Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

vorwärts, daß sie sich im Gegentheil von einem viel schwächeren Feind in
ihre starke Stellung von Wedelspang zurückdrängen und trotz aller Mahnungen
zum Angriff darin festhalten ließ. Es fand hier eine so schlechte Führung statt,
daß die schlimmsten Anklagen daraus entstanden, in deren Folge noch spät
Offiziere entlassen wurden, und welche noch weiter hinauf gegriffen haben würden,
hätte ich damals ahnen können, was ich erst ein Jahr nachher durch den
dänischen Bericht über die Schlacht erfahren habe, daß hier der Brigade ein
viel schwächerer Feind entgegenstand, während ich immer das Gegentheil ange¬
nommen hatte.

So war denn der offensive Stoß völlig mißlungen, und ich sah mich in
die Lage der absoluten Vertheidigung der Stellung zurückversetzt, also gewisser¬
maßen nur an den Anfang der Lage, wie sie gewesen sein würde, hätte ich
mich, wie es die Meisten gethan haben würden, darauf beschränkt, den Angriff
von Hause aus in der Stellung zu erwarten, nur mit dem Unterschiede, daß die
Aufgabe nun mit zum Theil geschwächten und entmuthigten Truppen zu lösen
war. Der Nachtheil wurde aber dadurch mehr als aufgewogen, daß der Feind
eine viel stärkere Erschütterung erlitten hatte wie ich, "und daß meine Artillerie
und Cavallerie noch völlig unangetastet war. Es trat nun ein völliger Still¬
stand im Gange der Schlacht ein, da ich jetzt auch den falschen Angriff zurück¬
zog, welchen ein Theil der ersten Brigade durch den Buchwald gegen Helligbek
gemacht hatte, und der durch die Hitze des tapfern Baudissin heftiger als
ich es beabsichtigt hatte, durch seine Heftigkeit aber zu einer sehr nützlichen
Diversion wurde, denn der Feind warf ihm einen Theil seiner Reserven ent¬
gegen, die ihm dann fehlten, als er sein Centrum gegen meinen so unerwarteten
Angriff unterstützen wollte. Und ebenso ist er wohl die nächste Veranlassung
dazu gewesen, daß der dänische General in höchster Besorgniß und Eile seinem
rechten Flügel den Befehl schickte zurückzukehren, was mir später so nützlich
wurde.

So spielte das Glück an diesem Tage unaufhörlich mit den Gedanken der
Menschen. Was sie Richtiges gewollt, geschah nicht oder schlug zum Verderben
aus, was sie nicht gewollt oder was falsch war, hatte einen glücklichen Erfolg.

Der nun etwa zwischen 9 und 10 Uhr eingetretene Stillstand gab mir
Gelegenheit, meine Vertheidigungslinie wieder einigermaßen zu ordnen, wobei
mich der sehr erschütterte Zustand der Infanterie in nicht geringe Besorgniß
brachte. Indessen hoffte ich die sehr starke Stellung wenigstens für den Tag
sicher halten zu können, da mir bis dahin noch nicht die geringste Meldung
von Solbro herzugekommen war, daß der Feind dort seinen Angriff etwa er¬
neuert habe, und ich also glaubte, er habe ihn überhaupt aufgegeben, es sei
der falsche gewesen, und er beabsichtige vielmehr über Wedelspang vorzudringen,
womit denn auch das stimmte, daß die zweite Brigade behauptete, nicht im


vorwärts, daß sie sich im Gegentheil von einem viel schwächeren Feind in
ihre starke Stellung von Wedelspang zurückdrängen und trotz aller Mahnungen
zum Angriff darin festhalten ließ. Es fand hier eine so schlechte Führung statt,
daß die schlimmsten Anklagen daraus entstanden, in deren Folge noch spät
Offiziere entlassen wurden, und welche noch weiter hinauf gegriffen haben würden,
hätte ich damals ahnen können, was ich erst ein Jahr nachher durch den
dänischen Bericht über die Schlacht erfahren habe, daß hier der Brigade ein
viel schwächerer Feind entgegenstand, während ich immer das Gegentheil ange¬
nommen hatte.

So war denn der offensive Stoß völlig mißlungen, und ich sah mich in
die Lage der absoluten Vertheidigung der Stellung zurückversetzt, also gewisser¬
maßen nur an den Anfang der Lage, wie sie gewesen sein würde, hätte ich
mich, wie es die Meisten gethan haben würden, darauf beschränkt, den Angriff
von Hause aus in der Stellung zu erwarten, nur mit dem Unterschiede, daß die
Aufgabe nun mit zum Theil geschwächten und entmuthigten Truppen zu lösen
war. Der Nachtheil wurde aber dadurch mehr als aufgewogen, daß der Feind
eine viel stärkere Erschütterung erlitten hatte wie ich, »und daß meine Artillerie
und Cavallerie noch völlig unangetastet war. Es trat nun ein völliger Still¬
stand im Gange der Schlacht ein, da ich jetzt auch den falschen Angriff zurück¬
zog, welchen ein Theil der ersten Brigade durch den Buchwald gegen Helligbek
gemacht hatte, und der durch die Hitze des tapfern Baudissin heftiger als
ich es beabsichtigt hatte, durch seine Heftigkeit aber zu einer sehr nützlichen
Diversion wurde, denn der Feind warf ihm einen Theil seiner Reserven ent¬
gegen, die ihm dann fehlten, als er sein Centrum gegen meinen so unerwarteten
Angriff unterstützen wollte. Und ebenso ist er wohl die nächste Veranlassung
dazu gewesen, daß der dänische General in höchster Besorgniß und Eile seinem
rechten Flügel den Befehl schickte zurückzukehren, was mir später so nützlich
wurde.

So spielte das Glück an diesem Tage unaufhörlich mit den Gedanken der
Menschen. Was sie Richtiges gewollt, geschah nicht oder schlug zum Verderben
aus, was sie nicht gewollt oder was falsch war, hatte einen glücklichen Erfolg.

Der nun etwa zwischen 9 und 10 Uhr eingetretene Stillstand gab mir
Gelegenheit, meine Vertheidigungslinie wieder einigermaßen zu ordnen, wobei
mich der sehr erschütterte Zustand der Infanterie in nicht geringe Besorgniß
brachte. Indessen hoffte ich die sehr starke Stellung wenigstens für den Tag
sicher halten zu können, da mir bis dahin noch nicht die geringste Meldung
von Solbro herzugekommen war, daß der Feind dort seinen Angriff etwa er¬
neuert habe, und ich also glaubte, er habe ihn überhaupt aufgegeben, es sei
der falsche gewesen, und er beabsichtige vielmehr über Wedelspang vorzudringen,
womit denn auch das stimmte, daß die zweite Brigade behauptete, nicht im


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0263" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115115"/>
            <p xml:id="ID_826" prev="#ID_825"> vorwärts, daß sie sich im Gegentheil von einem viel schwächeren Feind in<lb/>
ihre starke Stellung von Wedelspang zurückdrängen und trotz aller Mahnungen<lb/>
zum Angriff darin festhalten ließ. Es fand hier eine so schlechte Führung statt,<lb/>
daß die schlimmsten Anklagen daraus entstanden, in deren Folge noch spät<lb/>
Offiziere entlassen wurden, und welche noch weiter hinauf gegriffen haben würden,<lb/>
hätte ich damals ahnen können, was ich erst ein Jahr nachher durch den<lb/>
dänischen Bericht über die Schlacht erfahren habe, daß hier der Brigade ein<lb/>
viel schwächerer Feind entgegenstand, während ich immer das Gegentheil ange¬<lb/>
nommen hatte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_827"> So war denn der offensive Stoß völlig mißlungen, und ich sah mich in<lb/>
die Lage der absoluten Vertheidigung der Stellung zurückversetzt, also gewisser¬<lb/>
maßen nur an den Anfang der Lage, wie sie gewesen sein würde, hätte ich<lb/>
mich, wie es die Meisten gethan haben würden, darauf beschränkt, den Angriff<lb/>
von Hause aus in der Stellung zu erwarten, nur mit dem Unterschiede, daß die<lb/>
Aufgabe nun mit zum Theil geschwächten und entmuthigten Truppen zu lösen<lb/>
war. Der Nachtheil wurde aber dadurch mehr als aufgewogen, daß der Feind<lb/>
eine viel stärkere Erschütterung erlitten hatte wie ich, »und daß meine Artillerie<lb/>
und Cavallerie noch völlig unangetastet war. Es trat nun ein völliger Still¬<lb/>
stand im Gange der Schlacht ein, da ich jetzt auch den falschen Angriff zurück¬<lb/>
zog, welchen ein Theil der ersten Brigade durch den Buchwald gegen Helligbek<lb/>
gemacht hatte, und der durch die Hitze des tapfern Baudissin heftiger als<lb/>
ich es beabsichtigt hatte, durch seine Heftigkeit aber zu einer sehr nützlichen<lb/>
Diversion wurde, denn der Feind warf ihm einen Theil seiner Reserven ent¬<lb/>
gegen, die ihm dann fehlten, als er sein Centrum gegen meinen so unerwarteten<lb/>
Angriff unterstützen wollte. Und ebenso ist er wohl die nächste Veranlassung<lb/>
dazu gewesen, daß der dänische General in höchster Besorgniß und Eile seinem<lb/>
rechten Flügel den Befehl schickte zurückzukehren, was mir später so nützlich<lb/>
wurde.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_828"> So spielte das Glück an diesem Tage unaufhörlich mit den Gedanken der<lb/>
Menschen. Was sie Richtiges gewollt, geschah nicht oder schlug zum Verderben<lb/>
aus, was sie nicht gewollt oder was falsch war, hatte einen glücklichen Erfolg.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_829" next="#ID_830"> Der nun etwa zwischen 9 und 10 Uhr eingetretene Stillstand gab mir<lb/>
Gelegenheit, meine Vertheidigungslinie wieder einigermaßen zu ordnen, wobei<lb/>
mich der sehr erschütterte Zustand der Infanterie in nicht geringe Besorgniß<lb/>
brachte. Indessen hoffte ich die sehr starke Stellung wenigstens für den Tag<lb/>
sicher halten zu können, da mir bis dahin noch nicht die geringste Meldung<lb/>
von Solbro herzugekommen war, daß der Feind dort seinen Angriff etwa er¬<lb/>
neuert habe, und ich also glaubte, er habe ihn überhaupt aufgegeben, es sei<lb/>
der falsche gewesen, und er beabsichtige vielmehr über Wedelspang vorzudringen,<lb/>
womit denn auch das stimmte, daß die zweite Brigade behauptete, nicht im</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0263] vorwärts, daß sie sich im Gegentheil von einem viel schwächeren Feind in ihre starke Stellung von Wedelspang zurückdrängen und trotz aller Mahnungen zum Angriff darin festhalten ließ. Es fand hier eine so schlechte Führung statt, daß die schlimmsten Anklagen daraus entstanden, in deren Folge noch spät Offiziere entlassen wurden, und welche noch weiter hinauf gegriffen haben würden, hätte ich damals ahnen können, was ich erst ein Jahr nachher durch den dänischen Bericht über die Schlacht erfahren habe, daß hier der Brigade ein viel schwächerer Feind entgegenstand, während ich immer das Gegentheil ange¬ nommen hatte. So war denn der offensive Stoß völlig mißlungen, und ich sah mich in die Lage der absoluten Vertheidigung der Stellung zurückversetzt, also gewisser¬ maßen nur an den Anfang der Lage, wie sie gewesen sein würde, hätte ich mich, wie es die Meisten gethan haben würden, darauf beschränkt, den Angriff von Hause aus in der Stellung zu erwarten, nur mit dem Unterschiede, daß die Aufgabe nun mit zum Theil geschwächten und entmuthigten Truppen zu lösen war. Der Nachtheil wurde aber dadurch mehr als aufgewogen, daß der Feind eine viel stärkere Erschütterung erlitten hatte wie ich, »und daß meine Artillerie und Cavallerie noch völlig unangetastet war. Es trat nun ein völliger Still¬ stand im Gange der Schlacht ein, da ich jetzt auch den falschen Angriff zurück¬ zog, welchen ein Theil der ersten Brigade durch den Buchwald gegen Helligbek gemacht hatte, und der durch die Hitze des tapfern Baudissin heftiger als ich es beabsichtigt hatte, durch seine Heftigkeit aber zu einer sehr nützlichen Diversion wurde, denn der Feind warf ihm einen Theil seiner Reserven ent¬ gegen, die ihm dann fehlten, als er sein Centrum gegen meinen so unerwarteten Angriff unterstützen wollte. Und ebenso ist er wohl die nächste Veranlassung dazu gewesen, daß der dänische General in höchster Besorgniß und Eile seinem rechten Flügel den Befehl schickte zurückzukehren, was mir später so nützlich wurde. So spielte das Glück an diesem Tage unaufhörlich mit den Gedanken der Menschen. Was sie Richtiges gewollt, geschah nicht oder schlug zum Verderben aus, was sie nicht gewollt oder was falsch war, hatte einen glücklichen Erfolg. Der nun etwa zwischen 9 und 10 Uhr eingetretene Stillstand gab mir Gelegenheit, meine Vertheidigungslinie wieder einigermaßen zu ordnen, wobei mich der sehr erschütterte Zustand der Infanterie in nicht geringe Besorgniß brachte. Indessen hoffte ich die sehr starke Stellung wenigstens für den Tag sicher halten zu können, da mir bis dahin noch nicht die geringste Meldung von Solbro herzugekommen war, daß der Feind dort seinen Angriff etwa er¬ neuert habe, und ich also glaubte, er habe ihn überhaupt aufgegeben, es sei der falsche gewesen, und er beabsichtige vielmehr über Wedelspang vorzudringen, womit denn auch das stimmte, daß die zweite Brigade behauptete, nicht im

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/263
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/263>, abgerufen am 20.10.2024.