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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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Kriegsleute, die Waffen, die Organisation, er hat den ernsten Willen und die
Leidenschaft. Der Norden ist außer Stand, das Fort Sünder zu verprovian-
tiren, und seine Milizen (das Original hat unrichtig: Freiwillige), nur für drei
Monate aufgeboten, als ob der Feldzug nicht länger währen könnte, lassen sich
bei Bulls Rum schlagen, nicht aus Mangel an Muth und nicht auf Grund
eines Fehlers ihres Befehlshabers, des Generals Mac Dowell, dessen Plan
vielmehr Erfolg verdiente, sondern aus Mangel an Organisation und Dis¬
ciplin."

Diese Niederlage öffnete dem Norden die Augen. Er merkte jetzt, daß
man einen großen Krieg vor sich hatte, und er fühlte, daß er sich vor der
Welt zum Gelächter machen würde, wenn er, der die Ueberlegenheit der Zahl
und des Reichthums, das gute Recht und die Gesetzlichkeit auf seiner Seite
und sich gegenüber nur eine factiöse Minderheit hatte, welche die Waffen im
Grunde blos für die Ausdehnung der Sklaverei ergriffen, nicht Widerstand leisten
wollte. Man fühlte ferner, daß die Lehre der Secession, einmal zugelassen und
sanctionirt, leicht Anwendung ins Unendliche finden und von Zerstückelung zu
Zerstückelung bis zum Chaos führen könnte, welches in Kurzem dem Despotismus
gewonnenes Spiel geben würde. Man fühlte endlich die Unmöglichkeit eines
friedlichen Nebcneinanderlebens zweier Mächte, die ihre respectiven Kräfte noch
nicht aneinander erprobt hatten, und die.trotz gemeinsamer Sprache und Ab¬
stammung durch das Institut der Sklaverei, welches die eine erweitern, die an¬
dere ausheben wollte, von Grund aus getrennt waren.

Alle diese Gründe, zu denen der Verfasser noch andre, wie die Unmöglich¬
keit einer Zolllinie und die zahlreichen Streitfragen in Betreff der Schifffahrt
auf den westlichen Strömen hinzufügt, von denen wir den Amerikanern aber
nur einen Theil zugeben können, wirkten mit zu den ungeheuren Rüstungen,
mit denen der Norden jetzt den Anstrengungen der Aufständischen entgegentrat.
Nach Worten hoher Bewunderung vor dem Patriotismus, dem großen Sinn
und der Selbstverleugnung des Volks im Norden, "welches seine Negierung
mehr selbst führte, als es von ihr geführt wurde", und welches freiwillig und
nur für das öffentliche Wohl auf theure Gewohnheiten und Besitztümer bis
zur Preßfreiheit hinauf verzichtete, fährt der Aufsatz fort:

"So ging man denn ernstlich an das Werk, eine Armee, eine große
Armee zu schaffen. Unterstützt von der öffentlichen Meinung beschloß der Con-
greß die Aushebung von 500,000 Mann und bewilligte die nothwendigen Mit¬
tel zu deren Ausrüstung. Unglücklicher Weise konnte er nicht zugleich durch De-
crete auch die Ueberlieferungen, die Kenntnisse und die Erfahrung schaffen, .die
für die Bildung und die Führung einer solchen Heeresmacht erforderlich sind.
Er hat wohl wie durch Zauber Massen von Menschen und ein unermeßliches
Material zusammenbringen können; er ist aber (gewisse radicale Schwätzer ins-


Kriegsleute, die Waffen, die Organisation, er hat den ernsten Willen und die
Leidenschaft. Der Norden ist außer Stand, das Fort Sünder zu verprovian-
tiren, und seine Milizen (das Original hat unrichtig: Freiwillige), nur für drei
Monate aufgeboten, als ob der Feldzug nicht länger währen könnte, lassen sich
bei Bulls Rum schlagen, nicht aus Mangel an Muth und nicht auf Grund
eines Fehlers ihres Befehlshabers, des Generals Mac Dowell, dessen Plan
vielmehr Erfolg verdiente, sondern aus Mangel an Organisation und Dis¬
ciplin."

Diese Niederlage öffnete dem Norden die Augen. Er merkte jetzt, daß
man einen großen Krieg vor sich hatte, und er fühlte, daß er sich vor der
Welt zum Gelächter machen würde, wenn er, der die Ueberlegenheit der Zahl
und des Reichthums, das gute Recht und die Gesetzlichkeit auf seiner Seite
und sich gegenüber nur eine factiöse Minderheit hatte, welche die Waffen im
Grunde blos für die Ausdehnung der Sklaverei ergriffen, nicht Widerstand leisten
wollte. Man fühlte ferner, daß die Lehre der Secession, einmal zugelassen und
sanctionirt, leicht Anwendung ins Unendliche finden und von Zerstückelung zu
Zerstückelung bis zum Chaos führen könnte, welches in Kurzem dem Despotismus
gewonnenes Spiel geben würde. Man fühlte endlich die Unmöglichkeit eines
friedlichen Nebcneinanderlebens zweier Mächte, die ihre respectiven Kräfte noch
nicht aneinander erprobt hatten, und die.trotz gemeinsamer Sprache und Ab¬
stammung durch das Institut der Sklaverei, welches die eine erweitern, die an¬
dere ausheben wollte, von Grund aus getrennt waren.

Alle diese Gründe, zu denen der Verfasser noch andre, wie die Unmöglich¬
keit einer Zolllinie und die zahlreichen Streitfragen in Betreff der Schifffahrt
auf den westlichen Strömen hinzufügt, von denen wir den Amerikanern aber
nur einen Theil zugeben können, wirkten mit zu den ungeheuren Rüstungen,
mit denen der Norden jetzt den Anstrengungen der Aufständischen entgegentrat.
Nach Worten hoher Bewunderung vor dem Patriotismus, dem großen Sinn
und der Selbstverleugnung des Volks im Norden, „welches seine Negierung
mehr selbst führte, als es von ihr geführt wurde", und welches freiwillig und
nur für das öffentliche Wohl auf theure Gewohnheiten und Besitztümer bis
zur Preßfreiheit hinauf verzichtete, fährt der Aufsatz fort:

„So ging man denn ernstlich an das Werk, eine Armee, eine große
Armee zu schaffen. Unterstützt von der öffentlichen Meinung beschloß der Con-
greß die Aushebung von 500,000 Mann und bewilligte die nothwendigen Mit¬
tel zu deren Ausrüstung. Unglücklicher Weise konnte er nicht zugleich durch De-
crete auch die Ueberlieferungen, die Kenntnisse und die Erfahrung schaffen, .die
für die Bildung und die Führung einer solchen Heeresmacht erforderlich sind.
Er hat wohl wie durch Zauber Massen von Menschen und ein unermeßliches
Material zusammenbringen können; er ist aber (gewisse radicale Schwätzer ins-


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[0394] Kriegsleute, die Waffen, die Organisation, er hat den ernsten Willen und die Leidenschaft. Der Norden ist außer Stand, das Fort Sünder zu verprovian- tiren, und seine Milizen (das Original hat unrichtig: Freiwillige), nur für drei Monate aufgeboten, als ob der Feldzug nicht länger währen könnte, lassen sich bei Bulls Rum schlagen, nicht aus Mangel an Muth und nicht auf Grund eines Fehlers ihres Befehlshabers, des Generals Mac Dowell, dessen Plan vielmehr Erfolg verdiente, sondern aus Mangel an Organisation und Dis¬ ciplin." Diese Niederlage öffnete dem Norden die Augen. Er merkte jetzt, daß man einen großen Krieg vor sich hatte, und er fühlte, daß er sich vor der Welt zum Gelächter machen würde, wenn er, der die Ueberlegenheit der Zahl und des Reichthums, das gute Recht und die Gesetzlichkeit auf seiner Seite und sich gegenüber nur eine factiöse Minderheit hatte, welche die Waffen im Grunde blos für die Ausdehnung der Sklaverei ergriffen, nicht Widerstand leisten wollte. Man fühlte ferner, daß die Lehre der Secession, einmal zugelassen und sanctionirt, leicht Anwendung ins Unendliche finden und von Zerstückelung zu Zerstückelung bis zum Chaos führen könnte, welches in Kurzem dem Despotismus gewonnenes Spiel geben würde. Man fühlte endlich die Unmöglichkeit eines friedlichen Nebcneinanderlebens zweier Mächte, die ihre respectiven Kräfte noch nicht aneinander erprobt hatten, und die.trotz gemeinsamer Sprache und Ab¬ stammung durch das Institut der Sklaverei, welches die eine erweitern, die an¬ dere ausheben wollte, von Grund aus getrennt waren. Alle diese Gründe, zu denen der Verfasser noch andre, wie die Unmöglich¬ keit einer Zolllinie und die zahlreichen Streitfragen in Betreff der Schifffahrt auf den westlichen Strömen hinzufügt, von denen wir den Amerikanern aber nur einen Theil zugeben können, wirkten mit zu den ungeheuren Rüstungen, mit denen der Norden jetzt den Anstrengungen der Aufständischen entgegentrat. Nach Worten hoher Bewunderung vor dem Patriotismus, dem großen Sinn und der Selbstverleugnung des Volks im Norden, „welches seine Negierung mehr selbst führte, als es von ihr geführt wurde", und welches freiwillig und nur für das öffentliche Wohl auf theure Gewohnheiten und Besitztümer bis zur Preßfreiheit hinauf verzichtete, fährt der Aufsatz fort: „So ging man denn ernstlich an das Werk, eine Armee, eine große Armee zu schaffen. Unterstützt von der öffentlichen Meinung beschloß der Con- greß die Aushebung von 500,000 Mann und bewilligte die nothwendigen Mit¬ tel zu deren Ausrüstung. Unglücklicher Weise konnte er nicht zugleich durch De- crete auch die Ueberlieferungen, die Kenntnisse und die Erfahrung schaffen, .die für die Bildung und die Führung einer solchen Heeresmacht erforderlich sind. Er hat wohl wie durch Zauber Massen von Menschen und ein unermeßliches Material zusammenbringen können; er ist aber (gewisse radicale Schwätzer ins-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/394>, abgerufen am 20.10.2024.