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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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die Vorpostenkette Passiren zu können, mühten nochmals den Loyalitätseid
schwören und boten nun unsern Scharfsinn auf, um Beförderungsmittel zu er¬
langen, welche bei der starken Requisition für Armcetransporte sehr spärlich
waren. Alles, was an Wagen und Pferden in Beaufort und Umgegend vor¬
gefunden worden war, stand unter der unmittelbaren Controle des Brigade-
QuartierMeisters Capt. Füller, und durch eine Kriegslist gelang es mir (indem
ich in der Unterhaltung meine engen Beziehungen zu mehren New-Aorker Bleit<
tern durchblicken ließ) eine Equipage zu erlangen, deren Erscheinen in den An¬
nalen des Corso entschieden Furore gemacht haben würde. Es war ein zwei¬
sitziges Buggy, nicht mehr im besten Zustande, dessen Vorderräder bedenkliche
Parabeln beschrieben, sobald es in Bewegung gesetzt wurde. Das Pferde¬
geschirr war aus verschiedenen andern zusammengesucht, und die edlen Rosse
zeigten Symptome, als ob sie schon seit Jahren in irgend einer Tretmühle be¬
schäftigt gewesen wären, was sich namentlich aus einer bedenklichen Neigung
zum Auseinandergehen schließen ließ. Eine Skiavenpeitsche wurde mir als
Stimulus für die beiden Rosinanten überreicht: wir stiegen ein und fuhren,
ein Schauspiel für Götter und Menschen, die prächtige Austerschalenchaussee
entlang, welche von Beaufort nach Port Royal-Fcrry und von da nach der
Junction der Charleston-Savannah-Eisenbahn führt. Die Auster nämlich dient
in jenen Gegenden nicht nur zum geschmackvollen Nahrungsmittel, sondern muß
auch noch ihre Schale zum Baumaterial hergeben, welche, mit Cement oder
Kalk gemischt, eine Mauer liefert, die dauerhafter als die von Ziegelsteinen ist
und ihrer Billigkeit wegen sich außerordentlich empfiehlt. So sind die Grund¬
mauern der Häuser, Einfriedigungen für Gärten, Kirchhöfe und öffentliche
Plätze, alle aus diesem Material gebildet, und die Heerstraßen, welche eine
Grundlage von Austerschalen haben, werden, wenn nicht durch zu schwere
Fuhrwerke aufgewühlt, binnen kurzer Zeit glatt und fest wie Marmor. Auch
die Martellothürme, eine eigne Art von runden Forts, welche sich als sehr
dauerhaft bewiesen haben, werden aus Austerschalen gebaut.

Der ganze acht bis neun Meilen lange Weg war von einem herrlichen Laubdach
überschattet, welches meist von der kleinblättrigen Lebenseiche, IM viel, gebildet
und durch ein dichtes Geflecht von Lianen, Moosen und Schlingpflanzen fast
undurchdringlich gemacht wurde; hier und da war eine Lücke, wo ein Nebenweg
zu den Baulichkeiten einer verlassenen Plantage führte und einen Blick aus
Reis- und Baumwollenfelder gewährte, deren Früchte verwittert waren. Un¬
gefähr alle zwei Meilen trafen wir auf ein Piquet, welches seine Wachen in der
Umgegend ausstellte, und unsre Pässe wurden jedes Mal auf das Sorgfältigste
untersucht, bis wir an die äußersten Vorposten kamen, welche sich in dem Fähr¬
hause an dem Ufer des Creeks etablirt hatten, der die Inseln (sha, islairäs)
von dem Festlande trennt.


die Vorpostenkette Passiren zu können, mühten nochmals den Loyalitätseid
schwören und boten nun unsern Scharfsinn auf, um Beförderungsmittel zu er¬
langen, welche bei der starken Requisition für Armcetransporte sehr spärlich
waren. Alles, was an Wagen und Pferden in Beaufort und Umgegend vor¬
gefunden worden war, stand unter der unmittelbaren Controle des Brigade-
QuartierMeisters Capt. Füller, und durch eine Kriegslist gelang es mir (indem
ich in der Unterhaltung meine engen Beziehungen zu mehren New-Aorker Bleit<
tern durchblicken ließ) eine Equipage zu erlangen, deren Erscheinen in den An¬
nalen des Corso entschieden Furore gemacht haben würde. Es war ein zwei¬
sitziges Buggy, nicht mehr im besten Zustande, dessen Vorderräder bedenkliche
Parabeln beschrieben, sobald es in Bewegung gesetzt wurde. Das Pferde¬
geschirr war aus verschiedenen andern zusammengesucht, und die edlen Rosse
zeigten Symptome, als ob sie schon seit Jahren in irgend einer Tretmühle be¬
schäftigt gewesen wären, was sich namentlich aus einer bedenklichen Neigung
zum Auseinandergehen schließen ließ. Eine Skiavenpeitsche wurde mir als
Stimulus für die beiden Rosinanten überreicht: wir stiegen ein und fuhren,
ein Schauspiel für Götter und Menschen, die prächtige Austerschalenchaussee
entlang, welche von Beaufort nach Port Royal-Fcrry und von da nach der
Junction der Charleston-Savannah-Eisenbahn führt. Die Auster nämlich dient
in jenen Gegenden nicht nur zum geschmackvollen Nahrungsmittel, sondern muß
auch noch ihre Schale zum Baumaterial hergeben, welche, mit Cement oder
Kalk gemischt, eine Mauer liefert, die dauerhafter als die von Ziegelsteinen ist
und ihrer Billigkeit wegen sich außerordentlich empfiehlt. So sind die Grund¬
mauern der Häuser, Einfriedigungen für Gärten, Kirchhöfe und öffentliche
Plätze, alle aus diesem Material gebildet, und die Heerstraßen, welche eine
Grundlage von Austerschalen haben, werden, wenn nicht durch zu schwere
Fuhrwerke aufgewühlt, binnen kurzer Zeit glatt und fest wie Marmor. Auch
die Martellothürme, eine eigne Art von runden Forts, welche sich als sehr
dauerhaft bewiesen haben, werden aus Austerschalen gebaut.

Der ganze acht bis neun Meilen lange Weg war von einem herrlichen Laubdach
überschattet, welches meist von der kleinblättrigen Lebenseiche, IM viel, gebildet
und durch ein dichtes Geflecht von Lianen, Moosen und Schlingpflanzen fast
undurchdringlich gemacht wurde; hier und da war eine Lücke, wo ein Nebenweg
zu den Baulichkeiten einer verlassenen Plantage führte und einen Blick aus
Reis- und Baumwollenfelder gewährte, deren Früchte verwittert waren. Un¬
gefähr alle zwei Meilen trafen wir auf ein Piquet, welches seine Wachen in der
Umgegend ausstellte, und unsre Pässe wurden jedes Mal auf das Sorgfältigste
untersucht, bis wir an die äußersten Vorposten kamen, welche sich in dem Fähr¬
hause an dem Ufer des Creeks etablirt hatten, der die Inseln (sha, islairäs)
von dem Festlande trennt.


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[0279] die Vorpostenkette Passiren zu können, mühten nochmals den Loyalitätseid schwören und boten nun unsern Scharfsinn auf, um Beförderungsmittel zu er¬ langen, welche bei der starken Requisition für Armcetransporte sehr spärlich waren. Alles, was an Wagen und Pferden in Beaufort und Umgegend vor¬ gefunden worden war, stand unter der unmittelbaren Controle des Brigade- QuartierMeisters Capt. Füller, und durch eine Kriegslist gelang es mir (indem ich in der Unterhaltung meine engen Beziehungen zu mehren New-Aorker Bleit< tern durchblicken ließ) eine Equipage zu erlangen, deren Erscheinen in den An¬ nalen des Corso entschieden Furore gemacht haben würde. Es war ein zwei¬ sitziges Buggy, nicht mehr im besten Zustande, dessen Vorderräder bedenkliche Parabeln beschrieben, sobald es in Bewegung gesetzt wurde. Das Pferde¬ geschirr war aus verschiedenen andern zusammengesucht, und die edlen Rosse zeigten Symptome, als ob sie schon seit Jahren in irgend einer Tretmühle be¬ schäftigt gewesen wären, was sich namentlich aus einer bedenklichen Neigung zum Auseinandergehen schließen ließ. Eine Skiavenpeitsche wurde mir als Stimulus für die beiden Rosinanten überreicht: wir stiegen ein und fuhren, ein Schauspiel für Götter und Menschen, die prächtige Austerschalenchaussee entlang, welche von Beaufort nach Port Royal-Fcrry und von da nach der Junction der Charleston-Savannah-Eisenbahn führt. Die Auster nämlich dient in jenen Gegenden nicht nur zum geschmackvollen Nahrungsmittel, sondern muß auch noch ihre Schale zum Baumaterial hergeben, welche, mit Cement oder Kalk gemischt, eine Mauer liefert, die dauerhafter als die von Ziegelsteinen ist und ihrer Billigkeit wegen sich außerordentlich empfiehlt. So sind die Grund¬ mauern der Häuser, Einfriedigungen für Gärten, Kirchhöfe und öffentliche Plätze, alle aus diesem Material gebildet, und die Heerstraßen, welche eine Grundlage von Austerschalen haben, werden, wenn nicht durch zu schwere Fuhrwerke aufgewühlt, binnen kurzer Zeit glatt und fest wie Marmor. Auch die Martellothürme, eine eigne Art von runden Forts, welche sich als sehr dauerhaft bewiesen haben, werden aus Austerschalen gebaut. Der ganze acht bis neun Meilen lange Weg war von einem herrlichen Laubdach überschattet, welches meist von der kleinblättrigen Lebenseiche, IM viel, gebildet und durch ein dichtes Geflecht von Lianen, Moosen und Schlingpflanzen fast undurchdringlich gemacht wurde; hier und da war eine Lücke, wo ein Nebenweg zu den Baulichkeiten einer verlassenen Plantage führte und einen Blick aus Reis- und Baumwollenfelder gewährte, deren Früchte verwittert waren. Un¬ gefähr alle zwei Meilen trafen wir auf ein Piquet, welches seine Wachen in der Umgegend ausstellte, und unsre Pässe wurden jedes Mal auf das Sorgfältigste untersucht, bis wir an die äußersten Vorposten kamen, welche sich in dem Fähr¬ hause an dem Ufer des Creeks etablirt hatten, der die Inseln (sha, islairäs) von dem Festlande trennt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/279>, abgerufen am 20.10.2024.