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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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Streitkräfte aus die vier Divisionen des linken Flügels der Bundestruppen
diese zu vernichten, ehe Hülfe vom Gros der Armee ankäme. Aber für
den Augenblick war er an dem energischen Widerstand jener vier Divisio¬
nen und der wüthenden und unerwarteten Attake Summers gescheitert.
Ohne Zweifel hatte er daraus gerechnet, daß der furchtbare Regen des vor¬
hergehenden Tages den Chikahvminy anschwellen und dieser die Erbauung
von Brücken unmöglich machen .würde. Aber der launische Fluß machte
seine Berechnung zu Schanden, wie er einige Stunden später die seiner
Gegner zu Schanden machte. Die Wirkung des sündfluthartigen Regens vom
vorherigen Tage trat erst nach vierundzwanzig Stunden ein. Machte man sich
diesen unerwarteten Umstand auf Seiten der Föderalisten mit aller wünschens-
werthen Energie zu Nutze? Es ist dies eine Frage, die stets verschieden
beantwortet werden wird, wie manche andere in der Geschichte großer
Schlachten.

Die Schlacht hatte erst 1 Uhr Nachmittags begonnen. Man konnte wissen,
daß der Angriff von dieser Seite keine bloße Finte war. Gab es noch eine
Ungewißheit darüber, so wurde man durch den Ungestüm des Angriffs und "die
Berichte der Luftschiffer, welche die ganze cvnföderirte Armee sich nach dem
Kampfplatz bewegen sahen, aus derselben gerissen. Man hatte endlich Summer
beordert, mit seinen beiden Divisionen den Fluß zu Passiren. Man hätte,
so dachten damals gewisse Leute und sie denken noch heute so, man hätte
recht wohl allen Divisionen des rechten Flügels dieselbe Ordre ertheilen
können, und sie wäre ausführbar gewesen. Stelle man sich vor, was ge¬
schehen sein würde, wenn statt 15,000 Mann 50,000 in die Flanke Johnstons
geworfen worden wären. Die Brücke Summers hätte dazu nicht ausgereicht.
Um Mitternacht mühten sich die letzten Mannschaften seines Corps noch ab, die
Pferde und die Artillerie über die von Baumästen erbauten Brücken, die unter
jedem Tritt wichen, über schlammige Pfuhle und durch die Finsterniß der Nacht,
welche durch die Schatten der Wipfel des Waldes noch schwärzer gemacht
wurde, vorwärts zu bringen. Es gab aber andere Brücken, die nahezu fertig
waren, und die mußte man, ohne eine Minute zu verlieren, vollenden, gleich¬
viel, welche Hindernisse der Feind dem Werke in den Weg zu legen suchte.
Er hatte eine Brigade ausdem für die Passage günstigsten Punkten aufgestellt,
aber nur als Schreckbild, und das Resultat, das ihm gegenüber zu erreichen
war, war so wichtig, die Gelegenheit, ein entscheidendes Spiel zu spielen, so
günstig, daß nichts die Föderalisten hätte hindern sollen, jene Operation zu
versuchen. Hier strafte sich wieder einmal jene amerikanische Langsamkeit, die
ebenso sehr^zum Charakter der Armee als zu dem ihres Führers gehört. Erst
7 Uhr Abends gelangte man zu dem Entschluß, ohne Zögern alle Brücken zu
schlagen und das ganze Heer auf das rechte Ufer des Chikahominy gehen zu


Streitkräfte aus die vier Divisionen des linken Flügels der Bundestruppen
diese zu vernichten, ehe Hülfe vom Gros der Armee ankäme. Aber für
den Augenblick war er an dem energischen Widerstand jener vier Divisio¬
nen und der wüthenden und unerwarteten Attake Summers gescheitert.
Ohne Zweifel hatte er daraus gerechnet, daß der furchtbare Regen des vor¬
hergehenden Tages den Chikahvminy anschwellen und dieser die Erbauung
von Brücken unmöglich machen .würde. Aber der launische Fluß machte
seine Berechnung zu Schanden, wie er einige Stunden später die seiner
Gegner zu Schanden machte. Die Wirkung des sündfluthartigen Regens vom
vorherigen Tage trat erst nach vierundzwanzig Stunden ein. Machte man sich
diesen unerwarteten Umstand auf Seiten der Föderalisten mit aller wünschens-
werthen Energie zu Nutze? Es ist dies eine Frage, die stets verschieden
beantwortet werden wird, wie manche andere in der Geschichte großer
Schlachten.

Die Schlacht hatte erst 1 Uhr Nachmittags begonnen. Man konnte wissen,
daß der Angriff von dieser Seite keine bloße Finte war. Gab es noch eine
Ungewißheit darüber, so wurde man durch den Ungestüm des Angriffs und "die
Berichte der Luftschiffer, welche die ganze cvnföderirte Armee sich nach dem
Kampfplatz bewegen sahen, aus derselben gerissen. Man hatte endlich Summer
beordert, mit seinen beiden Divisionen den Fluß zu Passiren. Man hätte,
so dachten damals gewisse Leute und sie denken noch heute so, man hätte
recht wohl allen Divisionen des rechten Flügels dieselbe Ordre ertheilen
können, und sie wäre ausführbar gewesen. Stelle man sich vor, was ge¬
schehen sein würde, wenn statt 15,000 Mann 50,000 in die Flanke Johnstons
geworfen worden wären. Die Brücke Summers hätte dazu nicht ausgereicht.
Um Mitternacht mühten sich die letzten Mannschaften seines Corps noch ab, die
Pferde und die Artillerie über die von Baumästen erbauten Brücken, die unter
jedem Tritt wichen, über schlammige Pfuhle und durch die Finsterniß der Nacht,
welche durch die Schatten der Wipfel des Waldes noch schwärzer gemacht
wurde, vorwärts zu bringen. Es gab aber andere Brücken, die nahezu fertig
waren, und die mußte man, ohne eine Minute zu verlieren, vollenden, gleich¬
viel, welche Hindernisse der Feind dem Werke in den Weg zu legen suchte.
Er hatte eine Brigade ausdem für die Passage günstigsten Punkten aufgestellt,
aber nur als Schreckbild, und das Resultat, das ihm gegenüber zu erreichen
war, war so wichtig, die Gelegenheit, ein entscheidendes Spiel zu spielen, so
günstig, daß nichts die Föderalisten hätte hindern sollen, jene Operation zu
versuchen. Hier strafte sich wieder einmal jene amerikanische Langsamkeit, die
ebenso sehr^zum Charakter der Armee als zu dem ihres Führers gehört. Erst
7 Uhr Abends gelangte man zu dem Entschluß, ohne Zögern alle Brücken zu
schlagen und das ganze Heer auf das rechte Ufer des Chikahominy gehen zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/470>, abgerufen am 20.10.2024.