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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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kommen der Versammlung interessirten. Der Charakter der letzteren hing zu¬
dem doch ganz von denen ab, welche sie besuchen wollten, und daß es wenig¬
stens nicht auf Ausschlicßlicht'eit abgesehen war, bewies doch hinlänglich die
ausdrückliche Einladung an die Oestreicher, die auf Wunsch der Freunde Oest¬
reichs förmlich beschlossen wurde, obwohl nachher die Oestreicher selbst die
Miene von Verletzten annahmen, weil die specielle Einladung auf sie den
Schein würfe, als befänden sie sich in Ausnahmsverhältnissen. Was dann
weiter bedenklich gefunden wurde, der Ort der Zusammenkunft, die Form des
Einladungsschreibens, die Wahl der Gegenstände der Tagesordnung, waren
handgreiflich die nichtigsten Vorwände. Das Papier erröthete, auf dem sie
niedergeschrieben wurden.

Dagegen war es allerdings ein sehr richtiges Gefühl, das durch diese Vor¬
wände bemäntelt werden sollte. Es war das Gefühl, daß die Sache der eigenen
Partei nicht die der Nation sei, das Gefühl, daß man im Begriffe stand sich
in einen ungleichen Kampf einzulassen. Dies der Grund der Unsicherheit, die
durch die wechselnden Entschließungen der Grvßdeutschen hindurchging. Waren
sie aufrichtig, so mußten sie sich doch gestehen, daß die Namen Lerchenfeld und
Ouro Klopp nicht denselben Klang bei der Nation haben, wie die eines
Bennigsen oder Hauffer, und daß an ihre Bestrebungen, wie redlich sie von
Einzelnen verfolgt wurden, doch unabwendbar sich der Troß der Ultramontanen
und der Reformfeinde aller Art hängte, ja daß deren Mitwirkung für sie gar
nicht zu entbehren war, sie konnten sich nicht verhehlen, daß, wenn heute eine
allgemeine Reichsvertretung zu Stande käme, sie selbst höchstens die Bedeutung
einer Minorität hätten, und zwar, was die Hauptsache ist, einer localen Mino¬
rität. Denn sehen wir von den Bundesgenossen aus dem ultramontanen
Lager ab, die man doch am liebsten verläugnen möchte, so bestand das Heer¬
lager aus dem Gros der Oestreicher, die aber -- um einen Ausdruck aus
unseren Zollwirren zu entlehnen -- in der Hauptfrage nicht als Sachverständige,
sondern als Betheiligte erschienen, serner aus jenen bayrischen Abgeordneten,
welche mit Herrn von der Pfordtens innerer Politik ebenso unzufrieden waren,
als sie dessen auswärtigen Bemühungen Beifall klatschen, endlich aus den
schwäbischen preußenfcindlichen Demokraten, deren Dogma freilich, nicht in allen
Stücken als orthodox gelten konnte, und deren Beistand jedenfalls sehr zweifel¬
haft war. Was sonst im übrigen Deutschland etwa zu dieser Fahne hielt,
waren vereinzelte Politiker, die mit dem Boden, auf welchem ihre Originalität
gedieh, in keinem Zusammenhang standen.- Also eine Schaar, einig blos im
Widerspruch gegen den preußisch-deutschen Bundesstaat, im Uebrigen aber ohne
Positive Interessen- und Meinungs - Gemeinschaft, ein Theil -- und nicht der
unbedeutendste -- von unzuverlässiger Treue, das Ganze ohne Disciplin, weil
ohne klare Ziele.


kommen der Versammlung interessirten. Der Charakter der letzteren hing zu¬
dem doch ganz von denen ab, welche sie besuchen wollten, und daß es wenig¬
stens nicht auf Ausschlicßlicht'eit abgesehen war, bewies doch hinlänglich die
ausdrückliche Einladung an die Oestreicher, die auf Wunsch der Freunde Oest¬
reichs förmlich beschlossen wurde, obwohl nachher die Oestreicher selbst die
Miene von Verletzten annahmen, weil die specielle Einladung auf sie den
Schein würfe, als befänden sie sich in Ausnahmsverhältnissen. Was dann
weiter bedenklich gefunden wurde, der Ort der Zusammenkunft, die Form des
Einladungsschreibens, die Wahl der Gegenstände der Tagesordnung, waren
handgreiflich die nichtigsten Vorwände. Das Papier erröthete, auf dem sie
niedergeschrieben wurden.

Dagegen war es allerdings ein sehr richtiges Gefühl, das durch diese Vor¬
wände bemäntelt werden sollte. Es war das Gefühl, daß die Sache der eigenen
Partei nicht die der Nation sei, das Gefühl, daß man im Begriffe stand sich
in einen ungleichen Kampf einzulassen. Dies der Grund der Unsicherheit, die
durch die wechselnden Entschließungen der Grvßdeutschen hindurchging. Waren
sie aufrichtig, so mußten sie sich doch gestehen, daß die Namen Lerchenfeld und
Ouro Klopp nicht denselben Klang bei der Nation haben, wie die eines
Bennigsen oder Hauffer, und daß an ihre Bestrebungen, wie redlich sie von
Einzelnen verfolgt wurden, doch unabwendbar sich der Troß der Ultramontanen
und der Reformfeinde aller Art hängte, ja daß deren Mitwirkung für sie gar
nicht zu entbehren war, sie konnten sich nicht verhehlen, daß, wenn heute eine
allgemeine Reichsvertretung zu Stande käme, sie selbst höchstens die Bedeutung
einer Minorität hätten, und zwar, was die Hauptsache ist, einer localen Mino¬
rität. Denn sehen wir von den Bundesgenossen aus dem ultramontanen
Lager ab, die man doch am liebsten verläugnen möchte, so bestand das Heer¬
lager aus dem Gros der Oestreicher, die aber — um einen Ausdruck aus
unseren Zollwirren zu entlehnen — in der Hauptfrage nicht als Sachverständige,
sondern als Betheiligte erschienen, serner aus jenen bayrischen Abgeordneten,
welche mit Herrn von der Pfordtens innerer Politik ebenso unzufrieden waren,
als sie dessen auswärtigen Bemühungen Beifall klatschen, endlich aus den
schwäbischen preußenfcindlichen Demokraten, deren Dogma freilich, nicht in allen
Stücken als orthodox gelten konnte, und deren Beistand jedenfalls sehr zweifel¬
haft war. Was sonst im übrigen Deutschland etwa zu dieser Fahne hielt,
waren vereinzelte Politiker, die mit dem Boden, auf welchem ihre Originalität
gedieh, in keinem Zusammenhang standen.- Also eine Schaar, einig blos im
Widerspruch gegen den preußisch-deutschen Bundesstaat, im Uebrigen aber ohne
Positive Interessen- und Meinungs - Gemeinschaft, ein Theil — und nicht der
unbedeutendste — von unzuverlässiger Treue, das Ganze ohne Disciplin, weil
ohne klare Ziele.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/79>, abgerufen am 20.10.2024.