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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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sehen Lande bildende Fürstenthum Ratzeburg und in den schwerinschen Landen
die Seestadt Wismar.

Der erste der beiden Stände ist die Ritterschaft, Das ritterschaftliche
Landstandschaftsrecht haftet an gewissen Gütern (Hauptgütern). Wer mit einem
solchen Gute angesessen ist und den Lehens- oder Homagialeid abgeleistet hat,
ist Mitglied der Ritterschaft. Von dem adeligen oder bürgerlichen Stande des
Besitzers ist die. Mitgliedschaft so wenig bedingt wie von der Eigenschaft des
Gutes als Lehen oder Allodium Die Güter des rostocker Districts werden
durch die Stadt Rostock, die Güter einzelner Städte eben durch diese Städte,
die der geistlichen Stiftungen durch? beide Stände vertreten. Die sechs ritter¬
schaftlichen Güter in Mecklenburg-Schwerin, welche im Besitz von Baucrschaftcn
sind, können sich durch Deputirte vertreten lassen. Die Zahl der Gutsherren,
"welche, vermöge des Besitzes eines oder mehrer Güter, Mitglieder der Ritter¬
schaft sind, beträgt gegenwärtig im mecklenburgischen und wendischen Kreise
626, darunter 323 bürgerliche, im stargardischen Kreise 62, darunter 24 bürger¬
liche, im Ganzen also 688, darunter 347 bürgerliche.

Den zweiten Stand bildet die Landschaft. Zu ihr gehört nur im weite¬
ren Sinne die Stadt Rostock, da dieselbe in der Verfassung eine Stelle ein¬
nimmt, welche sie in vielfacher Hinsicht von der Landschaft trennt und sie an¬
nähernd als einen Staat im Staate erscheinen läßt. Das eigentliche Corps
der Landschaft bilden die im Gegensatz zu den beiden Seestädten (Rostock und
Wismar) sogenannten Landstädte, deren es Is im mecklenburgischen, 19 im
wendischen und 7 im stargardtschen Kreise gibt. Das Directorium dert Land¬
schaft führen die Städte Parchim, Güstrow und Neubrandenburg, welche als
"Vorderstädte" an der Spitze der einzelnen Kreise stehen. Ohne Vertretungs¬
recht Ist die auf ursprünglichem Domanialgebiet belegene und erst im Jahre
1733 mit Stadtrecht bewidmcte Residenzstadt Neustrelitz.

Alljährlich im November versammelt sich, auf Berufung der Landesherren,
die Ritter- und Landschaft zu einem Landtage, welcher abwechselnd in den
mecklenburg-schweriuschcn Städten Sternberg und Malchin gehalten 5bird und
vier bis fünf Wochen zu dauern Pflegt. Die nicht Erscheinenden, welche ihr
Ausbleiben überdies entschuldigen müssen, sind an die Beschlüsse der Anwesen¬
den gebunden. Die Mitglieder der Ritterschaft beziehen den Landtag auf
eigene Kosten, wogegen die Mitglieder der Landschaft, da sie nicht aus eigenem
Recht, sondern als Repräsentanten der städtischen Communen erscheinen, Diä¬
ten und Reisekosten erhalten. Bis zum Jahre 1848 trug jede Stadt diese Ko¬
sten für ihren Deputaten, und es ward dies in einzelnen Fällen Anlaß, daß,
zur Kostenersparung, eine Stadt ihrem Deputirten eine etwa auf die Hälfte der
sonst entstehenden Kosten angesetzte Abfindung bewilligte gegen das Versprechen,
den Landtag nicht zu besuchen. Seit der Wiederherstellung der alten Verfassung


sehen Lande bildende Fürstenthum Ratzeburg und in den schwerinschen Landen
die Seestadt Wismar.

Der erste der beiden Stände ist die Ritterschaft, Das ritterschaftliche
Landstandschaftsrecht haftet an gewissen Gütern (Hauptgütern). Wer mit einem
solchen Gute angesessen ist und den Lehens- oder Homagialeid abgeleistet hat,
ist Mitglied der Ritterschaft. Von dem adeligen oder bürgerlichen Stande des
Besitzers ist die. Mitgliedschaft so wenig bedingt wie von der Eigenschaft des
Gutes als Lehen oder Allodium Die Güter des rostocker Districts werden
durch die Stadt Rostock, die Güter einzelner Städte eben durch diese Städte,
die der geistlichen Stiftungen durch? beide Stände vertreten. Die sechs ritter¬
schaftlichen Güter in Mecklenburg-Schwerin, welche im Besitz von Baucrschaftcn
sind, können sich durch Deputirte vertreten lassen. Die Zahl der Gutsherren,
"welche, vermöge des Besitzes eines oder mehrer Güter, Mitglieder der Ritter¬
schaft sind, beträgt gegenwärtig im mecklenburgischen und wendischen Kreise
626, darunter 323 bürgerliche, im stargardischen Kreise 62, darunter 24 bürger¬
liche, im Ganzen also 688, darunter 347 bürgerliche.

Den zweiten Stand bildet die Landschaft. Zu ihr gehört nur im weite¬
ren Sinne die Stadt Rostock, da dieselbe in der Verfassung eine Stelle ein¬
nimmt, welche sie in vielfacher Hinsicht von der Landschaft trennt und sie an¬
nähernd als einen Staat im Staate erscheinen läßt. Das eigentliche Corps
der Landschaft bilden die im Gegensatz zu den beiden Seestädten (Rostock und
Wismar) sogenannten Landstädte, deren es Is im mecklenburgischen, 19 im
wendischen und 7 im stargardtschen Kreise gibt. Das Directorium dert Land¬
schaft führen die Städte Parchim, Güstrow und Neubrandenburg, welche als
„Vorderstädte" an der Spitze der einzelnen Kreise stehen. Ohne Vertretungs¬
recht Ist die auf ursprünglichem Domanialgebiet belegene und erst im Jahre
1733 mit Stadtrecht bewidmcte Residenzstadt Neustrelitz.

Alljährlich im November versammelt sich, auf Berufung der Landesherren,
die Ritter- und Landschaft zu einem Landtage, welcher abwechselnd in den
mecklenburg-schweriuschcn Städten Sternberg und Malchin gehalten 5bird und
vier bis fünf Wochen zu dauern Pflegt. Die nicht Erscheinenden, welche ihr
Ausbleiben überdies entschuldigen müssen, sind an die Beschlüsse der Anwesen¬
den gebunden. Die Mitglieder der Ritterschaft beziehen den Landtag auf
eigene Kosten, wogegen die Mitglieder der Landschaft, da sie nicht aus eigenem
Recht, sondern als Repräsentanten der städtischen Communen erscheinen, Diä¬
ten und Reisekosten erhalten. Bis zum Jahre 1848 trug jede Stadt diese Ko¬
sten für ihren Deputaten, und es ward dies in einzelnen Fällen Anlaß, daß,
zur Kostenersparung, eine Stadt ihrem Deputirten eine etwa auf die Hälfte der
sonst entstehenden Kosten angesetzte Abfindung bewilligte gegen das Versprechen,
den Landtag nicht zu besuchen. Seit der Wiederherstellung der alten Verfassung


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[0334] sehen Lande bildende Fürstenthum Ratzeburg und in den schwerinschen Landen die Seestadt Wismar. Der erste der beiden Stände ist die Ritterschaft, Das ritterschaftliche Landstandschaftsrecht haftet an gewissen Gütern (Hauptgütern). Wer mit einem solchen Gute angesessen ist und den Lehens- oder Homagialeid abgeleistet hat, ist Mitglied der Ritterschaft. Von dem adeligen oder bürgerlichen Stande des Besitzers ist die. Mitgliedschaft so wenig bedingt wie von der Eigenschaft des Gutes als Lehen oder Allodium Die Güter des rostocker Districts werden durch die Stadt Rostock, die Güter einzelner Städte eben durch diese Städte, die der geistlichen Stiftungen durch? beide Stände vertreten. Die sechs ritter¬ schaftlichen Güter in Mecklenburg-Schwerin, welche im Besitz von Baucrschaftcn sind, können sich durch Deputirte vertreten lassen. Die Zahl der Gutsherren, "welche, vermöge des Besitzes eines oder mehrer Güter, Mitglieder der Ritter¬ schaft sind, beträgt gegenwärtig im mecklenburgischen und wendischen Kreise 626, darunter 323 bürgerliche, im stargardischen Kreise 62, darunter 24 bürger¬ liche, im Ganzen also 688, darunter 347 bürgerliche. Den zweiten Stand bildet die Landschaft. Zu ihr gehört nur im weite¬ ren Sinne die Stadt Rostock, da dieselbe in der Verfassung eine Stelle ein¬ nimmt, welche sie in vielfacher Hinsicht von der Landschaft trennt und sie an¬ nähernd als einen Staat im Staate erscheinen läßt. Das eigentliche Corps der Landschaft bilden die im Gegensatz zu den beiden Seestädten (Rostock und Wismar) sogenannten Landstädte, deren es Is im mecklenburgischen, 19 im wendischen und 7 im stargardtschen Kreise gibt. Das Directorium dert Land¬ schaft führen die Städte Parchim, Güstrow und Neubrandenburg, welche als „Vorderstädte" an der Spitze der einzelnen Kreise stehen. Ohne Vertretungs¬ recht Ist die auf ursprünglichem Domanialgebiet belegene und erst im Jahre 1733 mit Stadtrecht bewidmcte Residenzstadt Neustrelitz. Alljährlich im November versammelt sich, auf Berufung der Landesherren, die Ritter- und Landschaft zu einem Landtage, welcher abwechselnd in den mecklenburg-schweriuschcn Städten Sternberg und Malchin gehalten 5bird und vier bis fünf Wochen zu dauern Pflegt. Die nicht Erscheinenden, welche ihr Ausbleiben überdies entschuldigen müssen, sind an die Beschlüsse der Anwesen¬ den gebunden. Die Mitglieder der Ritterschaft beziehen den Landtag auf eigene Kosten, wogegen die Mitglieder der Landschaft, da sie nicht aus eigenem Recht, sondern als Repräsentanten der städtischen Communen erscheinen, Diä¬ ten und Reisekosten erhalten. Bis zum Jahre 1848 trug jede Stadt diese Ko¬ sten für ihren Deputaten, und es ward dies in einzelnen Fällen Anlaß, daß, zur Kostenersparung, eine Stadt ihrem Deputirten eine etwa auf die Hälfte der sonst entstehenden Kosten angesetzte Abfindung bewilligte gegen das Versprechen, den Landtag nicht zu besuchen. Seit der Wiederherstellung der alten Verfassung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/334>, abgerufen am 19.10.2024.