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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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baren Uebel herbei, welche er dem Lande auferlegte. "Ach, aber wer trägt
die Schuld?" antwortete man ihnen. "Wer hat diesen unseligen Krieg ent"
zündet, wer ohne Ursache die ersten Kanonenschüsse abgefeuert?" Man er¬
widerte nichts, aber die Augen lenkten sich mechanisch auf alle die schwarzen
Köpfe hin, die sich an den Thüren ihrer Hütten drängten."

"So rückten wir von Etappe zu Etappe am Flusse hin. Die Kanonen¬
boote, den Zug eröffnend, untersuchten die Ufer von fern. Dann gingen die
Offiziere vom Topographendienst unter Bedeckung von Cavalleriepikets quer
durch das Gehölz und nahmen nach dem Augenmaß und dem Compaß vor¬
läufige Karten auf, welche man im Hauptquartier für den Gebrauch der Gene¬
rale photographirte. Am nächsten Tage setzte sich die Armee mit Hülfe dieser
Karten in Bewegung, wobei sie eine unendliche Masse von Gepäckwagen mit
sich schleppte. Etwa der vierte Theil jedes Regiments war beschäftigt, das
Material des Corps, Lebensmittel, Munition, Zelte und Möbel zu eskortiren,
für welche Gegenstände jedem Bataillon zehn Wagen zugetheilt waren. Ich
sage Möbel; denn man führte selbst Tische, Stühle und Sophas mit sich.
Hätte das Heer Frauen mitgehabt, so hätte man das Ganze eher für einen Zug
Auswanderer als für den Marsch eines Kriegsheeres halten können. Die
kampfbereiten Truppen marschirten brigadenweise, aber gefolgt von ihrem Ge¬
päck, und diese langen Reihen von Wagen, jeder von vier Pferden oder sechs
Maulthieren gezogen und von einem Kutscher regiert, bewirkten, daß die Armee
auf diesen geraden Straßen quer durch die Wälder ungeheure Strecken bedeckte.
Daher auch ungeheurer Aufenthalt. Es wäre nicht möglich gewesen, lange
Märsche zu machen, ohne die Enden der Colonnen verzettelt und verirrt die
Nacht im Walde zu lassen. So waren zwei Lieues das Maximum des an
einem Tage zurückgelegten Weges."

"Die Truppen hatten übrigens ein gutes Aussehen. Es waren starke,
kräftige Leute mit intelligenten Zügen. Die Uniform war bei allen dieselbe:
ein himmelblaues Beinkleid, gewöhnlich in die Stiefel gesteckt, eine Blouse,
Weste oder Tunika von dunkelblauer Farbe. Rothe Aufschläge bezeichneten die
Artillerie, gelbe die Reiterei. Die Kopfbedeckung war meist ein Käppi, doch
trugen viele auch einen Hut von weichem Filz mit einigen Messingzierrathen,
Die Offiziere, wie die Soldaten gekleidet, zeichneten sich durch Schnürchen auf den
Schultern und amaranthfarbene Gürtel aus. Nichts Einfacheres, Bequemeres und
Militärischeres als diese Tracht, wenn sie gut getragen wurde. Des. Abends,
wenn der Haltpunkt erreicht war, bildete sich das Lager mit großer Regel¬
mäßigkeit. Im Nu erhoben sich die Zelte, das Obdach der Soldaten, dann
wurden die größern und bequemern für die Generalstabsoffiziere aufgeschlagen.
Das Hauptquartier richtete sich an einer Stelle in der Mitte des Ganzen um
das Zelt des Oberbefehlshabers ein. Die Cavallerieoffiziere erschienen, um Be-


baren Uebel herbei, welche er dem Lande auferlegte. „Ach, aber wer trägt
die Schuld?" antwortete man ihnen. „Wer hat diesen unseligen Krieg ent«
zündet, wer ohne Ursache die ersten Kanonenschüsse abgefeuert?" Man er¬
widerte nichts, aber die Augen lenkten sich mechanisch auf alle die schwarzen
Köpfe hin, die sich an den Thüren ihrer Hütten drängten."

„So rückten wir von Etappe zu Etappe am Flusse hin. Die Kanonen¬
boote, den Zug eröffnend, untersuchten die Ufer von fern. Dann gingen die
Offiziere vom Topographendienst unter Bedeckung von Cavalleriepikets quer
durch das Gehölz und nahmen nach dem Augenmaß und dem Compaß vor¬
läufige Karten auf, welche man im Hauptquartier für den Gebrauch der Gene¬
rale photographirte. Am nächsten Tage setzte sich die Armee mit Hülfe dieser
Karten in Bewegung, wobei sie eine unendliche Masse von Gepäckwagen mit
sich schleppte. Etwa der vierte Theil jedes Regiments war beschäftigt, das
Material des Corps, Lebensmittel, Munition, Zelte und Möbel zu eskortiren,
für welche Gegenstände jedem Bataillon zehn Wagen zugetheilt waren. Ich
sage Möbel; denn man führte selbst Tische, Stühle und Sophas mit sich.
Hätte das Heer Frauen mitgehabt, so hätte man das Ganze eher für einen Zug
Auswanderer als für den Marsch eines Kriegsheeres halten können. Die
kampfbereiten Truppen marschirten brigadenweise, aber gefolgt von ihrem Ge¬
päck, und diese langen Reihen von Wagen, jeder von vier Pferden oder sechs
Maulthieren gezogen und von einem Kutscher regiert, bewirkten, daß die Armee
auf diesen geraden Straßen quer durch die Wälder ungeheure Strecken bedeckte.
Daher auch ungeheurer Aufenthalt. Es wäre nicht möglich gewesen, lange
Märsche zu machen, ohne die Enden der Colonnen verzettelt und verirrt die
Nacht im Walde zu lassen. So waren zwei Lieues das Maximum des an
einem Tage zurückgelegten Weges."

„Die Truppen hatten übrigens ein gutes Aussehen. Es waren starke,
kräftige Leute mit intelligenten Zügen. Die Uniform war bei allen dieselbe:
ein himmelblaues Beinkleid, gewöhnlich in die Stiefel gesteckt, eine Blouse,
Weste oder Tunika von dunkelblauer Farbe. Rothe Aufschläge bezeichneten die
Artillerie, gelbe die Reiterei. Die Kopfbedeckung war meist ein Käppi, doch
trugen viele auch einen Hut von weichem Filz mit einigen Messingzierrathen,
Die Offiziere, wie die Soldaten gekleidet, zeichneten sich durch Schnürchen auf den
Schultern und amaranthfarbene Gürtel aus. Nichts Einfacheres, Bequemeres und
Militärischeres als diese Tracht, wenn sie gut getragen wurde. Des. Abends,
wenn der Haltpunkt erreicht war, bildete sich das Lager mit großer Regel¬
mäßigkeit. Im Nu erhoben sich die Zelte, das Obdach der Soldaten, dann
wurden die größern und bequemern für die Generalstabsoffiziere aufgeschlagen.
Das Hauptquartier richtete sich an einer Stelle in der Mitte des Ganzen um
das Zelt des Oberbefehlshabers ein. Die Cavallerieoffiziere erschienen, um Be-


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[0436] baren Uebel herbei, welche er dem Lande auferlegte. „Ach, aber wer trägt die Schuld?" antwortete man ihnen. „Wer hat diesen unseligen Krieg ent« zündet, wer ohne Ursache die ersten Kanonenschüsse abgefeuert?" Man er¬ widerte nichts, aber die Augen lenkten sich mechanisch auf alle die schwarzen Köpfe hin, die sich an den Thüren ihrer Hütten drängten." „So rückten wir von Etappe zu Etappe am Flusse hin. Die Kanonen¬ boote, den Zug eröffnend, untersuchten die Ufer von fern. Dann gingen die Offiziere vom Topographendienst unter Bedeckung von Cavalleriepikets quer durch das Gehölz und nahmen nach dem Augenmaß und dem Compaß vor¬ läufige Karten auf, welche man im Hauptquartier für den Gebrauch der Gene¬ rale photographirte. Am nächsten Tage setzte sich die Armee mit Hülfe dieser Karten in Bewegung, wobei sie eine unendliche Masse von Gepäckwagen mit sich schleppte. Etwa der vierte Theil jedes Regiments war beschäftigt, das Material des Corps, Lebensmittel, Munition, Zelte und Möbel zu eskortiren, für welche Gegenstände jedem Bataillon zehn Wagen zugetheilt waren. Ich sage Möbel; denn man führte selbst Tische, Stühle und Sophas mit sich. Hätte das Heer Frauen mitgehabt, so hätte man das Ganze eher für einen Zug Auswanderer als für den Marsch eines Kriegsheeres halten können. Die kampfbereiten Truppen marschirten brigadenweise, aber gefolgt von ihrem Ge¬ päck, und diese langen Reihen von Wagen, jeder von vier Pferden oder sechs Maulthieren gezogen und von einem Kutscher regiert, bewirkten, daß die Armee auf diesen geraden Straßen quer durch die Wälder ungeheure Strecken bedeckte. Daher auch ungeheurer Aufenthalt. Es wäre nicht möglich gewesen, lange Märsche zu machen, ohne die Enden der Colonnen verzettelt und verirrt die Nacht im Walde zu lassen. So waren zwei Lieues das Maximum des an einem Tage zurückgelegten Weges." „Die Truppen hatten übrigens ein gutes Aussehen. Es waren starke, kräftige Leute mit intelligenten Zügen. Die Uniform war bei allen dieselbe: ein himmelblaues Beinkleid, gewöhnlich in die Stiefel gesteckt, eine Blouse, Weste oder Tunika von dunkelblauer Farbe. Rothe Aufschläge bezeichneten die Artillerie, gelbe die Reiterei. Die Kopfbedeckung war meist ein Käppi, doch trugen viele auch einen Hut von weichem Filz mit einigen Messingzierrathen, Die Offiziere, wie die Soldaten gekleidet, zeichneten sich durch Schnürchen auf den Schultern und amaranthfarbene Gürtel aus. Nichts Einfacheres, Bequemeres und Militärischeres als diese Tracht, wenn sie gut getragen wurde. Des. Abends, wenn der Haltpunkt erreicht war, bildete sich das Lager mit großer Regel¬ mäßigkeit. Im Nu erhoben sich die Zelte, das Obdach der Soldaten, dann wurden die größern und bequemern für die Generalstabsoffiziere aufgeschlagen. Das Hauptquartier richtete sich an einer Stelle in der Mitte des Ganzen um das Zelt des Oberbefehlshabers ein. Die Cavallerieoffiziere erschienen, um Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/436>, abgerufen am 20.10.2024.