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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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Abend vorher schon hingedeutet worden war. der Angriff solle erst dann er¬
folgen, wenn die auf der ganzen Linie aufgestellten Fanale angezündet würden
und das Zeichen dazu gäben. Dann sollte, wie es angeordnet war, die zweite,
dritte und vierte Brigade, der die Reservecavallerie folgen sollte, ihren concentrischen
Angriff auf Stoll machen, die dritte sollte von der Laufbrücke über den Langsee
her die Spitze des Kens bilden, mit dem die Stellung des Gegners gesprengt
werden sollte. Hier nun eben lag ganz unerwartet das einzige Glück, was das
kühne Unternehmen an dem unglücklichen Tage zur Seite hatte, und auel hier
zeigte es sich wiederholt, wie die höheren Mächte mit den armen Sterblichen
ihr Wesen treiben. Am Morgen des 25. Juli fiel ein dichter Nebel und Sprüh¬
regen, er hatte die brennbaren Stoffe der Fanale durchnäßt, so daß sie. als
sie angezündet werden sollten, erst nicht brennen wollten, und erst nach einiger
,Zeit dazu gebracht werden konnten. Durch diesen Zufall wurde der Angriff
noch mehr verzögert, als es in meiner Absicht lag. und gerade dies hat zu dem
günstigsten Umstände geführt, auf den der Angriff stoßen konnte.

Ich hatte nämlich mit meinen Zweifeln, in welche ich die Nacht gerieth,
zum Theil ganz recht. Der Feind war mit seiner Hauptmacht noch gar nicht
so nah als ich es, wie ich meine Disposition zum Angriff mit Tagesanbruch
entwarf, vorausgesetzt hatte, und ich wäre, wenn er darnach so früh ausgeführt
wurde, vielleicht zwischen die Angriffskolonnen der im Anrücken begriffenen
Dänen gerathen oder hätte mindestens in die Luft gestoßen, während nun durch
den verspäteten Angriff der günstige Umstand herbeigeführt wurde, der vor¬
zugsweise zum taktischen Siege führen konnte.

Der Feind hatte seinen Angriffsplan offenbar ohne alle Rücksicht auf einen
möglichen Gegenstoß meinerseits und in der Meinung entworfen, ich stehe in
der Stellung hinter dem Langsee und jenseits der Seen von Armsdorf. In
der Ansicht hatte er seine zweite Hauptkolonne unter Schleppegrell von der
Straße von Mssunde über Stoll nach Zdstedt dirigirt und seine Cavaliere
als Verbindung mit seinem rechten Flügel, weit rechts weggeschoben. Dadurch
geschah es aber, daß der vom trüben Wetter begünstigte Angriff des Generals
v. d. Horst in die Seite der länger Kolonne von Schleppegrell traf und dort
große Verwirrung anrichtete, besonders nachdem der feindliche General getödtet
war, und daß ebenso der Feind fast seine ganze Cavaliere nicht zur Hand
hatte, als die Gefahr für ihn groß wurde. Beide Umstände aber hätten gerade
den Sieg für Mich herbeigeführt, wenn nicht die unerwartetsten und unglück¬
lichsten Zufälle und Vorfälle es anders gewendet hätten.

Als ich am frühesten Morgen in der Stellung eintraf, hatte ich voraus-'
gesetzt, der dänische Obergeneral werde jedenfalls erst gegen Mittag angreifen.
Ich wußte von einigen Gefangenen, daß er am 24. bei großer Hitze einen
stauten Marsch gemacht, und dachte nun, er werde nach Napoleons Manier seine


Abend vorher schon hingedeutet worden war. der Angriff solle erst dann er¬
folgen, wenn die auf der ganzen Linie aufgestellten Fanale angezündet würden
und das Zeichen dazu gäben. Dann sollte, wie es angeordnet war, die zweite,
dritte und vierte Brigade, der die Reservecavallerie folgen sollte, ihren concentrischen
Angriff auf Stoll machen, die dritte sollte von der Laufbrücke über den Langsee
her die Spitze des Kens bilden, mit dem die Stellung des Gegners gesprengt
werden sollte. Hier nun eben lag ganz unerwartet das einzige Glück, was das
kühne Unternehmen an dem unglücklichen Tage zur Seite hatte, und auel hier
zeigte es sich wiederholt, wie die höheren Mächte mit den armen Sterblichen
ihr Wesen treiben. Am Morgen des 25. Juli fiel ein dichter Nebel und Sprüh¬
regen, er hatte die brennbaren Stoffe der Fanale durchnäßt, so daß sie. als
sie angezündet werden sollten, erst nicht brennen wollten, und erst nach einiger
,Zeit dazu gebracht werden konnten. Durch diesen Zufall wurde der Angriff
noch mehr verzögert, als es in meiner Absicht lag. und gerade dies hat zu dem
günstigsten Umstände geführt, auf den der Angriff stoßen konnte.

Ich hatte nämlich mit meinen Zweifeln, in welche ich die Nacht gerieth,
zum Theil ganz recht. Der Feind war mit seiner Hauptmacht noch gar nicht
so nah als ich es, wie ich meine Disposition zum Angriff mit Tagesanbruch
entwarf, vorausgesetzt hatte, und ich wäre, wenn er darnach so früh ausgeführt
wurde, vielleicht zwischen die Angriffskolonnen der im Anrücken begriffenen
Dänen gerathen oder hätte mindestens in die Luft gestoßen, während nun durch
den verspäteten Angriff der günstige Umstand herbeigeführt wurde, der vor¬
zugsweise zum taktischen Siege führen konnte.

Der Feind hatte seinen Angriffsplan offenbar ohne alle Rücksicht auf einen
möglichen Gegenstoß meinerseits und in der Meinung entworfen, ich stehe in
der Stellung hinter dem Langsee und jenseits der Seen von Armsdorf. In
der Ansicht hatte er seine zweite Hauptkolonne unter Schleppegrell von der
Straße von Mssunde über Stoll nach Zdstedt dirigirt und seine Cavaliere
als Verbindung mit seinem rechten Flügel, weit rechts weggeschoben. Dadurch
geschah es aber, daß der vom trüben Wetter begünstigte Angriff des Generals
v. d. Horst in die Seite der länger Kolonne von Schleppegrell traf und dort
große Verwirrung anrichtete, besonders nachdem der feindliche General getödtet
war, und daß ebenso der Feind fast seine ganze Cavaliere nicht zur Hand
hatte, als die Gefahr für ihn groß wurde. Beide Umstände aber hätten gerade
den Sieg für Mich herbeigeführt, wenn nicht die unerwartetsten und unglück¬
lichsten Zufälle und Vorfälle es anders gewendet hätten.

Als ich am frühesten Morgen in der Stellung eintraf, hatte ich voraus-'
gesetzt, der dänische Obergeneral werde jedenfalls erst gegen Mittag angreifen.
Ich wußte von einigen Gefangenen, daß er am 24. bei großer Hitze einen
stauten Marsch gemacht, und dachte nun, er werde nach Napoleons Manier seine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/260>, abgerufen am 20.10.2024.