Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Feldzug in Mexico war ein glänzender gewesen, und man hatte
manche Schwierigkeit dabei zu überwinden gehabt, aber er war weit entfernt
von den riesenhaften Verhältnissen des gegenwärtigen. Dann aber hatte dort
General Scott die gesammte reguläre Armee unter seinen Befehlen gehabt, und
diese hatte die Hauptmasse seiner Streitmacht gebildet, während sie hier unter
der ungeheuren Zahl der Freiwilligen beinahe verschwand.

Der Süden begegnete bei der Organisation seiner Streitkräfte geringern
Schwierigkeiten. "Die revolutionäre Regierung hatte unter den Händen
von Jefferson Davis schnell die Form der Diktatur angenommen. Getragen
von der Oligarchie von dreimalhunderttausend Sklavenhaltern, deren Erwählter
er war, und deren heftige Leidenschaften er in seiner Person vertrat, hatte
Davis sich mit Eifer ans Werk begeben, eine Armee zu schaffen, die den
Kampf mit den furchtbaren Rüstungen der Bundesregierung aufnehmen könnte.
Als ehemaliger Zögling Wcstpoints, ehemaliger Freiwilligengeneral in Mexiko,
ehemaliger Kriegsminister der Union, besaß er alle Eigenschaften, um seine
Aufgabe wohl zu erfüllen. Er hatte ferner zur Seite die Elite des frühern
Generalstabs der Union, den kriegerischeren Geist des Südens und das Zu¬
strömen aller der Abenteurer und Flibustier, welche der Süden stets für die
unaufhörlichen Eroberungszüge bereit hält, zu denen ihn die Sklaverei ver¬
dammt"

"Die Offiziere wurden gewählt und direct vom Präsidenten ernannt, sie
waren bei den Regimentern angestellt, diese zu commandiren. Keinerlei kamerad¬
schaftliches Verhältniß bestand zwischen ihnen und den Soldaten. Diese waren
mit ihnen nicht bekannt, und schon deshalb hielten sie sie für etwas Besseres.
Sie konnten sie nicht später im bürgerlichen Leben als ihnen Gleichstehende
wiederfinden. Endlich gehörten diese Offiziere zu jener Classe von Sklaven¬
haltern, welche, von der Arbeit ihrer Untergebenen lebend, gewöhnt, dieselben
zu befehligen und fest mit dem Boden verwachsen, der ihnen als väterliches
Erbtheil mit den darauf wohnenden schwarzen Leibeignen zufällt, in gewissem
Maß die Eigenschaften einer Aristokratie besitzt. Unter ihren Händen lief die
Mannszucht der Armee keine Gefahr; zahlreiche Hinrichtungen mit Pulver und
Blei verschafften ihr Respect, und am Tage des Kampfes führten sie tapfer
ihre Soldaten, die ihnen tapfer folgten."

"Ein zweiter Hauptpunkt ist, daß Davis schnell erkannte, wie das Frei-
willigensystem unfähig sein werde, ihm die Leute zu liefern, die er brauchte,
um den brudermörderischer Kampf auszufechten, in den er sein Land verwickelt
hatte. Er gelangte damit sehr bald zur Conscription, zur zwangsweise" Aus¬
hebung. Diese war nicht mehr ein Vertrag zwischen dem Soldaten und seinem
Obersten oder zwischen dem Soldaten und dem Staat, welcher immer die Mög¬
lichkeit des Rücktritts offen hielt und keine absoluten Verbindlichkeiten auf-


Grenzbolm IV. 1862.

Der Feldzug in Mexico war ein glänzender gewesen, und man hatte
manche Schwierigkeit dabei zu überwinden gehabt, aber er war weit entfernt
von den riesenhaften Verhältnissen des gegenwärtigen. Dann aber hatte dort
General Scott die gesammte reguläre Armee unter seinen Befehlen gehabt, und
diese hatte die Hauptmasse seiner Streitmacht gebildet, während sie hier unter
der ungeheuren Zahl der Freiwilligen beinahe verschwand.

Der Süden begegnete bei der Organisation seiner Streitkräfte geringern
Schwierigkeiten. „Die revolutionäre Regierung hatte unter den Händen
von Jefferson Davis schnell die Form der Diktatur angenommen. Getragen
von der Oligarchie von dreimalhunderttausend Sklavenhaltern, deren Erwählter
er war, und deren heftige Leidenschaften er in seiner Person vertrat, hatte
Davis sich mit Eifer ans Werk begeben, eine Armee zu schaffen, die den
Kampf mit den furchtbaren Rüstungen der Bundesregierung aufnehmen könnte.
Als ehemaliger Zögling Wcstpoints, ehemaliger Freiwilligengeneral in Mexiko,
ehemaliger Kriegsminister der Union, besaß er alle Eigenschaften, um seine
Aufgabe wohl zu erfüllen. Er hatte ferner zur Seite die Elite des frühern
Generalstabs der Union, den kriegerischeren Geist des Südens und das Zu¬
strömen aller der Abenteurer und Flibustier, welche der Süden stets für die
unaufhörlichen Eroberungszüge bereit hält, zu denen ihn die Sklaverei ver¬
dammt"

„Die Offiziere wurden gewählt und direct vom Präsidenten ernannt, sie
waren bei den Regimentern angestellt, diese zu commandiren. Keinerlei kamerad¬
schaftliches Verhältniß bestand zwischen ihnen und den Soldaten. Diese waren
mit ihnen nicht bekannt, und schon deshalb hielten sie sie für etwas Besseres.
Sie konnten sie nicht später im bürgerlichen Leben als ihnen Gleichstehende
wiederfinden. Endlich gehörten diese Offiziere zu jener Classe von Sklaven¬
haltern, welche, von der Arbeit ihrer Untergebenen lebend, gewöhnt, dieselben
zu befehligen und fest mit dem Boden verwachsen, der ihnen als väterliches
Erbtheil mit den darauf wohnenden schwarzen Leibeignen zufällt, in gewissem
Maß die Eigenschaften einer Aristokratie besitzt. Unter ihren Händen lief die
Mannszucht der Armee keine Gefahr; zahlreiche Hinrichtungen mit Pulver und
Blei verschafften ihr Respect, und am Tage des Kampfes führten sie tapfer
ihre Soldaten, die ihnen tapfer folgten."

„Ein zweiter Hauptpunkt ist, daß Davis schnell erkannte, wie das Frei-
willigensystem unfähig sein werde, ihm die Leute zu liefern, die er brauchte,
um den brudermörderischer Kampf auszufechten, in den er sein Land verwickelt
hatte. Er gelangte damit sehr bald zur Conscription, zur zwangsweise« Aus¬
hebung. Diese war nicht mehr ein Vertrag zwischen dem Soldaten und seinem
Obersten oder zwischen dem Soldaten und dem Staat, welcher immer die Mög¬
lichkeit des Rücktritts offen hielt und keine absoluten Verbindlichkeiten auf-


Grenzbolm IV. 1862.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0399" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115251"/>
            <p xml:id="ID_1272"> Der Feldzug in Mexico war ein glänzender gewesen, und man hatte<lb/>
manche Schwierigkeit dabei zu überwinden gehabt, aber er war weit entfernt<lb/>
von den riesenhaften Verhältnissen des gegenwärtigen. Dann aber hatte dort<lb/>
General Scott die gesammte reguläre Armee unter seinen Befehlen gehabt, und<lb/>
diese hatte die Hauptmasse seiner Streitmacht gebildet, während sie hier unter<lb/>
der ungeheuren Zahl der Freiwilligen beinahe verschwand.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1273"> Der Süden begegnete bei der Organisation seiner Streitkräfte geringern<lb/>
Schwierigkeiten. &#x201E;Die revolutionäre Regierung hatte unter den Händen<lb/>
von Jefferson Davis schnell die Form der Diktatur angenommen. Getragen<lb/>
von der Oligarchie von dreimalhunderttausend Sklavenhaltern, deren Erwählter<lb/>
er war, und deren heftige Leidenschaften er in seiner Person vertrat, hatte<lb/>
Davis sich mit Eifer ans Werk begeben, eine Armee zu schaffen, die den<lb/>
Kampf mit den furchtbaren Rüstungen der Bundesregierung aufnehmen könnte.<lb/>
Als ehemaliger Zögling Wcstpoints, ehemaliger Freiwilligengeneral in Mexiko,<lb/>
ehemaliger Kriegsminister der Union, besaß er alle Eigenschaften, um seine<lb/>
Aufgabe wohl zu erfüllen. Er hatte ferner zur Seite die Elite des frühern<lb/>
Generalstabs der Union, den kriegerischeren Geist des Südens und das Zu¬<lb/>
strömen aller der Abenteurer und Flibustier, welche der Süden stets für die<lb/>
unaufhörlichen Eroberungszüge bereit hält, zu denen ihn die Sklaverei ver¬<lb/>
dammt"</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1274"> &#x201E;Die Offiziere wurden gewählt und direct vom Präsidenten ernannt, sie<lb/>
waren bei den Regimentern angestellt, diese zu commandiren. Keinerlei kamerad¬<lb/>
schaftliches Verhältniß bestand zwischen ihnen und den Soldaten. Diese waren<lb/>
mit ihnen nicht bekannt, und schon deshalb hielten sie sie für etwas Besseres.<lb/>
Sie konnten sie nicht später im bürgerlichen Leben als ihnen Gleichstehende<lb/>
wiederfinden. Endlich gehörten diese Offiziere zu jener Classe von Sklaven¬<lb/>
haltern, welche, von der Arbeit ihrer Untergebenen lebend, gewöhnt, dieselben<lb/>
zu befehligen und fest mit dem Boden verwachsen, der ihnen als väterliches<lb/>
Erbtheil mit den darauf wohnenden schwarzen Leibeignen zufällt, in gewissem<lb/>
Maß die Eigenschaften einer Aristokratie besitzt. Unter ihren Händen lief die<lb/>
Mannszucht der Armee keine Gefahr; zahlreiche Hinrichtungen mit Pulver und<lb/>
Blei verschafften ihr Respect, und am Tage des Kampfes führten sie tapfer<lb/>
ihre Soldaten, die ihnen tapfer folgten."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1275" next="#ID_1276"> &#x201E;Ein zweiter Hauptpunkt ist, daß Davis schnell erkannte, wie das Frei-<lb/>
willigensystem unfähig sein werde, ihm die Leute zu liefern, die er brauchte,<lb/>
um den brudermörderischer Kampf auszufechten, in den er sein Land verwickelt<lb/>
hatte. Er gelangte damit sehr bald zur Conscription, zur zwangsweise« Aus¬<lb/>
hebung. Diese war nicht mehr ein Vertrag zwischen dem Soldaten und seinem<lb/>
Obersten oder zwischen dem Soldaten und dem Staat, welcher immer die Mög¬<lb/>
lichkeit des Rücktritts offen hielt und keine absoluten Verbindlichkeiten auf-</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzbolm IV. 1862.</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0399] Der Feldzug in Mexico war ein glänzender gewesen, und man hatte manche Schwierigkeit dabei zu überwinden gehabt, aber er war weit entfernt von den riesenhaften Verhältnissen des gegenwärtigen. Dann aber hatte dort General Scott die gesammte reguläre Armee unter seinen Befehlen gehabt, und diese hatte die Hauptmasse seiner Streitmacht gebildet, während sie hier unter der ungeheuren Zahl der Freiwilligen beinahe verschwand. Der Süden begegnete bei der Organisation seiner Streitkräfte geringern Schwierigkeiten. „Die revolutionäre Regierung hatte unter den Händen von Jefferson Davis schnell die Form der Diktatur angenommen. Getragen von der Oligarchie von dreimalhunderttausend Sklavenhaltern, deren Erwählter er war, und deren heftige Leidenschaften er in seiner Person vertrat, hatte Davis sich mit Eifer ans Werk begeben, eine Armee zu schaffen, die den Kampf mit den furchtbaren Rüstungen der Bundesregierung aufnehmen könnte. Als ehemaliger Zögling Wcstpoints, ehemaliger Freiwilligengeneral in Mexiko, ehemaliger Kriegsminister der Union, besaß er alle Eigenschaften, um seine Aufgabe wohl zu erfüllen. Er hatte ferner zur Seite die Elite des frühern Generalstabs der Union, den kriegerischeren Geist des Südens und das Zu¬ strömen aller der Abenteurer und Flibustier, welche der Süden stets für die unaufhörlichen Eroberungszüge bereit hält, zu denen ihn die Sklaverei ver¬ dammt" „Die Offiziere wurden gewählt und direct vom Präsidenten ernannt, sie waren bei den Regimentern angestellt, diese zu commandiren. Keinerlei kamerad¬ schaftliches Verhältniß bestand zwischen ihnen und den Soldaten. Diese waren mit ihnen nicht bekannt, und schon deshalb hielten sie sie für etwas Besseres. Sie konnten sie nicht später im bürgerlichen Leben als ihnen Gleichstehende wiederfinden. Endlich gehörten diese Offiziere zu jener Classe von Sklaven¬ haltern, welche, von der Arbeit ihrer Untergebenen lebend, gewöhnt, dieselben zu befehligen und fest mit dem Boden verwachsen, der ihnen als väterliches Erbtheil mit den darauf wohnenden schwarzen Leibeignen zufällt, in gewissem Maß die Eigenschaften einer Aristokratie besitzt. Unter ihren Händen lief die Mannszucht der Armee keine Gefahr; zahlreiche Hinrichtungen mit Pulver und Blei verschafften ihr Respect, und am Tage des Kampfes führten sie tapfer ihre Soldaten, die ihnen tapfer folgten." „Ein zweiter Hauptpunkt ist, daß Davis schnell erkannte, wie das Frei- willigensystem unfähig sein werde, ihm die Leute zu liefern, die er brauchte, um den brudermörderischer Kampf auszufechten, in den er sein Land verwickelt hatte. Er gelangte damit sehr bald zur Conscription, zur zwangsweise« Aus¬ hebung. Diese war nicht mehr ein Vertrag zwischen dem Soldaten und seinem Obersten oder zwischen dem Soldaten und dem Staat, welcher immer die Mög¬ lichkeit des Rücktritts offen hielt und keine absoluten Verbindlichkeiten auf- Grenzbolm IV. 1862.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/399
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/399>, abgerufen am 20.10.2024.