, Pleschen, Meseritz, Birnbaum, Schwerin und Filehne, sowie aus Breslau
eingefunden. Die deutschen Einwohner Posens wetteiferten in gastfreundlicher
Ausnahme der Fremden, und unser Oberpräsident ging ihnen mit dem besten
Beispiele voran; nicht nur, daß sein Haus drei Gästen geöffnet war, sondern
er selbst nahm auch persönlich Antheil an den Dingen. Natürlich trug das
Ganze einen entschieden deutschen Charakter, und die Gräfin v. Dzialynska hatte
das wohl vorausgesehn, da sie den wiederholten Bitten, den Besuch einer
Insel auf dem moschiner See und die Benutzung des an denselben grenzenden
Bergabhanges gelegentlich der am zweiten Tage stattfindenden Fahrt nach
Moschin zu erlauben, erst bestimmte Verneinung, dann beharrliches Schweigen
entgegensetzte. Als ein deutsches Fest faßte denn auch Pilet die Vereinigung
in der Ansprache auf, mit welcher er dieselbe begrüßte. „Die Feier dieses Festes
hat für uns eine besonders hohe Bedeutung. Sie vereinigt zum ersten Male
die in dieser Provinz für die volkstümliche deutsche Turnsache wachgerufenen
Kräfte zu einem geschlossenen Ganzen und gibt uns in einem anschaulichen und
festlichen Bilde Zeugniß davon, wie weit diese Bestrebungen auf dem Boden
der hiesigen Provinz Wurzel gesaßt haben. Und gewiß ist es eine erfreuliche
Wahrnehmung, daß auch hier an den Ostmarken unsres Vaterlandes, der gro߬
artige Ausschwung, welchen das Turnwesen in dem gesammten Deutschland ge¬
nommen, seinen kräftigen Widerhall gefunden hat. Wir erkennen darin den
Beweis, daß die deutsche Bevölkerung der hiesigen Provinz, wenn auch dünner
gesäet als in den übrigen Theilen des gemeinsamen Vaterlandes und darauf
angewiesen, im friedlichen Wettstreit mit einer andern Nationalität ihre cultur¬
geschichtliche Aufgabe zu vollbringen, das Gefühl der Zusammengehörigkeit mit
den deutschen Brüdern in sich lebendig erhält und an der gemeinsamen Arbeit
des gesammten deutschen Volkes thätigen Antheil nimmt;" so begann die auch
im weiteren Fortgange vortreffliche Festrede.

Ein zweites Fest, mehr exclusiver Art, in der Ausführung aber nicht ohne
volkstümlichen Anstrich war das fünfzigjährige Jubiläum des 12. Infanterie¬
regiments. In der Hauptstadt fand es weniger Beachtung; dagegen feierten es die
in einzelnen kleinen Städten der Provinz vorübergehend stationirten Compagnien
unter lebhafter Betheiligung der deutschen Bevölkerung.


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[0115] Wir haben in der vergangenen Woche hier das erste Provinzialturnfest ge¬ feiert. Es ist das nicht das einzige Verdienst eines der liebenswürdigsten und wackersten unserer Mitbürger, des Rechtsanwalts Pilet, den hiesigen Turnverein ins Leben gerufen zu haben, von welchem die Anregungen auf die Provinz ausgingen, und seiner Mühe und Umsicht verdanken wir sowohl das Fest an sich, wie dessen günstigen Verlauf. Die Turner hatten sich aus Rogasen, Grätz, Neustadt bei Pinne, Schroda, Kosten, Rawicz, Gne- sen, Pleschen, Meseritz, Birnbaum, Schwerin und Filehne, sowie aus Breslau eingefunden. Die deutschen Einwohner Posens wetteiferten in gastfreundlicher Ausnahme der Fremden, und unser Oberpräsident ging ihnen mit dem besten Beispiele voran; nicht nur, daß sein Haus drei Gästen geöffnet war, sondern er selbst nahm auch persönlich Antheil an den Dingen. Natürlich trug das Ganze einen entschieden deutschen Charakter, und die Gräfin v. Dzialynska hatte das wohl vorausgesehn, da sie den wiederholten Bitten, den Besuch einer Insel auf dem moschiner See und die Benutzung des an denselben grenzenden Bergabhanges gelegentlich der am zweiten Tage stattfindenden Fahrt nach Moschin zu erlauben, erst bestimmte Verneinung, dann beharrliches Schweigen entgegensetzte. Als ein deutsches Fest faßte denn auch Pilet die Vereinigung in der Ansprache auf, mit welcher er dieselbe begrüßte. „Die Feier dieses Festes hat für uns eine besonders hohe Bedeutung. Sie vereinigt zum ersten Male die in dieser Provinz für die volkstümliche deutsche Turnsache wachgerufenen Kräfte zu einem geschlossenen Ganzen und gibt uns in einem anschaulichen und festlichen Bilde Zeugniß davon, wie weit diese Bestrebungen auf dem Boden der hiesigen Provinz Wurzel gesaßt haben. Und gewiß ist es eine erfreuliche Wahrnehmung, daß auch hier an den Ostmarken unsres Vaterlandes, der gro߬ artige Ausschwung, welchen das Turnwesen in dem gesammten Deutschland ge¬ nommen, seinen kräftigen Widerhall gefunden hat. Wir erkennen darin den Beweis, daß die deutsche Bevölkerung der hiesigen Provinz, wenn auch dünner gesäet als in den übrigen Theilen des gemeinsamen Vaterlandes und darauf angewiesen, im friedlichen Wettstreit mit einer andern Nationalität ihre cultur¬ geschichtliche Aufgabe zu vollbringen, das Gefühl der Zusammengehörigkeit mit den deutschen Brüdern in sich lebendig erhält und an der gemeinsamen Arbeit des gesammten deutschen Volkes thätigen Antheil nimmt;" so begann die auch im weiteren Fortgange vortreffliche Festrede. Ein zweites Fest, mehr exclusiver Art, in der Ausführung aber nicht ohne volkstümlichen Anstrich war das fünfzigjährige Jubiläum des 12. Infanterie¬ regiments. In der Hauptstadt fand es weniger Beachtung; dagegen feierten es die in einzelnen kleinen Städten der Provinz vorübergehend stationirten Compagnien unter lebhafter Betheiligung der deutschen Bevölkerung. 14*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/115>, abgerufen am 27.07.2024.